Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite
keiten seiner Umgebungen beyderley Geschlechts
zu gutmüthig Preiß giebt, nicht ein ganz
rüchtiger Staatsverwalter seyn und sich vom
Verdacht partheyischer oder nicht genug fleißi-
ger Haushalterey frey machen könne.
Daß ein vornehmer Mann mich je so für
sich eingenommen haben sollte, wie Er, erin-
nere ich mich nicht; *) auch äußerten die un-
"benheit abstumpfen, und zuletzt selbst ein schlech-
"tes Ende nehmen?
"Kurz Jhr Freund ist ein höchst genialisches an-
"genehmes Weltwesen; hat gewiß vielen Einfluß,
"dessen er sich weder berühmt, noch es zu seinem
"persönlichem Vortheil benutzt, daher seine häusli-
"chen Umstände nicht vortheilhaft seyn sollen; ob
"er nun gleich ein herrlicher Kopf und ein gemüth-
"licher Mensch ist, so möcht' ich doch um keinen
"Preis Er seyn."
*) Göthe läßt den Serlo, der als Marinelli den
Hofmann rein ohne Caricatur vorsiellte, zum
Withelm Meister, der die Rolle des Prinzen in Emi-
lia Galotti spielen sollte, sagen: "der vornehme
"Mann ist schwer nachzuahmen, weil er eigentlich
"negativ ist, und eine langanhaltende Uebung vor-
"aussetzt. Denn man soll nicht etwa in seinem Be-
"nehmen etwas darstellen, das Würde anzeigt,
"denn leicht fällt man dadurch in ein förmliches,
keiten ſeiner Umgebungen beyderley Geſchlechts
zu gutmuͤthig Preiß giebt, nicht ein ganz
ruͤchtiger Staatsverwalter ſeyn und ſich vom
Verdacht partheyiſcher oder nicht genug fleißi-
ger Haushalterey frey machen koͤnne.
Daß ein vornehmer Mann mich je ſo fuͤr
ſich eingenommen haben ſollte, wie Er, erin-
nere ich mich nicht; *) auch aͤußerten die un-
„benheit abſtumpfen, und zuletzt ſelbſt ein ſchlech-
„tes Ende nehmen?
„Kurz Jhr Freund iſt ein hoͤchſt genialiſches an-
„genehmes Weltweſen; hat gewiß vielen Einfluß,
„deſſen er ſich weder beruͤhmt, noch es zu ſeinem
„perſoͤnlichem Vortheil benutzt, daher ſeine haͤusli-
„chen Umſtaͤnde nicht vortheilhaft ſeyn ſollen; ob
„er nun gleich ein herrlicher Kopf und ein gemuͤth-
„licher Menſch iſt, ſo moͤcht’ ich doch um keinen
„Preis Er ſeyn.“
*) Goͤthe laͤßt den Serlo, der als Marinelli den
Hofmann rein ohne Caricatur vorſiellte, zum
Withelm Meiſter, der die Rolle des Prinzen in Emi-
lia Galotti ſpielen ſollte, ſagen: „der vornehme
„Mann iſt ſchwer nachzuahmen, weil er eigentlich
„negativ iſt, und eine langanhaltende Uebung vor-
„ausſetzt. Denn man ſoll nicht etwa in ſeinem Be-
„nehmen etwas darſtellen, das Wuͤrde anzeigt,
„denn leicht faͤllt man dadurch in ein foͤrmliches,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <list>
          <item><pb facs="#f0571" n="10"/>
keiten &#x017F;einer Umgebungen beyderley Ge&#x017F;chlechts<lb/>
zu gutmu&#x0364;thig Preiß giebt, nicht ein ganz<lb/>
ru&#x0364;chtiger Staatsverwalter &#x017F;eyn und &#x017F;ich vom<lb/>
Verdacht partheyi&#x017F;cher oder nicht genug fleißi-<lb/>
ger Haushalterey frey machen ko&#x0364;nne.</item><lb/>
          <item>Daß ein vornehmer Mann mich je &#x017F;o fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;ich eingenommen haben &#x017F;ollte, wie Er, erin-<lb/>
