Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.Es ist höchst auffallend, wenn man das homerische Epos selbst Einen sterblichen Mann längst auserseh'n dem Verhängniß Denkst du anjetzt von des Tods grau'nvoller Gewalt zu erlösen. Sie führt hierauf an, daß auch andere Götter, wenn er den Sarpedon Auf, wofern du ihn liebst und deine Seel' ihn betrauert, Siehe, so laß ihn zwar im Ungestümme der Feldschlacht Sterben -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- Aber sobald ihn verlassen der Geist und der Odem des Lebens, Gib ihn hinwegzutragen dem Tod und dem ruhigen Schlafe, Bis sie gekommen zum Volk des weiten Lykierlandes, Wo ihn rühmlich bestatten die Brüder zugleich und Verwandten, Mit Grabhügel und Säule; denn das ist Ehre der Todten. In dieser Stelle erscheint das Verhängniß in der Milde einer stillen 1 442 ff.
Es iſt höchſt auffallend, wenn man das homeriſche Epos ſelbſt Einen ſterblichen Mann längſt auserſeh’n dem Verhängniß Denkſt du anjetzt von des Tods grau’nvoller Gewalt zu erlöſen. Sie führt hierauf an, daß auch andere Götter, wenn er den Sarpedon Auf, wofern du ihn liebſt und deine Seel’ ihn betrauert, Siehe, ſo laß ihn zwar im Ungeſtümme der Feldſchlacht Sterben — — — — — — — — — — — — — Aber ſobald ihn verlaſſen der Geiſt und der Odem des Lebens, Gib ihn hinwegzutragen dem Tod und dem ruhigen Schlafe, Bis ſie gekommen zum Volk des weiten Lykierlandes, Wo ihn rühmlich beſtatten die Brüder zugleich und Verwandten, Mit Grabhügel und Säule; denn das iſt Ehre der Todten. In dieſer Stelle erſcheint das Verhängniß in der Milde einer ſtillen 1 442 ff.
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Es iſt höchſt auffallend, wenn man das homeriſche Epos ſelbſt
mit den früheſten Werken der lyriſchen Poeſie vergleicht, in ihm durchaus
keine Anregung des Unendlichen zu finden. Das Leben und Handeln
der Menſchen bewegt ſich von der einen Seite betrachtet in der reinen
Endlichkeit, aber eben deßwegen auch in der abſoluten Identität der
Freiheit und Nothwendigkeit. Die Hülle, welche beide wie in der Knospe
verſchließt, iſt noch nicht gebrochen, nirgends iſt Empörung gegen das
Schickſal, obgleich Trotz gegen die Götter, weil dieſe ſelbſt nicht über- und
außernatürlich ſind, ſondern mit in den Kreis menſchlicher Begebenheiten
fallen. Man könnte einwenden, daß doch auch Homer ſchon die ſchwarzen
Keren und das Verhängniß kenne, dem ſelbſt Zeus und die andern
Götter unterworfen ſind. Dieß iſt wahr, aber das Verhängniß er-
ſcheint eben deßwegen noch nicht als Schickſal, weil kein Widerſtreit
dagegen erſcheint. Götter und Menſchen, die ganze Welt, die das
Epos umfaßt, ſind in der höchſten Identität mit ihm dargeſtellt. Aeußerſt
bedeutend iſt in dieſer Rückſicht die Stelle im 16. Geſang der Ilias, 1
wo Zeus ſeinen geliebten Sarpedon aus den Händen des Patroklos und
vom Tode erretten will und Here ihn mit den Worten erinnert:
Einen ſterblichen Mann längſt auserſeh’n dem Verhängniß
Denkſt du anjetzt von des Tods grau’nvoller Gewalt zu erlöſen.
Sie führt hierauf an, daß auch andere Götter, wenn er den Sarpedon
lebend entrückte, das Gleiche für ihre Söhne begehrten, und fährt fort:
Auf, wofern du ihn liebſt und deine Seel’ ihn betrauert,
Siehe, ſo laß ihn zwar im Ungeſtümme der Feldſchlacht
Sterben — — — — — — — — — — — — —
Aber ſobald ihn verlaſſen der Geiſt und der Odem des Lebens,
Gib ihn hinwegzutragen dem Tod und dem ruhigen Schlafe,
Bis ſie gekommen zum Volk des weiten Lykierlandes,
Wo ihn rühmlich beſtatten die Brüder zugleich und Verwandten,
Mit Grabhügel und Säule; denn das iſt Ehre der Todten.
In dieſer Stelle erſcheint das Verhängniß in der Milde einer ſtillen
Nothwendigkeit, gegen die es noch keine Empörung, keinen Widerſtreit
gibt, denn auch Zeus gehorcht der Here und
1 442 ff.
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