Wohlthäter des menschlichen Geschlechts vere¬ wigt hat. Die Hypothese eines Urvolks er¬ klärt bloß etwa die Spuren einer hohen Kul¬ tur in der Vorwelt, von der wir die schon entstellten Reste nach der ersten Trennung der Völker finden, und etwa die Uebereinstim¬ mung in den Sagen der ältesten Völker, wenn man nichts auf die Einheit des allem einge¬ bohrnen Erdgeistes rechnen will: aber sie er¬ klärt keinen ersten Anfang und schiebt, wie jede empirische Hypothese, die Erklärung nur weiter zurück.
Wie dem auch sey, so ist bekannt, daß das erste Ueberlieferungsmittel der höheren Ideen, Handlungen, Lebensweise, Gebräuche, Symbole gewesen sind, wie selbst die Dog¬ men der frühesten Religionen nur in Anwei¬ sungen zu religiösen Gebräuchen enthalten wa¬ ren. Die Staatenbildungen, die Gesetze, die einzelnen Anstalten, die errichtet waren, das Uebergewicht des göttlichen Princips in der Menschheit zu erhalten, waren ihrer Na¬ tur nach eben so viele Ausdrücke speculativer
Wohlthaͤter des menſchlichen Geſchlechts vere¬ wigt hat. Die Hypotheſe eines Urvolks er¬ klaͤrt bloß etwa die Spuren einer hohen Kul¬ tur in der Vorwelt, von der wir die ſchon entſtellten Reſte nach der erſten Trennung der Voͤlker finden, und etwa die Uebereinſtim¬ mung in den Sagen der aͤlteſten Voͤlker, wenn man nichts auf die Einheit des allem einge¬ bohrnen Erdgeiſtes rechnen will: aber ſie er¬ klaͤrt keinen erſten Anfang und ſchiebt, wie jede empiriſche Hypotheſe, die Erklaͤrung nur weiter zuruͤck.
Wie dem auch ſey, ſo iſt bekannt, daß das erſte Ueberlieferungsmittel der hoͤheren Ideen, Handlungen, Lebensweiſe, Gebraͤuche, Symbole geweſen ſind, wie ſelbſt die Dog¬ men der fruͤheſten Religionen nur in Anwei¬ ſungen zu religioͤſen Gebraͤuchen enthalten wa¬ ren. Die Staatenbildungen, die Geſetze, die einzelnen Anſtalten, die errichtet waren, das Uebergewicht des goͤttlichen Princips in der Menſchheit zu erhalten, waren ihrer Na¬ tur nach eben ſo viele Ausdruͤcke ſpeculativer
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Wohlthaͤter des menſchlichen Geſchlechts vere¬
wigt hat. Die Hypotheſe eines Urvolks er¬
klaͤrt bloß etwa die Spuren einer hohen Kul¬
tur in der Vorwelt, von der wir die ſchon
entſtellten Reſte nach der erſten Trennung der
Voͤlker finden, und etwa die Uebereinſtim¬
mung in den Sagen der aͤlteſten Voͤlker, wenn
man nichts auf die Einheit des allem einge¬
bohrnen Erdgeiſtes rechnen will: aber ſie er¬
klaͤrt keinen erſten Anfang und ſchiebt, wie
jede empiriſche Hypotheſe, die Erklaͤrung nur
weiter zuruͤck.
Wie dem auch ſey, ſo iſt bekannt, daß
das erſte Ueberlieferungsmittel der hoͤheren
Ideen, Handlungen, Lebensweiſe, Gebraͤuche,
Symbole geweſen ſind, wie ſelbſt die Dog¬
men der fruͤheſten Religionen nur in Anwei¬
ſungen zu religioͤſen Gebraͤuchen enthalten wa¬
ren. Die Staatenbildungen, die Geſetze,
die einzelnen Anſtalten, die errichtet waren,
das Uebergewicht des goͤttlichen Princips in
der Menſchheit zu erhalten, waren ihrer Na¬
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/41>, abgerufen am 21.11.2024.
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