Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

einstudiren, daß sie sie selbst glauben und
zuletzt das Vermögen sich zu enttäuschen
ganz verlieren. Jn einem langen Gespräch
über die Ergebung in den Willen Gottes,
in der sie zu excelliren suchte, kamen wir
indessen ziemlich überein; ob sich gleich aus
manchem, was ich von ihr hörte, schließen
ließ, daß sie herrnhuterisirte, und glaubwür-
dige Leute, die nahen Umgang mit ihr ge-
habt, haben mich versichert, sie kenne Chri-
stum von Person und richte sich in ihren
Handlungen stets nach besondern Winken
des Himmels.

Jch muß hier eine Stelle aus der Re-
cension von den Oeuvres posthumes de Ni-
vernois, par Fr. de Neuschateau
aus den
Göttingischen Anzeigen von 1809. No. 6.
S. 60. anführen. "Beym häufigen Ge-
"nusse, vorzüglich der feinern Geselligkeit
"erstarrt hohe Kraft. Er tödtet edle große
"Gedanken, sowohl in politischer als litera-
"rischer Hinsicht, im Keim. Feine, artige
"Sächelchen und Schwänke mögen aus den
"besten von solchen Cotterien hervorgehen,
"aber nicht die ersten Meisterwerke, welche
"aus der Jnnigkeit des Gemüths, aus dem

einſtudiren, daß ſie ſie ſelbſt glauben und
zuletzt das Vermoͤgen ſich zu enttaͤuſchen
ganz verlieren. Jn einem langen Geſpraͤch
uͤber die Ergebung in den Willen Gottes,
in der ſie zu excelliren ſuchte, kamen wir
indeſſen ziemlich uͤberein; ob ſich gleich aus
manchem, was ich von ihr hoͤrte, ſchließen
ließ, daß ſie herrnhuteriſirte, und glaubwuͤr-
dige Leute, die nahen Umgang mit ihr ge-
habt, haben mich verſichert, ſie kenne Chri-
ſtum von Perſon und richte ſich in ihren
Handlungen ſtets nach beſondern Winken
des Himmels.

Jch muß hier eine Stelle aus der Re-
cenſion von den Oeuvres poſthumes de Ni-
vernois, par Fr. de Neuſchateau
aus den
Goͤttingiſchen Anzeigen von 1809. No. 6.
S. 60. anfuͤhren. „Beym haͤufigen Ge-
„nuſſe, vorzuͤglich der feinern Geſelligkeit
„erſtarrt hohe Kraft. Er toͤdtet edle große
„Gedanken, ſowohl in politiſcher als litera-
„riſcher Hinſicht, im Keim. Feine, artige
„Saͤchelchen und Schwaͤnke moͤgen aus den
„beſten von ſolchen Cotterien hervorgehen,
„aber nicht die erſten Meiſterwerke, welche
„aus der Jnnigkeit des Gemuͤths, aus dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0311" n="294"/>
ein&#x017F;tudiren, daß &#x017F;ie &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t glauben und<lb/>
zuletzt das Vermo&#x0364;gen &#x017F;ich zu entta&#x0364;u&#x017F;chen<lb/>
ganz verlieren. Jn einem langen Ge&#x017F;pra&#x0364;ch<lb/>
u&#x0364;ber die Ergebung in den Willen Gottes,<lb/>
in der &#x017F;ie zu excelliren &#x017F;uchte, kamen wir<lb/>
inde&#x017F;&#x017F;en ziemlich u&#x0364;berein; ob &#x017F;ich gleich aus<lb/>
manchem, was ich von ihr ho&#x0364;rte, &#x017F;chließen<lb/>
ließ, daß &#x017F;ie herrnhuteri&#x017F;irte, und glaubwu&#x0364;r-<lb/>
dige Leute, die nahen Umgang mit ihr ge-<lb/>
habt, haben mich ver&#x017F;ichert, &#x017F;ie kenne Chri-<lb/>
&#x017F;tum von Per&#x017F;on und richte &#x017F;ich in ihren<lb/>
Handlungen &#x017F;tets nach be&#x017F;ondern Winken<lb/>
des Himmels.</p><lb/>
        <p>Jch muß hier eine Stelle aus der Re-<lb/>
cen&#x017F;ion von den <hi rendition="#aq">Oeuvres po&#x017F;thumes de Ni-<lb/>
vernois, par Fr. de Neu&#x017F;chateau</hi> aus den<lb/>
Go&#x0364;ttingi&#x017F;chen Anzeigen von 1809. No. 6.<lb/>
S. 60. anfu&#x0364;hren. <cit><quote>&#x201E;Beym ha&#x0364;ufigen Ge-<lb/>
&#x201E;nu&#x017F;&#x017F;e, vorzu&#x0364;glich der feinern Ge&#x017F;elligkeit<lb/>
&#x201E;er&#x017F;tarrt hohe Kraft. Er to&#x0364;dtet edle große<lb/>
&#x201E;Gedanken, &#x017F;owohl in politi&#x017F;cher als litera-<lb/>
&#x201E;ri&#x017F;cher Hin&#x017F;icht, im Keim. Feine, artige<lb/>
&#x201E;Sa&#x0364;chelchen und Schwa&#x0364;nke mo&#x0364;gen aus den<lb/>
&#x201E;be&#x017F;ten von &#x017F;olchen Cotterien hervorgehen,<lb/>
&#x201E;aber nicht die er&#x017F;ten Mei&#x017F;terwerke, welche<lb/>
&#x201E;aus der Jnnigkeit des Gemu&#x0364;ths, aus dem<lb/></quote></cit></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0311] einſtudiren, daß ſie ſie ſelbſt glauben und zuletzt das Vermoͤgen ſich zu enttaͤuſchen ganz verlieren. Jn einem langen Geſpraͤch uͤber die Ergebung in den Willen Gottes, in der ſie zu excelliren ſuchte, kamen wir indeſſen ziemlich uͤberein; ob ſich gleich aus manchem, was ich von ihr hoͤrte, ſchließen ließ, daß ſie herrnhuteriſirte, und glaubwuͤr- dige Leute, die nahen Umgang mit ihr ge- habt, haben mich verſichert, ſie kenne Chri- ſtum von Perſon und richte ſich in ihren Handlungen ſtets nach beſondern Winken des Himmels. Jch muß hier eine Stelle aus der Re- cenſion von den Oeuvres poſthumes de Ni- vernois, par Fr. de Neuſchateau aus den Goͤttingiſchen Anzeigen von 1809. No. 6. S. 60. anfuͤhren. „Beym haͤufigen Ge- „nuſſe, vorzuͤglich der feinern Geſelligkeit „erſtarrt hohe Kraft. Er toͤdtet edle große „Gedanken, ſowohl in politiſcher als litera- „riſcher Hinſicht, im Keim. Feine, artige „Saͤchelchen und Schwaͤnke moͤgen aus den „beſten von ſolchen Cotterien hervorgehen, „aber nicht die erſten Meiſterwerke, welche „aus der Jnnigkeit des Gemuͤths, aus dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/311
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/311>, abgerufen am 22.11.2024.