Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

werth gemacht hat, daß ich ihn für den Fach-
baum in der Lebensmühle halte.

Tiedgen läßt in einem höchfl naiven
Liede das Mädchen sagen:

So schupp' ich den Verdruß
Mit einem Seufzer nieder,
Was kann man denn dawider,
Wenn man nun einmal muß?

Jn das, wenigstens damals, spartanisch ge-
richtete und in der neuern Zeit (1806.) ge-
wiß nicht wenig Kriegslärm machende Ber-
lin hofft ich als ein junger Held einzuzie-
hen, hatte mich fleißig auf das Salutiren
beym Vorbeymarsch vor der königlichen Familie
eingeübt, wurde aber ein Paar Tage vorher
krank, und ob ich gleich am Einmarschtage
alle meine Kräfte zur Toilette anstrengte,
so mußte ich mich doch in mein Uebel erge-
ben und, statt in die Residenz einzuparadi-
ren, mich von meinem Bedienten auf dem
Pferde halten lassen, damit der Leib nicht
gleich dem schwankenden Kopf das Gleich-
gewicht verlöre.

Meine Krankheit wurde dem alten Regi-
mentsarzt, den König Friedrich einst sehr
übel angelassen hatte, weil er im Lazareth
Brechmittel und nicht Emetique brauchte,

werth gemacht hat, daß ich ihn fuͤr den Fach-
baum in der Lebensmuͤhle halte.

Tiedgen laͤßt in einem hoͤchfl naiven
Liede das Maͤdchen ſagen:

So ſchupp’ ich den Verdruß
Mit einem Seufzer nieder,
Was kann man denn dawider,
Wenn man nun einmal muß?

Jn das, wenigſtens damals, ſpartaniſch ge-
richtete und in der neuern Zeit (1806.) ge-
wiß nicht wenig Kriegslaͤrm machende Ber-
lin hofft ich als ein junger Held einzuzie-
hen, hatte mich fleißig auf das Salutiren
beym Vorbeymarſch vor der koͤniglichen Familie
eingeuͤbt, wurde aber ein Paar Tage vorher
krank, und ob ich gleich am Einmarſchtage
alle meine Kraͤfte zur Toilette anſtrengte,
ſo mußte ich mich doch in mein Uebel erge-
ben und, ſtatt in die Reſidenz einzuparadi-
ren, mich von meinem Bedienten auf dem
Pferde halten laſſen, damit der Leib nicht
gleich dem ſchwankenden Kopf das Gleich-
gewicht verloͤre.

Meine Krankheit wurde dem alten Regi-
mentsarzt, den Koͤnig Friedrich einſt ſehr
uͤbel angelaſſen hatte, weil er im Lazareth
Brechmittel und nicht Emetique brauchte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0128" n="111"/>
werth gemacht hat, daß ich ihn fu&#x0364;r den Fach-<lb/>
baum in der Lebensmu&#x0364;hle halte.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Tiedgen</hi> la&#x0364;ßt in einem ho&#x0364;chfl naiven<lb/>
Liede das Ma&#x0364;dchen &#x017F;agen:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>
            <lg type="poem">
              <l>So &#x017F;chupp&#x2019; ich den Verdruß</l><lb/>
              <l>Mit einem Seufzer nieder,</l><lb/>
              <l>Was kann man denn dawider,</l><lb/>
              <l>Wenn man nun einmal <hi rendition="#g">muß?</hi></l>
            </lg>
          </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Jn das, wenig&#x017F;tens damals, &#x017F;partani&#x017F;ch ge-<lb/>
richtete und in der neuern Zeit (1806.) ge-<lb/>
wiß nicht wenig Kriegsla&#x0364;rm machende Ber-<lb/>
lin hofft ich als ein junger Held einzuzie-<lb/>
hen, hatte mich fleißig auf das Salutiren<lb/>
beym Vorbeymar&#x017F;ch vor der ko&#x0364;niglichen Familie<lb/>
eingeu&#x0364;bt, wurde aber ein Paar Tage vorher<lb/>
krank, und ob ich gleich am Einmar&#x017F;chtage<lb/>
alle meine Kra&#x0364;fte zur Toilette an&#x017F;trengte,<lb/>
&#x017F;o mußte ich mich doch in mein Uebel erge-<lb/>
ben und, &#x017F;tatt in die Re&#x017F;idenz einzuparadi-<lb/>
ren, mich von meinem Bedienten auf dem<lb/>
Pferde halten la&#x017F;&#x017F;en, damit der Leib nicht<lb/>
gleich dem &#x017F;chwankenden Kopf das Gleich-<lb/>
gewicht verlo&#x0364;re.</p><lb/>
        <p>Meine Krankheit wurde dem alten Regi-<lb/>
mentsarzt, den Ko&#x0364;nig Friedrich ein&#x017F;t &#x017F;ehr<lb/>
u&#x0364;bel angela&#x017F;&#x017F;en hatte, weil er im Lazareth<lb/>
Brechmittel und nicht <hi rendition="#aq">Emetique</hi> brauchte,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0128] werth gemacht hat, daß ich ihn fuͤr den Fach- baum in der Lebensmuͤhle halte. Tiedgen laͤßt in einem hoͤchfl naiven Liede das Maͤdchen ſagen: So ſchupp’ ich den Verdruß Mit einem Seufzer nieder, Was kann man denn dawider, Wenn man nun einmal muß? Jn das, wenigſtens damals, ſpartaniſch ge- richtete und in der neuern Zeit (1806.) ge- wiß nicht wenig Kriegslaͤrm machende Ber- lin hofft ich als ein junger Held einzuzie- hen, hatte mich fleißig auf das Salutiren beym Vorbeymarſch vor der koͤniglichen Familie eingeuͤbt, wurde aber ein Paar Tage vorher krank, und ob ich gleich am Einmarſchtage alle meine Kraͤfte zur Toilette anſtrengte, ſo mußte ich mich doch in mein Uebel erge- ben und, ſtatt in die Reſidenz einzuparadi- ren, mich von meinem Bedienten auf dem Pferde halten laſſen, damit der Leib nicht gleich dem ſchwankenden Kopf das Gleich- gewicht verloͤre. Meine Krankheit wurde dem alten Regi- mentsarzt, den Koͤnig Friedrich einſt ſehr uͤbel angelaſſen hatte, weil er im Lazareth Brechmittel und nicht Emetique brauchte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/128
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/128>, abgerufen am 23.11.2024.