nere ich mich nicht; <note xml:id="seg2pn_46_1" next="#seg2pn_46_2" place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Go&#x0364;the</hi> la&#x0364;ßt den <hi rendition="#g">Serlo,</hi> der als Marinelli den<lb/>
Hofmann <hi rendition="#g">rein</hi> ohne Caricatur vor&#x017F;iellte, zum<lb/>
Withelm Mei&#x017F;ter, der die Rolle des Prinzen in Emi-<lb/>
lia Galotti &#x017F;pielen &#x017F;ollte, &#x017F;agen: <cit><quote>&#x201E;der vornehme<lb/>
&#x201E;Mann i&#x017F;t &#x017F;chwer nachzuahmen, weil er eigentlich<lb/>
&#x201E;negativ i&#x017F;t, und eine langanhaltende Uebung vor-<lb/>
&#x201E;aus&#x017F;etzt. Denn man &#x017F;oll nicht etwa in &#x017F;einem Be-<lb/>
&#x201E;nehmen etwas dar&#x017F;tellen, das Wu&#x0364;rde anzeigt,<lb/>
&#x201E;denn leicht fa&#x0364;llt man dadurch in ein fo&#x0364;rmliches,</quote></cit></note> auch a&#x0364;ußerten die un-<lb/><note xml:id="seg2pn_45_3" prev="#seg2pn_45_2" place="foot" n="*)"><cit><quote>&#x201E;benheit ab&#x017F;tumpfen, und zuletzt &#x017F;elb&#x017F;t ein &#x017F;chlech-<lb/>
&#x201E;tes Ende nehmen?<lb/>
&#x201E;Kurz Jhr Freund i&#x017F;t ein ho&#x0364;ch&#x017F;t geniali&#x017F;ches an-<lb/>
&#x201E;genehmes Weltwe&#x017F;en; hat gewiß vielen Einfluß,<lb/>
&#x201E;de&#x017F;&#x017F;en er &#x017F;ich weder beru&#x0364;hmt, noch es zu &#x017F;einem<lb/>
&#x201E;per&#x017F;o&#x0364;nlichem Vortheil benutzt, daher &#x017F;eine ha&#x0364;usli-<lb/>
&#x201E;chen Um&#x017F;ta&#x0364;nde nicht vortheilhaft &#x017F;eyn &#x017F;ollen; ob<lb/>
&#x201E;er nun gleich ein herrlicher Kopf und ein gemu&#x0364;th-<lb/>
&#x201E;licher Men&#x017F;ch i&#x017F;t, &#x017F;o mo&#x0364;cht&#x2019; ich doch um keinen<lb/>
&#x201E;Preis <hi rendition="#g">Er</hi> &#x017F;eyn.&#x201C;</quote></cit></note><lb/></item>
        </list>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0571] keiten ſeiner Umgebungen beyderley Geſchlechts zu gutmuͤthig Preiß giebt, nicht ein ganz ruͤchtiger Staatsverwalter ſeyn und ſich vom Verdacht partheyiſcher oder nicht genug fleißi- ger Haushalterey frey machen koͤnne. Daß ein vornehmer Mann mich je ſo fuͤr ſich eingenommen haben ſollte, wie Er, erin- nere ich mich nicht; *) auch aͤußerten die un- *) *) Goͤthe laͤßt den Serlo, der als Marinelli den Hofmann rein ohne Caricatur vorſiellte, zum Withelm Meiſter, der die Rolle des Prinzen in Emi- lia Galotti ſpielen ſollte, ſagen: „der vornehme „Mann iſt ſchwer nachzuahmen, weil er eigentlich „negativ iſt, und eine langanhaltende Uebung vor- „ausſetzt. Denn man ſoll nicht etwa in ſeinem Be- „nehmen etwas darſtellen, das Wuͤrde anzeigt, „denn leicht faͤllt man dadurch in ein foͤrmliches, *) „benheit abſtumpfen, und zuletzt ſelbſt ein ſchlech- „tes Ende nehmen? „Kurz Jhr Freund iſt ein hoͤchſt genialiſches an- „genehmes Weltweſen; hat gewiß vielen Einfluß, „deſſen er ſich weder beruͤhmt, noch es zu ſeinem „perſoͤnlichem Vortheil benutzt, daher ſeine haͤusli- „chen Umſtaͤnde nicht vortheilhaft ſeyn ſollen; ob „er nun gleich ein herrlicher Kopf und ein gemuͤth- „licher Menſch iſt, ſo moͤcht’ ich doch um keinen „Preis Er ſeyn.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/571
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/571>, abgerufen am 23.11.2024.