Ideen. Die Erfindung der Schrift gab der Ueberlieferung zunächst nur eine größere Si¬ cherheit; der Gedanke, in dem geistigen Stoff der Rede auch einen Ausdruck der Form und Kunst niederzulegen, der einen dauernden Werth hätte, konnte erst später erwachen. Wie in der schönsten Blüthe der Menschheit selbst die Sittlichkeit nicht gleichsam dem In¬ dividuum eignete, sondern Geist des Ganzen war, aus dem sie aus: und in das sie zu¬ rückfloß, so lebte auch die Wissenschaft in dem Licht und Aether des öffentlichen Lebens und einer allgemeinen Organisation. Wie über¬ haupt die spätere Zeit das Reale zurückdräng¬ te und das Leben innerlicher machte, so auch das der Wissenschaft. Die neuere Welt ist in allem, und besonders in der Wissenschaft eine getheilte Welt, die in der Vergangen¬ heit und Gegenwart zugleich lebt. In dem Charakter aller Wissenschaften drückt es sich aus, daß die spätere Zeit von dem histori¬ schen Wissen ausgehen mußte, daß sie eine untergegangene Welt der herrlichsten und grö߬
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Ideen. Die Erfindung der Schrift gab der Ueberlieferung zunaͤchſt nur eine groͤßere Si¬ cherheit; der Gedanke, in dem geiſtigen Stoff der Rede auch einen Ausdruck der Form und Kunſt niederzulegen, der einen dauernden Werth haͤtte, konnte erſt ſpaͤter erwachen. Wie in der ſchoͤnſten Bluͤthe der Menſchheit ſelbſt die Sittlichkeit nicht gleichſam dem In¬ dividuum eignete, ſondern Geiſt des Ganzen war, aus dem ſie aus: und in das ſie zu¬ ruͤckfloß, ſo lebte auch die Wiſſenſchaft in dem Licht und Aether des oͤffentlichen Lebens und einer allgemeinen Organiſation. Wie uͤber¬ haupt die ſpaͤtere Zeit das Reale zuruͤckdraͤng¬ te und das Leben innerlicher machte, ſo auch das der Wiſſenſchaft. Die neuere Welt iſt in allem, und beſonders in der Wiſſenſchaft eine getheilte Welt, die in der Vergangen¬ heit und Gegenwart zugleich lebt. In dem Charakter aller Wiſſenſchaften druͤckt es ſich aus, daß die ſpaͤtere Zeit von dem hiſtori¬ ſchen Wiſſen ausgehen mußte, daß ſie eine untergegangene Welt der herrlichſten und groͤ߬
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Ideen. Die Erfindung der Schrift gab der
Ueberlieferung zunaͤchſt nur eine groͤßere Si¬
cherheit; der Gedanke, in dem geiſtigen Stoff
der Rede auch einen Ausdruck der Form und
Kunſt niederzulegen, der einen dauernden
Werth haͤtte, konnte erſt ſpaͤter erwachen.
Wie in der ſchoͤnſten Bluͤthe der Menſchheit
ſelbſt die Sittlichkeit nicht gleichſam dem In¬
dividuum eignete, ſondern Geiſt des Ganzen
war, aus dem ſie aus: und in das ſie zu¬
ruͤckfloß, ſo lebte auch die Wiſſenſchaft in dem
Licht und Aether des oͤffentlichen Lebens und
einer allgemeinen Organiſation. Wie uͤber¬
haupt die ſpaͤtere Zeit das Reale zuruͤckdraͤng¬
te und das Leben innerlicher machte, ſo auch
das der Wiſſenſchaft. Die neuere Welt iſt
in allem, und beſonders in der Wiſſenſchaft
eine getheilte Welt, die in der Vergangen¬
heit und Gegenwart zugleich lebt. In dem
Charakter aller Wiſſenſchaften druͤckt es ſich
aus, daß die ſpaͤtere Zeit von dem hiſtori¬
ſchen Wiſſen ausgehen mußte, daß ſie eine
untergegangene Welt der herrlichſten und groͤ߬
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/42>, abgerufen am 21.11.2024.
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