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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.

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können über See kommen. Weiters ist zusehen der Mürtsch-Stock/
Mörtschen/
zu dessen Anfang abfliesset der Filtzbach. Jn der obersten
Felsen-Spitze dises Glarnischen Bergs ist eine von Natur durchgegrabene
Höle/ durch welche man an einem gewissen Ohrt des Sees den Himmel si-
het. Auf dessen Mittägiger oder Glarnerseiten war vor deme ein gutes
Silber-Bergwerck/ welches jezund ungebauet liget. An dem See ist
das Dorff Müllihaar/ und das Müllethal. Weiters kommet der
Kyretzer-Berg/ auf deme das Dorff Kyretzen: Murgen/ allwo
eine Eisenschmelze; Quarten mit dem Quartnerberg; Tertzen/
und Terznerberg; Mols/ und Molserberg/ Roüschyben/
ein klei-
nes Berglein/ nebst deme die Aa einfliesset in den Wallenstatter-See. Uber
dise Berg strecket sich die Spitzmeil/ ein hohes Glarnisches Gebirg/ welches
den Nahmen scheintherzuholen von seiner zugespizcen gestalt.

Von bereitung der Milch und Milchspeisen/ wie solche
auf denen hohen Alpen geschihet.

VNder denen Wundergaben/ damit der gütigste Gott unsere Eidgnös-
sische Lande/ gleich vor altem das Land Canaan/ segnet/ ist nicht die
geringste die Milch/ von deren bereitung das jenige in möglicher kür-
ze dem geehrten/ sonderlich Milchliebenden/ Leser mittheilen werde/ was auß
eigener Erfahrung auf den höchsten Alpgebirgen gesehen/ darbey dann ver-
hoffentlich das seinige wird finden der gemeine/ und Baursmann/ der
Vatterländische Geschicht-Schreiber/ der gelehrte Wörter-Samler/ und
Außleger/ der verständige Arzet; und jeder gebetten wird zu enderen/ zubes-
seren/ zu mehren/ was ihne zu einer follkommneren Milch-Histori dienlich dun-
ken wird.

Von des Sennen Person/ Amt/ und Behausung.

ES ist der Senn ins gemein ein ehrlicher/ aufrichtiger Mann/ ja ein ab-
truck der alten Schweizerischen/ und redlichen/ einfalt/ sowol in seinem
leben/ als thun; bekleidet mit einem rauchen/ ehrbaren Kittel/ beschü-
het mit Holzschuhen/ die er mit zweyen ledernen Riemen über die blossen
Füsse anbindet/ gleich den Alten Teutschen/ quorum soleas ex Arboris lib-
ro fabrefactas funiculus in planta pedis adstringit,
nach der Zeugnuß
Cluver. Germ. Antiq. L. l, c. 16. und der abbildung/ welche in seinem ge-

lehrten

koͤnnen uͤber See kommen. Weiters iſt zuſehen der Muͤrtſch-Stock/
Moͤrtſchen/
zu deſſen Anfang abflieſſet der Filtzbach. Jn der oberſten
Felſen-Spitze diſes Glarniſchen Bergs iſt eine von Natur durchgegrabene
Hoͤle/ durch welche man an einem gewiſſen Ohrt des Sees den Himmel ſi-
het. Auf deſſen Mittaͤgiger oder Glarnerſeiten war vor deme ein gutes
Silber-Bergwerck/ welches jezund ungebauet liget. An dem See iſt
das Dorff Muͤllihaar/ und das Muͤllethal. Weiters kommet der
Kyretzer-Berg/ auf deme das Dorff Kyretzen: Murgen/ allwo
eine Eiſenſchmelze; Quarten mit dem Quartnerberg; Tertzen/
und Terznerberg; Mols/ und Molſerberg/ Rouͤſchyben/
ein klei-
nes Berglein/ nebſt deme die Aa einflieſſet in den Wallenſtatter-See. Uber
diſe Berg ſtrecket ſich die Spitzmeil/ ein hohes Glarniſches Gebirg/ welches
den Nahmen ſcheintherzuholen von ſeiner zugeſpizcen geſtalt.

Von bereitung der Milch und Milchſpeiſen/ wie ſolche
auf denen hohen Alpen geſchihet.

