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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.

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Seltsamer Naturgeschichten
Des Schweizer-lands
Wochentliche Erzehlung.


Von den Vorbotten des Regens.

JN diser Wissenschaft werden die Naf-weise Sterngucker weit
übertroffen von unsern gemeinsten Bauren. Jene gründen
ihre in den Kalenderen stehende Wetter-Propheceyungen
auf cuele/ in ihrem eigenen Hirn gesponnene/ in der That falsche
Grundsätze/ da dise allein achtung geben auf die Natur/ auf und ab-
steigende Wolken/ auf die beschaffenheit des Lufts/ auf das verhalten
ihres Viehs/ und andere dergleichen vor ihren augen ligende dinge.
Klug-einfältige Leuthe/ welche die Sternwirkungs-weise lauffen las-
sen so vil hunderttausend Millionen Meilen/ als die Jrr- und Fix-
Sternen von der Erden entfehrnt stehen/ indessen die vor ihren Na-
senligende Natur-schrift deutlich und glüklich lesen. Es müssen die
heutigen Natur-forscher gestehen/ daß sie von solchen ehrlichen Leu-
then mehr lehrnen/ als von den gelehrtesten Professoren auf den Ho-
hen Schulen. Ja/ was wil ich sagen von den Bauren/ es sein/ nach ge-
wisser art zureden/ die unvernünftigen Thiere selbs verständiger in
vorkündung des Regens/ als die berühmtesten Sternweise. Oder/
ist nicht wahr/ daß gemeiniglich ein Regen erfolget/ wann die Hüner
oft pipen/ oder zeitlich in ihre Ställe sich begeben/ oder am Morgen
nicht leicht unter dem Tach hervor wollen; Wann die Schwalben
nieder fliegen/ und gleichsam an der Erde anstossen/ oder auf den
Wasseren daher fladern; wann die Enten/ und andere Wasservö-
gel sich oft eintunken; Die Spatzen unter einander schreyen; die
Nachtigallen abends/ und die Finken morgens frühe mit ihrem
Gesange sich hören lassen; andere Vögel sich anderst verstellen? Jst nicht

wahr/
(N. 3.)



Seltſamer Naturgeſchichten
Des Schweizer-lands
Wochentliche Erzehlung.


Von den Vorbotten des Regens.

JN diſer Wiſſenſchaft werden die Naf-weiſe Sterngucker weit
uͤbertroffen von unſern gemeinſten Bauren. Jene gruͤnden
ihre in den Kalenderen ſtehende Wetter-Propheceyungen
auf cuele/ in ihrem eigenen Hirn geſponnene/ in der That falſche
Grundſaͤtze/ da diſe allein achtung geben auf die Natur/ auf und ab-
ſteigende Wolken/ auf die beſchaffenheit des Lufts/ auf das verhalten
ihres Viehs/ und andere dergleichen vor ihren augen ligende dinge.
Klug-einfaͤltige Leuthe/ welche die Sternwirkungs-weiſe lauffen laſ-
ſen ſo vil hunderttauſend Millionen Meilen/ als die Jrꝛ- und Fix-
Sternen von der Erden entfehrnt ſtehen/ indeſſen die vor ihren Na-
ſenligende Natur-ſchrift deutlich und gluͤklich leſen. Es muͤſſen die
heutigen Natur-forſcher geſtehen/ daß ſie von ſolchen ehrlichen Leu-
then mehr lehrnen/ als von den gelehrteſten Profeſſoren auf den Ho-
hen Schulen. Ja/ was wil ich ſagen von den Bauren/ es ſein/ nach ge-
wiſſer art zureden/ die unvernuͤnftigen Thiere ſelbs verſtaͤndiger in
vorkuͤndung des Regens/ als die beruͤhmteſten Sternweiſe. Oder/
iſt nicht wahr/ daß gemeiniglich ein Regen erfolget/ wann die Huͤner
oft pipen/ oder zeitlich in ihre Staͤlle ſich begeben/ oder am Morgen
nicht leicht unter dem Tach hervor wollen; Wann die Schwalben
nieder fliegen/ und gleichſam an der Erde anſtoſſen/ oder auf den
Waſſeren daher fladern; wann die Enten/ und andere Waſſervoͤ-
gel ſich oft eintunken; Die Spatzen unter einander ſchreyen; die
Nachtigallen abends/ und die Finken morgens fruͤhe mit ihrem
Geſange ſich hoͤren laſſen; andere Voͤgel ſich anderſt verſtellẽ? Jſt nicht

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[9/0020] (N. 3.) 25. Febr. 1705. Seltſamer Naturgeſchichten Des Schweizer-lands Wochentliche Erzehlung. Von den Vorbotten des Regens. JN diſer Wiſſenſchaft werden die Naf-weiſe Sterngucker weit uͤbertroffen von unſern gemeinſten Bauren. Jene gruͤnden ihre in den Kalenderen ſtehende Wetter-Propheceyungen auf cuele/ in ihrem eigenen Hirn geſponnene/ in der That falſche Grundſaͤtze/ da diſe allein achtung geben auf die Natur/ auf und ab- ſteigende Wolken/ auf die beſchaffenheit des Lufts/ auf das verhalten ihres Viehs/ und andere dergleichen vor ihren augen ligende dinge. Klug-einfaͤltige Leuthe/ welche die Sternwirkungs-weiſe lauffen laſ- ſen ſo vil hunderttauſend Millionen Meilen/ als die Jrꝛ- und Fix- Sternen von der Erden entfehrnt ſtehen/ indeſſen die vor ihren Na- ſenligende Natur-ſchrift deutlich und gluͤklich leſen. Es muͤſſen die heutigen Natur-forſcher geſtehen/ daß ſie von ſolchen ehrlichen Leu- then mehr lehrnen/ als von den gelehrteſten Profeſſoren auf den Ho- hen Schulen. Ja/ was wil ich ſagen von den Bauren/ es ſein/ nach ge- wiſſer art zureden/ die unvernuͤnftigen Thiere ſelbs verſtaͤndiger in vorkuͤndung des Regens/ als die beruͤhmteſten Sternweiſe. Oder/ iſt nicht wahr/ daß gemeiniglich ein Regen erfolget/ wann die Huͤner oft pipen/ oder zeitlich in ihre Staͤlle ſich begeben/ oder am Morgen nicht leicht unter dem Tach hervor wollen; Wann die Schwalben nieder fliegen/ und gleichſam an der Erde anſtoſſen/ oder auf den Waſſeren daher fladern; wann die Enten/ und andere Waſſervoͤ- gel ſich oft eintunken; Die Spatzen unter einander ſchreyen; die Nachtigallen abends/ und die Finken morgens fruͤhe mit ihrem Geſange ſich hoͤren laſſen; andere Voͤgel ſich anderſt verſtellẽ? Jſt nicht wahr/

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/20>, abgerufen am 29.04.2024.