Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

präsident war. Einige meiner Gedichte wur-
den ohne mein Vorwissen unter dem Titel
Campagnengedichte gedruckt, vom da-
maligen Berlinschen Buchhändler, nachmali-
gen Hofrath, dann Cammerherr, auch Ba-
ron gewordenen und als Graf auf seinen gro-
ßen Güthern in Sachsen gestorbnen Rüdi-
ger. Zwey Majors, bey deren Compagnien
ich gestanden, hatten mich an ihren Tisch
genommen, für den Magen hatt' ich also
keine Sorge, außer wenn ich auf die Wache
zog, wo mein Mittagsmahl jederzeit aus
Rindfleisch mit Reis und das Abendbrod
aus einer Suppe von Commisbrod, wo mög-
lich mit Honig versüßt, bestand. Andre
Sorgen macht ich mir nicht. Oft wußten
meine Cameraden nicht meine rasche Jovia-
lität in ihrer Gesellschaft und meine ernste
Gleichmüthigkeit im Dienst zusammen zu
reimen. Zum ersten trieb mich die Natur,
zur letztern nöthigten mich Umstände und
Rücksichten. Jch wußte gewiß, daß man auf
mich Acht gab, und das half mir den Kopf
ziemlich fest halten, als ich zum erstenmal
beschossen wurde, das Herz schlug mir in-
dessen doch etwas anders, wenn ich Kugeln
pfeifen, als wenn ich ein Lied von einem

praͤſident war. Einige meiner Gedichte wur-
den ohne mein Vorwiſſen unter dem Titel
Campagnengedichte gedruckt, vom da-
maligen Berlinſchen Buchhaͤndler, nachmali-
gen Hofrath, dann Cammerherr, auch Ba-
ron gewordenen und als Graf auf ſeinen gro-
ßen Guͤthern in Sachſen geſtorbnen Ruͤdi-
ger. Zwey Majors, bey deren Compagnien
ich geſtanden, hatten mich an ihren Tiſch
genommen, fuͤr den Magen hatt’ ich alſo
keine Sorge, außer wenn ich auf die Wache
zog, wo mein Mittagsmahl jederzeit aus
Rindfleiſch mit Reis und das Abendbrod
aus einer Suppe von Commisbrod, wo moͤg-
lich mit Honig verſuͤßt, beſtand. Andre
Sorgen macht ich mir nicht. Oft wußten
meine Cameraden nicht meine raſche Jovia-
litaͤt in ihrer Geſellſchaft und meine ernſte
Gleichmuͤthigkeit im Dienſt zuſammen zu
reimen. Zum erſten trieb mich die Natur,
zur letztern noͤthigten mich Umſtaͤnde und
Ruͤckſichten. Jch wußte gewiß, daß man auf
mich Acht gab, und das half mir den Kopf
ziemlich feſt halten, als ich zum erſtenmal
beſchoſſen wurde, das Herz ſchlug mir in-
deſſen doch etwas anders, wenn ich Kugeln
pfeifen, als wenn ich ein Lied von einem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0125" n="108"/>
pra&#x0364;&#x017F;ident war. Einige meiner Gedichte wur-<lb/>
den ohne mein Vorwi&#x017F;&#x017F;en unter dem Titel<lb/><hi rendition="#g">Campagnengedichte</hi> gedruckt, vom da-<lb/>
maligen Berlin&#x017F;chen Buchha&#x0364;ndler, nachmali-<lb/>
gen Hofrath, dann Cammerherr, auch Ba-<lb/>
ron gewordenen und als Graf auf &#x017F;einen gro-<lb/>
ßen Gu&#x0364;thern in Sach&#x017F;en ge&#x017F;torbnen Ru&#x0364;di-<lb/>
ger. Zwey Majors, bey deren Compagnien<lb/>
ich ge&#x017F;tanden, hatten mich an ihren Ti&#x017F;ch<lb/>
genommen, fu&#x0364;r den Magen hatt&#x2019; ich al&#x017F;o<lb/>
keine Sorge, außer wenn ich auf die Wache<lb/>
zog, wo mein Mittagsmahl jederzeit aus<lb/>
Rindflei&#x017F;ch mit Reis und das Abendbrod<lb/>
aus einer Suppe von Commisbrod, wo mo&#x0364;g-<lb/>
lich mit Honig ver&#x017F;u&#x0364;ßt, be&#x017F;tand. Andre<lb/>
Sorgen macht ich mir nicht. Oft wußten<lb/>
meine Cameraden nicht meine ra&#x017F;che Jovia-<lb/>
lita&#x0364;t in ihrer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft und meine ern&#x017F;te<lb/>
Gleichmu&#x0364;thigkeit im Dien&#x017F;t zu&#x017F;ammen zu<lb/>
reimen. Zum er&#x017F;ten trieb mich die Natur,<lb/>
zur letztern no&#x0364;thigten mich Um&#x017F;ta&#x0364;nde und<lb/>
Ru&#x0364;ck&#x017F;ichten. Jch wußte gewiß, daß man auf<lb/>
mich Acht gab, und das half mir den Kopf<lb/>
ziemlich fe&#x017F;t halten, als ich zum er&#x017F;tenmal<lb/>
be&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en wurde, das Herz &#x017F;chlug mir in-<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en doch etwas anders, wenn ich Kugeln<lb/>
pfeifen, als wenn ich ein Lied von einem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0125] praͤſident war. Einige meiner Gedichte wur- den ohne mein Vorwiſſen unter dem Titel Campagnengedichte gedruckt, vom da- maligen Berlinſchen Buchhaͤndler, nachmali- gen Hofrath, dann Cammerherr, auch Ba- ron gewordenen und als Graf auf ſeinen gro- ßen Guͤthern in Sachſen geſtorbnen Ruͤdi- ger. Zwey Majors, bey deren Compagnien ich geſtanden, hatten mich an ihren Tiſch genommen, fuͤr den Magen hatt’ ich alſo keine Sorge, außer wenn ich auf die Wache zog, wo mein Mittagsmahl jederzeit aus Rindfleiſch mit Reis und das Abendbrod aus einer Suppe von Commisbrod, wo moͤg- lich mit Honig verſuͤßt, beſtand. Andre Sorgen macht ich mir nicht. Oft wußten meine Cameraden nicht meine raſche Jovia- litaͤt in ihrer Geſellſchaft und meine ernſte Gleichmuͤthigkeit im Dienſt zuſammen zu reimen. Zum erſten trieb mich die Natur, zur letztern noͤthigten mich Umſtaͤnde und Ruͤckſichten. Jch wußte gewiß, daß man auf mich Acht gab, und das half mir den Kopf ziemlich feſt halten, als ich zum erſtenmal beſchoſſen wurde, das Herz ſchlug mir in- deſſen doch etwas anders, wenn ich Kugeln pfeifen, als wenn ich ein Lied von einem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/125
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/125>, abgerufen am 23.11.2024.