sie ist es nur ideal, nicht real. Könnte die Intelligenz, in Einem Akt des Wissens, das absolute Ganze, als ein in allen Theilen vollen¬ detes System real begreifen, so hörte sie eben damit auf endlich zu seyn, sie begriffe Alles wirklich als Eines, aber sie begriffe eben des¬ wegen Nichts als Bestimmtes.
Die reale Darstellung des Urwissens ist alles andere Wissen, aber in diesem herrscht auch die Absonderung und Trennung, und es kann nie in dem Individuum real Eins wer¬ den, sondern allein in der Gattung, und auch in dieser nur für eine intellectuelle Anschauung, die den unendlichen Fortschritt als Gegenwart erblickt.
Nun ist aber allgemein einzusehen, daß das Reell-Werden einer Idee in beständigem Fortschritt, so daß zwar nie das Einzelne, aber doch das Ganze ihr angemessen ist, sich als Ge¬ schichte ausdrücke. Geschichte ist weder das rein Verstandes-Gesetzmäßige, dem Begriff Unterworfene, noch das rein Gesetzlose, son¬ dern was, mit dem Schein der Freyheit im
ſie iſt es nur ideal, nicht real. Koͤnnte die Intelligenz, in Einem Akt des Wiſſens, das abſolute Ganze, als ein in allen Theilen vollen¬ detes Syſtem real begreifen, ſo hoͤrte ſie eben damit auf endlich zu ſeyn, ſie begriffe Alles wirklich als Eines, aber ſie begriffe eben des¬ wegen Nichts als Beſtimmtes.
Die reale Darſtellung des Urwiſſens iſt alles andere Wiſſen, aber in dieſem herrſcht auch die Abſonderung und Trennung, und es kann nie in dem Individuum real Eins wer¬ den, ſondern allein in der Gattung, und auch in dieſer nur fuͤr eine intellectuelle Anſchauung, die den unendlichen Fortſchritt als Gegenwart erblickt.
Nun iſt aber allgemein einzuſehen, daß das Reell-Werden einer Idee in beſtaͤndigem Fortſchritt, ſo daß zwar nie das Einzelne, aber doch das Ganze ihr angemeſſen iſt, ſich als Ge¬ ſchichte ausdruͤcke. Geſchichte iſt weder das rein Verſtandes-Geſetzmaͤßige, dem Begriff Unterworfene, noch das rein Geſetzloſe, ſon¬ dern was, mit dem Schein der Freyheit im
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0162"n="153"/>ſie iſt es nur <hirendition="#g">ideal</hi>, nicht real. Koͤnnte die<lb/>
Intelligenz, in Einem Akt des Wiſſens, das<lb/>
abſolute Ganze, als ein in allen Theilen vollen¬<lb/>
detes Syſtem <hirendition="#g">real</hi> begreifen, ſo hoͤrte ſie eben<lb/>
damit auf endlich zu ſeyn, ſie begriffe Alles<lb/>
wirklich als Eines, aber ſie begriffe eben des¬<lb/>
wegen Nichts als Beſtimmtes.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">reale</hi> Darſtellung des Urwiſſens iſt<lb/>
alles andere Wiſſen, aber in dieſem herrſcht<lb/>
auch die Abſonderung und Trennung, und es<lb/>
kann nie in dem Individuum real Eins wer¬<lb/>
den, ſondern allein in der Gattung, und auch<lb/>
in dieſer nur fuͤr eine intellectuelle Anſchauung,<lb/>
die den unendlichen Fortſchritt als Gegenwart<lb/>
erblickt.</p><lb/><p>Nun iſt aber allgemein einzuſehen, daß<lb/>
das Reell-Werden einer Idee in beſtaͤndigem<lb/>
Fortſchritt, ſo daß zwar nie das Einzelne, aber<lb/>
doch das Ganze ihr angemeſſen iſt, ſich als Ge¬<lb/>ſchichte ausdruͤcke. Geſchichte iſt weder das<lb/>
rein Verſtandes-Geſetzmaͤßige, dem Begriff<lb/>
Unterworfene, noch das rein Geſetzloſe, ſon¬<lb/>
dern was, mit dem Schein der Freyheit im<lb/></p></div></body></text></TEI>
[153/0162]
ſie iſt es nur ideal, nicht real. Koͤnnte die
Intelligenz, in Einem Akt des Wiſſens, das
abſolute Ganze, als ein in allen Theilen vollen¬
detes Syſtem real begreifen, ſo hoͤrte ſie eben
damit auf endlich zu ſeyn, ſie begriffe Alles
wirklich als Eines, aber ſie begriffe eben des¬
wegen Nichts als Beſtimmtes.
Die reale Darſtellung des Urwiſſens iſt
alles andere Wiſſen, aber in dieſem herrſcht
auch die Abſonderung und Trennung, und es
kann nie in dem Individuum real Eins wer¬
den, ſondern allein in der Gattung, und auch
in dieſer nur fuͤr eine intellectuelle Anſchauung,
die den unendlichen Fortſchritt als Gegenwart
erblickt.
Nun iſt aber allgemein einzuſehen, daß
das Reell-Werden einer Idee in beſtaͤndigem
Fortſchritt, ſo daß zwar nie das Einzelne, aber
doch das Ganze ihr angemeſſen iſt, ſich als Ge¬
ſchichte ausdruͤcke. Geſchichte iſt weder das
rein Verſtandes-Geſetzmaͤßige, dem Begriff
Unterworfene, noch das rein Geſetzloſe, ſon¬
dern was, mit dem Schein der Freyheit im
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/162>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.