Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

des Menschen kann nur in der wesentlichen
und absoluten Einheit der Seele und des Lei¬
bes, d. h. in der Idee des Menschen, also
überhaupt nicht in dem wirklichen und empi¬
rischen Menschen, der von dieser nur eine re¬
lative Erscheinung ist, gesucht werden.

Eigentlich müßte von der Psychologie bey
der Physik die Rede seyn, die nun ihrerseits
mit dem gleichen Grunde das bloß Leibliche
betrachtet, und die Materie und die Natur für
todt annimmt. Die wahre Naturwissenschaft
kann eben so wenig aus dieser Trennung, sondern
ihrerseits ebenso nur aus der Identität der Seele
und des Leibes aller Dinge hervorgehen: so daß
zwischen Physik und Psychologie kein realer Ge¬
gensatz denkbar ist. Selbst aber wenn man diesen
zugeben wollte, würde man doch von der Psycho¬
logie so wenig als etwa von der Physik in dersel¬
ben Entgegensetzung begreifen, wie sie an die
Stelle der Philosophie gesetzt werden könnte.

Da die Psychologie die Seele nicht
in der Idee, sondern der Erscheinungsweise
nach und allein im Gegensatz gegen dasjenige

9 *

des Menſchen kann nur in der weſentlichen
und abſoluten Einheit der Seele und des Lei¬
bes, d. h. in der Idee des Menſchen, alſo
uͤberhaupt nicht in dem wirklichen und empi¬
riſchen Menſchen, der von dieſer nur eine re¬
lative Erſcheinung iſt, geſucht werden.

Eigentlich muͤßte von der Pſychologie bey
der Phyſik die Rede ſeyn, die nun ihrerſeits
mit dem gleichen Grunde das bloß Leibliche
betrachtet, und die Materie und die Natur fuͤr
todt annimmt. Die wahre Naturwiſſenſchaft
kann eben ſo wenig aus dieſer Trennung, ſondern
ihrerſeits ebenſo nur aus der Identitaͤt der Seele
und des Leibes aller Dinge hervorgehen: ſo daß
zwiſchen Phyſik und Pſychologie kein realer Ge¬
genſatz denkbar iſt. Selbſt aber wenn man dieſen
zugeben wollte, wuͤrde man doch von der Pſycho¬
logie ſo wenig als etwa von der Phyſik in derſel¬
ben Entgegenſetzung begreifen, wie ſie an die
Stelle der Philoſophie geſetzt werden koͤnnte.

Da die Pſychologie die Seele nicht
in der Idee, ſondern der Erſcheinungsweiſe
nach und allein im Gegenſatz gegen dasjenige

9 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0140" n="131"/>
des Men&#x017F;chen kann nur in der we&#x017F;entlichen<lb/>
und ab&#x017F;oluten Einheit der Seele und des Lei¬<lb/>
bes, d. h. in der <hi rendition="#g">Idee</hi> des Men&#x017F;chen, al&#x017F;o<lb/>
u&#x0364;berhaupt nicht in dem wirklichen und empi¬<lb/>
ri&#x017F;chen Men&#x017F;chen, der von die&#x017F;er nur eine re¬<lb/>
lative Er&#x017F;cheinung i&#x017F;t, ge&#x017F;ucht werden.</p><lb/>
        <p>Eigentlich mu&#x0364;ßte von der P&#x017F;ychologie bey<lb/>
der Phy&#x017F;ik die Rede &#x017F;eyn, die nun ihrer&#x017F;eits<lb/>
mit dem gleichen Grunde das bloß Leibliche<lb/>
betrachtet, und die Materie und die Natur fu&#x0364;r<lb/>
todt annimmt. Die wahre Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
kann eben &#x017F;o wenig aus die&#x017F;er Trennung, &#x017F;ondern<lb/>
ihrer&#x017F;eits eben&#x017F;o nur aus der Identita&#x0364;t der Seele<lb/>
und des Leibes aller Dinge hervorgehen: &#x017F;o daß<lb/>
zwi&#x017F;chen Phy&#x017F;ik und P&#x017F;ychologie kein realer Ge¬<lb/>
gen&#x017F;atz denkbar i&#x017F;t. Selb&#x017F;t aber wenn man die&#x017F;en<lb/>
zugeben wollte, wu&#x0364;rde man doch von der P&#x017F;ycho¬<lb/>
logie &#x017F;o wenig als etwa von der Phy&#x017F;ik in der&#x017F;el¬<lb/>
ben Entgegen&#x017F;etzung begreifen, wie &#x017F;ie an die<lb/>
Stelle der Philo&#x017F;ophie ge&#x017F;etzt werden ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
        <p>Da die P&#x017F;ychologie die Seele nicht<lb/>
in der Idee, &#x017F;ondern der Er&#x017F;cheinungswei&#x017F;e<lb/>
nach und allein im Gegen&#x017F;atz gegen dasjenige<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0140] des Menſchen kann nur in der weſentlichen und abſoluten Einheit der Seele und des Lei¬ bes, d. h. in der Idee des Menſchen, alſo uͤberhaupt nicht in dem wirklichen und empi¬ riſchen Menſchen, der von dieſer nur eine re¬ lative Erſcheinung iſt, geſucht werden. Eigentlich muͤßte von der Pſychologie bey der Phyſik die Rede ſeyn, die nun ihrerſeits mit dem gleichen Grunde das bloß Leibliche betrachtet, und die Materie und die Natur fuͤr todt annimmt. Die wahre Naturwiſſenſchaft kann eben ſo wenig aus dieſer Trennung, ſondern ihrerſeits ebenſo nur aus der Identitaͤt der Seele und des Leibes aller Dinge hervorgehen: ſo daß zwiſchen Phyſik und Pſychologie kein realer Ge¬ genſatz denkbar iſt. Selbſt aber wenn man dieſen zugeben wollte, wuͤrde man doch von der Pſycho¬ logie ſo wenig als etwa von der Phyſik in derſel¬ ben Entgegenſetzung begreifen, wie ſie an die Stelle der Philoſophie geſetzt werden koͤnnte. Da die Pſychologie die Seele nicht in der Idee, ſondern der Erſcheinungsweiſe nach und allein im Gegenſatz gegen dasjenige 9 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/140
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/140>, abgerufen am 21.11.2024.