Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

psc_154.001
Conflict, Angriff, Kampf, Gemetzel. Diese Abschnitte psc_154.002
sind natürlich auf den Vortrag eingerichtet mit eigener Einleitung psc_154.003
und Schluß. Jeder dieser Abschnitte kann nunmehr psc_154.004
ein selbständiges Leben gewinnen und seine Geschichte für psc_154.005
sich haben, indem er sich fortpflanzt und verändert wird psc_154.006
nach A. c) d) e). Die Varianten können neben einander psc_154.007
bestehen und die Vortragenden können bald dem einen, bald psc_154.008
dem andern folgen: der Dichter, der den zweiten Vortrag psc_154.009
ausbildet, kann auch über die Vorgänge, die ins Gebiet des psc_154.010
ersten fallen, sich neue Vorstellungen bilden, welche von psc_154.011
Nr. 1, oder vollends von einer neuen Überarbeitung von psc_154.012
Nr. 1 weit abweichen. Denke man sich nun, daß ein psc_154.013
anderer, ein Sammler von Gedichten, eine ihm bekannte psc_154.014
Gestalt von Nr. 1 mit einer ihm bekannten Form von Nr. 2 psc_154.015
und desgleichen mit einer Überarbeitung von Nr. 3 zu Einem psc_154.016
Gedicht verbände mit Bezug auf einen einzelnen Helden -- psc_154.017
oder daß er gar zwei verschiedene Varianten etwa von Nr. 2 psc_154.018
in einander schöbe und durch einander flöchte -- so entsteht psc_154.019
eine neue Einheit oft der sonderbarsten Art; so hat man die psc_154.020
Erscheinungen, wie sie durch Lachmanns Kritik in der Jlias psc_154.021
und im Nibelungenlied aufgedeckt sind. Ein solches "Auseinandersingen" psc_154.022
läßt drei verschiedene Dichter zusammen psc_154.023
arbeiten, ohne daß wirklich einer vom andern weiß. Diese psc_154.024
Überarbeiter können neue Tendenzen in den Stoff hineinlegen, psc_154.025
und die Sache beruht allein darauf, daß eine Einheit psc_154.026
aus einander ging in drei Abtheilungen, daß jedes dieser psc_154.027
drei Lieder für sich bearbeitet wurde und dann alle von psc_154.028
neuem zu einem Ganzen vereinigt wurden.

psc_154.001
Conflict, Angriff, Kampf, Gemetzel. Diese Abschnitte psc_154.002
sind natürlich auf den Vortrag eingerichtet mit eigener Einleitung psc_154.003
und Schluß. Jeder dieser Abschnitte kann nunmehr psc_154.004
ein selbständiges Leben gewinnen und seine Geschichte für psc_154.005
sich haben, indem er sich fortpflanzt und verändert wird psc_154.006
nach A. c) d) e). Die Varianten können neben einander psc_154.007
bestehen und die Vortragenden können bald dem einen, bald psc_154.008
dem andern folgen: der Dichter, der den zweiten Vortrag psc_154.009
ausbildet, kann auch über die Vorgänge, die ins Gebiet des psc_154.010
ersten fallen, sich neue Vorstellungen bilden, welche von psc_154.011
Nr. 1, oder vollends von einer neuen Überarbeitung von psc_154.012
Nr. 1 weit abweichen. Denke man sich nun, daß ein psc_154.013
anderer, ein Sammler von Gedichten, eine ihm bekannte psc_154.014
Gestalt von Nr. 1 mit einer ihm bekannten Form von Nr. 2 psc_154.015
und desgleichen mit einer Überarbeitung von Nr. 3 zu Einem psc_154.016
Gedicht verbände mit Bezug auf einen einzelnen Helden — psc_154.017
oder daß er gar zwei verschiedene Varianten etwa von Nr. 2 psc_154.018
in einander schöbe und durch einander flöchte — so entsteht psc_154.019
eine neue Einheit oft der sonderbarsten Art; so hat man die psc_154.020
Erscheinungen, wie sie durch Lachmanns Kritik in der Jlias psc_154.021
und im Nibelungenlied aufgedeckt sind. Ein solches „Auseinandersingen“ psc_154.022
läßt drei verschiedene Dichter zusammen psc_154.023
arbeiten, ohne daß wirklich einer vom andern weiß. Diese psc_154.024
Überarbeiter können neue Tendenzen in den Stoff hineinlegen, psc_154.025
und die Sache beruht allein darauf, daß eine Einheit psc_154.026
aus einander ging in drei Abtheilungen, daß jedes dieser psc_154.027
drei Lieder für sich bearbeitet wurde und dann alle von psc_154.028
neuem zu einem Ganzen vereinigt wurden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0170" n="154"/><lb n="psc_154.001"/>
Conflict, Angriff, Kampf, Gemetzel. Diese Abschnitte <lb n="psc_154.002"/>
sind natürlich auf den Vortrag eingerichtet mit eigener Einleitung <lb n="psc_154.003"/>
