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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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alles, was in dieser Zeit lesbares erschien,
wir übten uns gemeinschaftlich im Deklami-
ren, und je ernstlicher ihre ein wenig beati-
sirende Frau Mama gegen solche, ihrer Mei-
nung nach unfürstliche Frivolitäten eiferte,
desto mehr trieben wir sie. Wie manche Stun-
de, die Se. Durchlaucht am Trissettisch und
mit Stabbrechen über die ihr verdächtigen
Männer und Frauen zubrachte, verlasen
wir im Uz, Gerstenberg, Young, Cronegk,
Diderot etc. oder verdisputirten sie über mo-
ralische Spitzfindigkeiten. Jn den Trouba-
dourzeiten haben gewiß solche Geistesspan-
nungen mauchem Uebel vorgebeugt, das aus
dem vertraulichen Umgange mit den Damen
öftrer hätte entstehen können. Der bey sol-
chen Witz- und Verstand-Tourniren lebhaft
beschäftigte Geist hindert die Sinne ihre ge-
wöhnlichen Forderungen zu machen, und
letztere schämen sich, möcht ich sagen, vor
erstern laut zu werden. Da in der Gegend
von Brandenburg viele alte Grabhügel sind,
so ward mancher Nachmittag zu Aufgrabun-
gen verwandt, und wir hielten die erbeute-
ten Urnen für keine unschickliche Verzierung
unsrer Wohnzimmer, wenn wir gleich oft
darüber ausgelacht, oder wegen der angeb-

alles, was in dieſer Zeit lesbares erſchien,
wir uͤbten uns gemeinſchaftlich im Deklami-
ren, und je ernſtlicher ihre ein wenig beati-
ſirende Frau Mama gegen ſolche, ihrer Mei-
nung nach unfuͤrſtliche Frivolitaͤten eiferte,
deſto mehr trieben wir ſie. Wie manche Stun-
de, die Se. Durchlaucht am Triſſettiſch und
mit Stabbrechen uͤber die ihr verdaͤchtigen
Maͤnner und Frauen zubrachte, verlaſen
wir im Uz, Gerſtenberg, Young, Cronegk,
Diderot ꝛc. oder verdisputirten ſie uͤber mo-
raliſche Spitzfindigkeiten. Jn den Trouba-
dourzeiten haben gewiß ſolche Geiſtesſpan-
nungen mauchem Uebel vorgebeugt, das aus
dem vertraulichen Umgange mit den Damen
oͤftrer haͤtte entſtehen koͤnnen. Der bey ſol-
chen Witz- und Verſtand-Tourniren lebhaft
beſchaͤftigte Geiſt hindert die Sinne ihre ge-
woͤhnlichen Forderungen zu machen, und
letztere ſchaͤmen ſich, moͤcht ich ſagen, vor
erſtern laut zu werden. Da in der Gegend
von Brandenburg viele alte Grabhuͤgel ſind,
ſo ward mancher Nachmittag zu Aufgrabun-
gen verwandt, und wir hielten die erbeute-
ten Urnen fuͤr keine unſchickliche Verzierung
unſrer Wohnzimmer, wenn wir gleich oft
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[75/0092] alles, was in dieſer Zeit lesbares erſchien, wir uͤbten uns gemeinſchaftlich im Deklami- ren, und je ernſtlicher ihre ein wenig beati- ſirende Frau Mama gegen ſolche, ihrer Mei- nung nach unfuͤrſtliche Frivolitaͤten eiferte, deſto mehr trieben wir ſie. Wie manche Stun- de, die Se. Durchlaucht am Triſſettiſch und mit Stabbrechen uͤber die ihr verdaͤchtigen Maͤnner und Frauen zubrachte, verlaſen wir im Uz, Gerſtenberg, Young, Cronegk, Diderot ꝛc. oder verdisputirten ſie uͤber mo- raliſche Spitzfindigkeiten. Jn den Trouba- dourzeiten haben gewiß ſolche Geiſtesſpan- nungen mauchem Uebel vorgebeugt, das aus dem vertraulichen Umgange mit den Damen oͤftrer haͤtte entſtehen koͤnnen. Der bey ſol- chen Witz- und Verſtand-Tourniren lebhaft beſchaͤftigte Geiſt hindert die Sinne ihre ge- woͤhnlichen Forderungen zu machen, und letztere ſchaͤmen ſich, moͤcht ich ſagen, vor erſtern laut zu werden. Da in der Gegend von Brandenburg viele alte Grabhuͤgel ſind, ſo ward mancher Nachmittag zu Aufgrabun- gen verwandt, und wir hielten die erbeute- ten Urnen fuͤr keine unſchickliche Verzierung unſrer Wohnzimmer, wenn wir gleich oft daruͤber ausgelacht, oder wegen der angeb-

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/92>, abgerufen am 24.11.2024.