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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Jch wünschte beschreiben zu können, wie
mir zu Muth war, als ich am 25. July
das Getümmel des französischen Abmarsches
aus unsrer Stadt und meiner Wohnung an-
sah. Das Geräusch, das die bald singenden,
bald disputirenden, immer in Bewegung le-
benden Franzosen fünf Wochen durch über,
neben und unter mir gemacht hatten, ver-
wandelte sich in eine Stille, die sich wie
eine Balsamwolke auf mich herabließ, es
forderte Zeit, um sie genießen zu können, ich
lief sofort in den am Schloßteiche gelegenen
Garten, den ich so lange gar nicht betreten
hatte, fühlte mich von ganz andrer Luft um-
flossen, und einen Frieden in meinem Ge-
müthe, der nichts vom Tilsitschen an sich
hatte. Mit Freude trat ich auf meine vori-
ge Lebensbahn und fand Befriedigung für
mein Herz und meinen Geist, wenn ich wie-
der manches Stündchen beym Professor
Kraus zubrachte, der mir aber leider
schon den 25. August durch den Tod entrissen

"ter der Armeen gesichert worden, durch die Fe-
"dern der Minister wieder vernichtet würden."

Was in Rom, Hannover und Madrid geschehen
ist und geschiehet, bliebe es doch ewig entfernt von
Wien, Berlin etc.!!

Jch wuͤnſchte beſchreiben zu koͤnnen, wie
mir zu Muth war, als ich am 25. July
das Getuͤmmel des franzoͤſiſchen Abmarſches
aus unſrer Stadt und meiner Wohnung an-
ſah. Das Geraͤuſch, das die bald ſingenden,
bald disputirenden, immer in Bewegung le-
benden Franzoſen fuͤnf Wochen durch uͤber,
neben und unter mir gemacht hatten, ver-
wandelte ſich in eine Stille, die ſich wie
eine Balſamwolke auf mich herabließ, es
forderte Zeit, um ſie genießen zu koͤnnen, ich
lief ſofort in den am Schloßteiche gelegenen
Garten, den ich ſo lange gar nicht betreten
hatte, fuͤhlte mich von ganz andrer Luft um-
floſſen, und einen Frieden in meinem Ge-
muͤthe, der nichts vom Tilſitſchen an ſich
hatte. Mit Freude trat ich auf meine vori-
ge Lebensbahn und fand Befriedigung fuͤr
mein Herz und meinen Geiſt, wenn ich wie-
der manches Stuͤndchen beym Profeſſor
Kraus zubrachte, der mir aber leider
ſchon den 25. Auguſt durch den Tod entriſſen

„ter der Armeen geſichert worden, durch die Fe-
„dern der Miniſter wieder vernichtet wuͤrden.“

Was in Rom, Hannover und Madrid geſchehen
iſt und geſchiehet, bliebe es doch ewig entfernt von
Wien, Berlin ꝛc.!!
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[278/0295] Jch wuͤnſchte beſchreiben zu koͤnnen, wie mir zu Muth war, als ich am 25. July das Getuͤmmel des franzoͤſiſchen Abmarſches aus unſrer Stadt und meiner Wohnung an- ſah. Das Geraͤuſch, das die bald ſingenden, bald disputirenden, immer in Bewegung le- benden Franzoſen fuͤnf Wochen durch uͤber, neben und unter mir gemacht hatten, ver- wandelte ſich in eine Stille, die ſich wie eine Balſamwolke auf mich herabließ, es forderte Zeit, um ſie genießen zu koͤnnen, ich lief ſofort in den am Schloßteiche gelegenen Garten, den ich ſo lange gar nicht betreten hatte, fuͤhlte mich von ganz andrer Luft um- floſſen, und einen Frieden in meinem Ge- muͤthe, der nichts vom Tilſitſchen an ſich hatte. Mit Freude trat ich auf meine vori- ge Lebensbahn und fand Befriedigung fuͤr mein Herz und meinen Geiſt, wenn ich wie- der manches Stuͤndchen beym Profeſſor Kraus zubrachte, der mir aber leider ſchon den 25. Auguſt durch den Tod entriſſen *) *) „ter der Armeen geſichert worden, durch die Fe- „dern der Miniſter wieder vernichtet wuͤrden.“ Was in Rom, Hannover und Madrid geſchehen iſt und geſchiehet, bliebe es doch ewig entfernt von Wien, Berlin ꝛc.!!

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/295>, abgerufen am 02.06.2024.