hübschen Kinde singen hörte. Jst man ein- mal im Feuer, so weiß ich nicht, wie man sich da noch fürchten kaun; die Begierde, die wegzuschaffen, die mich verwunden oder töd- ten könnten, scheinet alle Furcht auszutrei- ben und zum Draufzugehen zu ermuntern.
Meine Neigung zum Gefaßtsoyn datirt sich von viel frühern Zeiten her. Gerad über meinem ersten Studentenquartier kam Feuer aus, als ich eben nicht zu Hause war. Bey meiner Zurückkunft sah ich die hestige Flam- me, fand meinen Stubencameraden in Angst und Schweiß gebadet mit verkehrtem Ein- packen und sogenanntem Retten beschäfftigt. Die Fensterrauten zersprangen, das Zimmer war badstuben heiß, weil die Straße gar nicht breit war -- ich packte blos meine Bücher, und rührte weiter nichts an. Nach glücklich gelöschtem Brande wurde der ängst- liche Einpacker krank, fand vieles von sei- nen Sachen sehr beschädigt, ich dagegen war wohl auf und hatte meine Bücher bald wieder in Ordnung gestellt. Der Vortheil meiner damaligen Fassung ist mir so ein- leuchtend geblieben, daß ich bey jedem gro- ßen Lärm im Moment seines Ausbruchs so kaltblütig werde und mehrentheils auch
huͤbſchen Kinde ſingen hoͤrte. Jſt man ein- mal im Feuer, ſo weiß ich nicht, wie man ſich da noch fuͤrchten kaun; die Begierde, die wegzuſchaffen, die mich verwunden oder toͤd- ten koͤnnten, ſcheinet alle Furcht auszutrei- ben und zum Draufzugehen zu ermuntern.
Meine Neigung zum Gefaßtſoyn datirt ſich von viel fruͤhern Zeiten her. Gerad uͤber meinem erſten Studentenquartier kam Feuer aus, als ich eben nicht zu Hauſe war. Bey meiner Zuruͤckkunft ſah ich die heſtige Flam- me, fand meinen Stubencameraden in Angſt und Schweiß gebadet mit verkehrtem Ein- packen und ſogenanntem Retten beſchaͤfftigt. Die Fenſterrauten zerſprangen, das Zimmer war badſtuben heiß, weil die Straße gar nicht breit war — ich packte blos meine Buͤcher, und ruͤhrte weiter nichts an. Nach gluͤcklich geloͤſchtem Brande wurde der aͤngſt- liche Einpacker krank, fand vieles von ſei- nen Sachen ſehr beſchaͤdigt, ich dagegen war wohl auf und hatte meine Buͤcher bald wieder in Ordnung geſtellt. Der Vortheil meiner damaligen Faſſung iſt mir ſo ein- leuchtend geblieben, daß ich bey jedem gro- ßen Laͤrm im Moment ſeines Ausbruchs ſo kaltbluͤtig werde und mehrentheils auch
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0126"n="109"/>
huͤbſchen Kinde ſingen hoͤrte. Jſt man ein-<lb/>
mal im Feuer, ſo weiß ich nicht, wie man<lb/>ſich da noch fuͤrchten kaun; die Begierde, die<lb/>
wegzuſchaffen, die mich verwunden oder toͤd-<lb/>
ten koͤnnten, ſcheinet alle Furcht auszutrei-<lb/>
ben und zum Draufzugehen zu ermuntern.</p><lb/><p>Meine Neigung zum Gefaßtſoyn datirt<lb/>ſich von viel fruͤhern Zeiten her. Gerad uͤber<lb/>
meinem erſten Studentenquartier kam Feuer<lb/>
aus, als ich eben nicht zu Hauſe war. Bey<lb/>
meiner Zuruͤckkunft ſah ich die heſtige Flam-<lb/>
me, fand meinen Stubencameraden in Angſt<lb/>
und Schweiß gebadet mit verkehrtem Ein-<lb/>
packen und ſogenanntem Retten beſchaͤfftigt.<lb/>
Die Fenſterrauten zerſprangen, das Zimmer<lb/>
war badſtuben heiß, weil die Straße gar<lb/>
nicht breit war — ich packte blos meine<lb/>
Buͤcher, und ruͤhrte weiter nichts an. Nach<lb/>
gluͤcklich geloͤſchtem Brande wurde der aͤngſt-<lb/>
liche Einpacker krank, fand vieles von ſei-<lb/>
nen Sachen ſehr beſchaͤdigt, ich dagegen war<lb/>
wohl auf und hatte meine Buͤcher bald<lb/>
wieder in Ordnung geſtellt. Der Vortheil<lb/>
meiner damaligen Faſſung iſt mir ſo ein-<lb/>
leuchtend geblieben, daß ich bey jedem gro-<lb/>
ßen Laͤrm im Moment ſeines Ausbruchs ſo<lb/>
kaltbluͤtig werde und mehrentheils auch<lb/></p></div></body></text></TEI>
[109/0126]
huͤbſchen Kinde ſingen hoͤrte. Jſt man ein-
mal im Feuer, ſo weiß ich nicht, wie man
ſich da noch fuͤrchten kaun; die Begierde, die
wegzuſchaffen, die mich verwunden oder toͤd-
ten koͤnnten, ſcheinet alle Furcht auszutrei-
ben und zum Draufzugehen zu ermuntern.
Meine Neigung zum Gefaßtſoyn datirt
ſich von viel fruͤhern Zeiten her. Gerad uͤber
meinem erſten Studentenquartier kam Feuer
aus, als ich eben nicht zu Hauſe war. Bey
meiner Zuruͤckkunft ſah ich die heſtige Flam-
me, fand meinen Stubencameraden in Angſt
und Schweiß gebadet mit verkehrtem Ein-
packen und ſogenanntem Retten beſchaͤfftigt.
Die Fenſterrauten zerſprangen, das Zimmer
war badſtuben heiß, weil die Straße gar
nicht breit war — ich packte blos meine
Buͤcher, und ruͤhrte weiter nichts an. Nach
gluͤcklich geloͤſchtem Brande wurde der aͤngſt-
liche Einpacker krank, fand vieles von ſei-
nen Sachen ſehr beſchaͤdigt, ich dagegen war
wohl auf und hatte meine Buͤcher bald
wieder in Ordnung geſtellt. Der Vortheil
meiner damaligen Faſſung iſt mir ſo ein-
leuchtend geblieben, daß ich bey jedem gro-
ßen Laͤrm im Moment ſeines Ausbruchs ſo
kaltbluͤtig werde und mehrentheils auch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/126>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.