und Schluß. Jeder dieser Abschnitte kann nunmehr <lb n="psc_154.004"/>
ein selbständiges Leben gewinnen und seine Geschichte für <lb n="psc_154.005"/>
sich haben, indem er sich fortpflanzt und verändert wird <lb n="psc_154.006"/>
nach <hi rendition="#aq">A. c) d) e</hi>). Die Varianten können neben einander <lb n="psc_154.007"/>
bestehen und die Vortragenden können bald dem einen, bald <lb n="psc_154.008"/>
dem andern folgen: der Dichter, der den zweiten Vortrag <lb n="psc_154.009"/>
ausbildet, kann auch über die Vorgänge, die ins Gebiet des <lb n="psc_154.010"/>
ersten fallen, sich neue Vorstellungen bilden, welche von <lb n="psc_154.011"/>
Nr. 1, oder vollends von einer neuen Überarbeitung von <lb n="psc_154.012"/>
Nr. 1 weit abweichen. Denke man sich nun, daß ein <lb n="psc_154.013"/>
anderer, ein Sammler von Gedichten, eine ihm bekannte <lb n="psc_154.014"/>
Gestalt von Nr. 1 mit einer ihm bekannten Form von Nr. 2 <lb n="psc_154.015"/>
und desgleichen mit einer Überarbeitung von Nr. 3 zu Einem <lb n="psc_154.016"/>
Gedicht verbände mit Bezug auf einen einzelnen Helden &#x2014; <lb n="psc_154.017"/>
oder daß er gar zwei verschiedene Varianten etwa von Nr. 2 <lb n="psc_154.018"/>
in einander schöbe und durch einander flöchte &#x2014; so entsteht <lb n="psc_154.019"/>
eine neue Einheit oft der sonderbarsten Art; so hat man die <lb n="psc_154.020"/>
Erscheinungen, wie sie durch Lachmanns Kritik in der Jlias <lb n="psc_154.021"/>
und im Nibelungenlied aufgedeckt sind. Ein solches &#x201E;Auseinandersingen&#x201C; <lb n="psc_154.022"/>
läßt drei verschiedene Dichter zusammen <lb n="psc_154.023"/>
arbeiten, ohne daß wirklich einer vom andern weiß. Diese <lb n="psc_154.024"/>
Überarbeiter können neue Tendenzen in den Stoff hineinlegen, <lb n="psc_154.025"/>
und die Sache beruht allein darauf, daß eine Einheit <lb n="psc_154.026"/>
aus einander ging in drei Abtheilungen, daß jedes dieser <lb n="psc_154.027"/>
drei Lieder für sich bearbeitet wurde und dann alle von <lb n="psc_154.028"/>
neuem zu einem Ganzen vereinigt wurden.</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0170] psc_154.001 Conflict, Angriff, Kampf, Gemetzel. Diese Abschnitte psc_154.002 sind natürlich auf den Vortrag eingerichtet mit eigener Einleitung psc_154.003 und Schluß. Jeder dieser Abschnitte kann nunmehr psc_154.004 ein selbständiges Leben gewinnen und seine Geschichte für psc_154.005 sich haben, indem er sich fortpflanzt und verändert wird psc_154.006 nach A. c) d) e). Die Varianten können neben einander psc_154.007 bestehen und die Vortragenden können bald dem einen, bald psc_154.008 dem andern folgen: der Dichter, der den zweiten Vortrag psc_154.009 ausbildet, kann auch über die Vorgänge, die ins Gebiet des psc_154.010 ersten fallen, sich neue Vorstellungen bilden, welche von psc_154.011 Nr. 1, oder vollends von einer neuen Überarbeitung von psc_154.012 Nr. 1 weit abweichen. Denke man sich nun, daß ein psc_154.013 anderer, ein Sammler von Gedichten, eine ihm bekannte psc_154.014 Gestalt von Nr. 1 mit einer ihm bekannten Form von Nr. 2 psc_154.015 und desgleichen mit einer Überarbeitung von Nr. 3 zu Einem psc_154.016 Gedicht verbände mit Bezug auf einen einzelnen Helden — psc_154.017 oder daß er gar zwei verschiedene Varianten etwa von Nr. 2 psc_154.018 in einander schöbe und durch einander flöchte — so entsteht psc_154.019 eine neue Einheit oft der sonderbarsten Art; so hat man die psc_154.020 Erscheinungen, wie sie durch Lachmanns Kritik in der Jlias psc_154.021 und im Nibelungenlied aufgedeckt sind. Ein solches „Auseinandersingen“ psc_154.022 läßt drei verschiedene Dichter zusammen psc_154.023 arbeiten, ohne daß wirklich einer vom andern weiß. Diese psc_154.024 Überarbeiter können neue Tendenzen in den Stoff hineinlegen, psc_154.025 und die Sache beruht allein darauf, daß eine Einheit psc_154.026 aus einander ging in drei Abtheilungen, daß jedes dieser psc_154.027 drei Lieder für sich bearbeitet wurde und dann alle von psc_154.028 neuem zu einem Ganzen vereinigt wurden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/170
Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/170>, abgerufen am 21.11.2024.