Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_190.001 Aber diese Dinge sind im Grunde secundär. Es handelt psc_190.009 Sind auch die genießenden Seelenkräfte wohl im Ganzen psc_190.015 psc_190.001 Aber diese Dinge sind im Grunde secundär. Es handelt psc_190.009 Sind auch die genießenden Seelenkräfte wohl im Ganzen psc_190.015 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0206" n="190"/><lb n="psc_190.001"/> von sich selbst aussagt: Farbeneindrücke, die er von Gedichten <lb n="psc_190.002"/> Anderer empfing. Dann handelt es sich dabei eben nur <lb n="psc_190.003"/> um einen geringeren Grad, als bei der Produetion. Genossen <lb n="psc_190.004"/> kann nur werden, was man allenfalls auch hätte <lb n="psc_190.005"/> produciren können: „Jede Lehre geht nur deswegen ein ins <lb n="psc_190.006"/> Gemüth, weil sie auch darin hätte entstehen können“ sagt <lb n="psc_190.007"/> ein Romantiker.</p> <lb n="psc_190.008"/> <p> Aber diese Dinge sind im Grunde secundär. Es handelt <lb n="psc_190.009"/> sich noch um elementarere Erscheinungen, um die Arten des <lb n="psc_190.010"/> Gefallens und Fesselns. Der Dichter muß die Aufmerksamkeit <lb n="psc_190.011"/> zu gewinnen wissen, die Phantasie zu locken, dem Geschmack <lb n="psc_190.012"/> zu genügen verstehen. Hier sollten die elementarsten und <lb n="psc_190.013"/> allgemeinsten Functionen besprochen werden...</p> <lb n="psc_190.014"/> <p> Sind auch die genießenden Seelenkräfte wohl im Ganzen <lb n="psc_190.015"/> dieselben wie die schaffenden, so macht es doch für die Wirkung <lb n="psc_190.016"/> aufs Publicum einen großen Unterschied, ob stark gerechnet <lb n="psc_190.017"/> wird auf Einbildungs- und Vorstellungskraft des Publicums, <lb n="psc_190.018"/> wie in der Erzählung, oder ob alles handgreiflich sichtbar <lb n="psc_190.019"/> vorgestellt wird, wie im Drama. Jm Epos bekommt der <lb n="psc_190.020"/> Zuhörer nur Worte und muß die Handlung wirklich mit <lb n="psc_190.021"/> der Phantasie nachschaffen; im Drama braucht er keine <lb n="psc_190.022"/> selbständige Phantasie. Jm Drama ist also der Genuß leichter, <lb n="psc_190.023"/> wenn nur die Handlung fesselt; es wird weniger Selbstthätigkeit <lb n="psc_190.024"/> verlangt. Daher hier stärkere Wirkung, aber eben <lb n="psc_190.025"/> deshalb größere Ansprüche des Publicums an ein unaufhaltsames <lb n="psc_190.026"/> Vorwärts, an fortwährende Abwechselung: es hat <lb n="psc_190.027"/> mehr Zeit, alles zu beachten. Arbeitet es andererseits am </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [190/0206]
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von sich selbst aussagt: Farbeneindrücke, die er von Gedichten psc_190.002
Anderer empfing. Dann handelt es sich dabei eben nur psc_190.003
um einen geringeren Grad, als bei der Produetion. Genossen psc_190.004
kann nur werden, was man allenfalls auch hätte psc_190.005
produciren können: „Jede Lehre geht nur deswegen ein ins psc_190.006
Gemüth, weil sie auch darin hätte entstehen können“ sagt psc_190.007
ein Romantiker.
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Aber diese Dinge sind im Grunde secundär. Es handelt psc_190.009
sich noch um elementarere Erscheinungen, um die Arten des psc_190.010
Gefallens und Fesselns. Der Dichter muß die Aufmerksamkeit psc_190.011
zu gewinnen wissen, die Phantasie zu locken, dem Geschmack psc_190.012
zu genügen verstehen. Hier sollten die elementarsten und psc_190.013
allgemeinsten Functionen besprochen werden...
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Sind auch die genießenden Seelenkräfte wohl im Ganzen psc_190.015
dieselben wie die schaffenden, so macht es doch für die Wirkung psc_190.016
aufs Publicum einen großen Unterschied, ob stark gerechnet psc_190.017
wird auf Einbildungs- und Vorstellungskraft des Publicums, psc_190.018
wie in der Erzählung, oder ob alles handgreiflich sichtbar psc_190.019
vorgestellt wird, wie im Drama. Jm Epos bekommt der psc_190.020
Zuhörer nur Worte und muß die Handlung wirklich mit psc_190.021
der Phantasie nachschaffen; im Drama braucht er keine psc_190.022
selbständige Phantasie. Jm Drama ist also der Genuß leichter, psc_190.023
wenn nur die Handlung fesselt; es wird weniger Selbstthätigkeit psc_190.024
verlangt. Daher hier stärkere Wirkung, aber eben psc_190.025
deshalb größere Ansprüche des Publicums an ein unaufhaltsames psc_190.026
Vorwärts, an fortwährende Abwechselung: es hat psc_190.027
mehr Zeit, alles zu beachten. Arbeitet es andererseits am
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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