Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_137.001 So viel über Tauschwerth der Poesie und litterarischen psc_137.010 psc_137.011 B. Jdealer Werth der Poesie. psc_137.012 Wir sagen "idealer Werth", um nicht zu viel mit psc_137.013 Sie ist es nicht ganz. Sie ist schon in den ältesten psc_137.026 psc_137.001 So viel über Tauschwerth der Poesie und litterarischen psc_137.010 psc_137.011 B. Jdealer Werth der Poesie. psc_137.012 Wir sagen „idealer Werth“, um nicht zu viel mit psc_137.013 Sie ist es nicht ganz. Sie ist schon in den ältesten psc_137.026 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0153" n="137"/><lb n="psc_137.001"/> vermischt. Das giebt allerlei Kreuzungen. Faßt man aber <lb n="psc_137.002"/> den letzterwähnten Unterschied allein ins Auge, so ergeben sich <lb n="psc_137.003"/> drei Klassen, die Lessing in seiner Vorrede zu Jerusalems <lb n="psc_137.004"/> „Philosophischen Aufsätzen“ unterscheidet: die Regel, meint er, <lb n="psc_137.005"/> ist immer von Nutzen; denn dem Genie kann sie nicht schaden, <lb n="psc_137.006"/> wenn es sie auch nicht braucht; ein geringerer Dichter kann <lb n="psc_137.007"/> mit Kenntniß der Regel noch immer etwas leisten; aber ein <lb n="psc_137.008"/> geringer Dichter ohne Fleiß ist nichtig.</p> <lb n="psc_137.009"/> <p> So viel über Tauschwerth der Poesie und litterarischen <lb n="psc_137.010"/> Verkehr. —</p> </div> <div n="3"> <lb n="psc_137.011"/> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">B</hi>. <hi rendition="#g">Jdealer Werth der Poesie.</hi></hi> </head> <lb n="psc_137.012"/> <p> Wir sagen „idealer Werth“, um nicht zu viel mit <lb n="psc_137.013"/> nationalökonomischen Begriffen zu wirthschaften. Die Nationalökonomie <lb n="psc_137.014"/> unterscheidet „Gebrauchswerth“ und „Tauschwerth“. <lb n="psc_137.015"/> Der Tauschwerth ruht auf dem idealen Werth. <lb n="psc_137.016"/> Ein Buch hat Tauschwerth. Der Vortrag eines Liedes hat <lb n="psc_137.017"/> Tauschwerth oder kann ihn haben, wenn der Sänger nur <lb n="psc_137.018"/> gegen Belohnung singt. Gebrauchswerth haben die Sonne, <lb n="psc_137.019"/> das Meer, die Luft und andere Dinge, die nicht verkauft <lb n="psc_137.020"/> werden können; höchstens kann etwa im dunklen Gefängniß <lb n="psc_137.021"/> der Wärter den Anblick der Sonne verkaufen u. s. w. Also <lb n="psc_137.022"/> wir verstehen unter dem Gebrauchswerth einen größten Werth, <lb n="psc_137.023"/> ein allgemeines Gut ohne Tauschwerth. Wie weit ist denn <lb n="psc_137.024"/> nun die Poesie ein solches allgemeines Gut der Menschheit?</p> <lb n="psc_137.025"/> <p> Sie ist es nicht ganz. Sie ist schon in den ältesten <lb n="psc_137.026"/> Zeiten Eigenthum nur der Wenigen, die sie verstehen und <lb n="psc_137.027"/> Anderen mittheilen können, sei es um Macht zu gewinnen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0153]
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vermischt. Das giebt allerlei Kreuzungen. Faßt man aber psc_137.002
den letzterwähnten Unterschied allein ins Auge, so ergeben sich psc_137.003
drei Klassen, die Lessing in seiner Vorrede zu Jerusalems psc_137.004
„Philosophischen Aufsätzen“ unterscheidet: die Regel, meint er, psc_137.005
ist immer von Nutzen; denn dem Genie kann sie nicht schaden, psc_137.006
wenn es sie auch nicht braucht; ein geringerer Dichter kann psc_137.007
mit Kenntniß der Regel noch immer etwas leisten; aber ein psc_137.008
geringer Dichter ohne Fleiß ist nichtig.
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So viel über Tauschwerth der Poesie und litterarischen psc_137.010
Verkehr. —
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B. Jdealer Werth der Poesie. psc_137.012
Wir sagen „idealer Werth“, um nicht zu viel mit psc_137.013
nationalökonomischen Begriffen zu wirthschaften. Die Nationalökonomie psc_137.014
unterscheidet „Gebrauchswerth“ und „Tauschwerth“. psc_137.015
Der Tauschwerth ruht auf dem idealen Werth. psc_137.016
Ein Buch hat Tauschwerth. Der Vortrag eines Liedes hat psc_137.017
Tauschwerth oder kann ihn haben, wenn der Sänger nur psc_137.018
gegen Belohnung singt. Gebrauchswerth haben die Sonne, psc_137.019
das Meer, die Luft und andere Dinge, die nicht verkauft psc_137.020
werden können; höchstens kann etwa im dunklen Gefängniß psc_137.021
der Wärter den Anblick der Sonne verkaufen u. s. w. Also psc_137.022
wir verstehen unter dem Gebrauchswerth einen größten Werth, psc_137.023
ein allgemeines Gut ohne Tauschwerth. Wie weit ist denn psc_137.024
nun die Poesie ein solches allgemeines Gut der Menschheit?
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Sie ist es nicht ganz. Sie ist schon in den ältesten psc_137.026
Zeiten Eigenthum nur der Wenigen, die sie verstehen und psc_137.027
Anderen mittheilen können, sei es um Macht zu gewinnen
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