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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Nach dem den 29. October 1764. erfolg-
ten Tode meines Vaters, der auch bey jener
Schwester wohnte, seine eigne kleine Haus-
haltung trieb, mich in meiner neben der sei-
nen liegenden Stube täglich ein paarmal
besuchte, dann und wann mich an seinem
Tisch essen ließ, höchst selten mit der Flinte
ausging und neben einigen Geschichtsbüchern
am fleißigsten in der großen Weimarschen
Bibel las, fing ich meinen Civillauf bey der
Königsbergschen Cammer als Sekretair Anno
1765. an, holte bald nachher meine Frau
aus Berlin und wurde im April 1767. nach
Gumbinnen als Kriegs- und Steuerrath
mit einem für die Geschäfte reichlichen Ge-
halt von 400 Thalern gesetzt. Schon damals
sah ich es ein, daß der Staat für die ihm
geleistete Arbeit immer mehr bezahlt, als
selbige werth, oder ein Partieulier dem
Privatleister dafür bezahlen würde.

Während meines Secretariatlebens in
Königsberg von 1765 -- 66. machte ich ver-
schiedene Recensionen für die Kantersche ge-
lehrte Zeitung. Die über Thümmels Wil-
helmine war die erste; die meisten waren
unbedeutend, aber oft desto wäliger (petu-
lanter) und naseweiser, besonders wenn sich

Nach dem den 29. October 1764. erfolg-
ten Tode meines Vaters, der auch bey jener
Schweſter wohnte, ſeine eigne kleine Haus-
haltung trieb, mich in meiner neben der ſei-
nen liegenden Stube taͤglich ein paarmal
beſuchte, dann und wann mich an ſeinem
Tiſch eſſen ließ, hoͤchſt ſelten mit der Flinte
ausging und neben einigen Geſchichtsbuͤchern
am fleißigſten in der großen Weimarſchen
Bibel las, fing ich meinen Civillauf bey der
Koͤnigsbergſchen Cammer als Sekretair Anno
1765. an, holte bald nachher meine Frau
aus Berlin und wurde im April 1767. nach
Gumbinnen als Kriegs- und Steuerrath
mit einem fuͤr die Geſchaͤfte reichlichen Ge-
halt von 400 Thalern geſetzt. Schon damals
ſah ich es ein, daß der Staat fuͤr die ihm
geleiſtete Arbeit immer mehr bezahlt, als
ſelbige werth, oder ein Partieulier dem
Privatleiſter dafuͤr bezahlen wuͤrde.

Waͤhrend meines Secretariatlebens in
Koͤnigsberg von 1765 — 66. machte ich ver-
ſchiedene Recenſionen fuͤr die Kanterſche ge-
lehrte Zeitung. Die uͤber Thuͤmmels Wil-
helmine war die erſte; die meiſten waren
unbedeutend, aber oft deſto waͤliger (petu-
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[123/0140] Nach dem den 29. October 1764. erfolg- ten Tode meines Vaters, der auch bey jener Schweſter wohnte, ſeine eigne kleine Haus- haltung trieb, mich in meiner neben der ſei- nen liegenden Stube taͤglich ein paarmal beſuchte, dann und wann mich an ſeinem Tiſch eſſen ließ, hoͤchſt ſelten mit der Flinte ausging und neben einigen Geſchichtsbuͤchern am fleißigſten in der großen Weimarſchen Bibel las, fing ich meinen Civillauf bey der Koͤnigsbergſchen Cammer als Sekretair Anno 1765. an, holte bald nachher meine Frau aus Berlin und wurde im April 1767. nach Gumbinnen als Kriegs- und Steuerrath mit einem fuͤr die Geſchaͤfte reichlichen Ge- halt von 400 Thalern geſetzt. Schon damals ſah ich es ein, daß der Staat fuͤr die ihm geleiſtete Arbeit immer mehr bezahlt, als ſelbige werth, oder ein Partieulier dem Privatleiſter dafuͤr bezahlen wuͤrde. Waͤhrend meines Secretariatlebens in Koͤnigsberg von 1765 — 66. machte ich ver- ſchiedene Recenſionen fuͤr die Kanterſche ge- lehrte Zeitung. Die uͤber Thuͤmmels Wil- helmine war die erſte; die meiſten waren unbedeutend, aber oft deſto waͤliger (petu- lanter) und naſeweiſer, beſonders wenn ſich

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/140>, abgerufen am 27.05.2024.