VNder denen Wundergaben/ damit der guͤtigſte Gott unſere Eidgnoͤſ-
ſiſche Lande/ gleich vor altem das Land Canaan/ ſegnet/ iſt nicht die
geringſte die Milch/ von deren bereitung das jenige in moͤglicher kuͤr-
ze dem geehrten/ ſonderlich Milchliebenden/ Leſer mittheilen werde/ was auß
eigener Erfahrung auf den hoͤchſten Alpgebirgen geſehen/ darbey dann ver-
hoffentlich das ſeinige wird finden der gemeine/ und Baursmann/ der
Vatterlaͤndiſche Geſchicht-Schreiber/ der gelehrte Woͤrter-Samler/ und
Außleger/ der verſtaͤndige Arzet; und jeder gebetten wird zu enderen/ zubeſ-
ſeren/ zu mehren/ was ihne zu einer follkom̃neren Milch-Hiſtori dienlich dun-
ken wird.

Von des Sennen Perſon/ Amt/ und Behauſung.

ES iſt der Senn ins gemein ein ehrlicher/ aufrichtiger Mañ/ ja ein ab-
truck der alten Schweizeriſchen/ und redlichen/ einfalt/ ſowol in ſeinem
leben/ als thun; bekleidet mit einem rauchen/ ehrbaren Kittel/ beſchuͤ-
het mit Holzſchuhen/ die er mit zweyen ledernen Riemen uͤber die bloſſen
Fuͤſſe anbindet/ gleich den Alten Teutſchen/ quorum ſoleas ex Arboris lib-
ro fabrefactas funiculus in planta pedis adſtringit,
nach der Zeugnuß
Cluver. Germ. Antiq. L. l, c. 16. und der abbildung/ welche in ſeinem ge-

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[30/0041] koͤnnen uͤber See kommen. Weiters iſt zuſehen der Muͤrtſch-Stock/ Moͤrtſchen/ zu deſſen Anfang abflieſſet der Filtzbach. Jn der oberſten Felſen-Spitze diſes Glarniſchen Bergs iſt eine von Natur durchgegrabene Hoͤle/ durch welche man an einem gewiſſen Ohrt des Sees den Himmel ſi- het. Auf deſſen Mittaͤgiger oder Glarnerſeiten war vor deme ein gutes Silber-Bergwerck/ welches jezund ungebauet liget. An dem See iſt das Dorff Muͤllihaar/ und das Muͤllethal. Weiters kommet der Kyretzer-Berg/ auf deme das Dorff Kyretzen: Murgen/ allwo eine Eiſenſchmelze; Quarten mit dem Quartnerberg; Tertzen/ und Terznerberg; Mols/ und Molſerberg/ Rouͤſchyben/ ein klei- nes Berglein/ nebſt deme die Aa einflieſſet in den Wallenſtatter-See. Uber diſe Berg ſtrecket ſich die Spitzmeil/ ein hohes Glarniſches Gebirg/ welches den Nahmen ſcheintherzuholen von ſeiner zugeſpizcen geſtalt. Von bereitung der Milch und Milchſpeiſen/ wie ſolche auf denen hohen Alpen geſchihet. VNder denen Wundergaben/ damit der guͤtigſte Gott unſere Eidgnoͤſ- ſiſche Lande/ gleich vor altem das Land Canaan/ ſegnet/ iſt nicht die geringſte die Milch/ von deren bereitung das jenige in moͤglicher kuͤr- ze dem geehrten/ ſonderlich Milchliebenden/ Leſer mittheilen werde/ was auß eigener Erfahrung auf den hoͤchſten Alpgebirgen geſehen/ darbey dann ver- hoffentlich das ſeinige wird finden der gemeine/ und Baursmann/ der Vatterlaͤndiſche Geſchicht-Schreiber/ der gelehrte Woͤrter-Samler/ und Außleger/ der verſtaͤndige Arzet; und jeder gebetten wird zu enderen/ zubeſ- ſeren/ zu mehren/ was ihne zu einer follkom̃neren Milch-Hiſtori dienlich dun- ken wird. Von des Sennen Perſon/ Amt/ und Behauſung. ES iſt der Senn ins gemein ein ehrlicher/ aufrichtiger Mañ/ ja ein ab- truck der alten Schweizeriſchen/ und redlichen/ einfalt/ ſowol in ſeinem leben/ als thun; bekleidet mit einem rauchen/ ehrbaren Kittel/ beſchuͤ- het mit Holzſchuhen/ die er mit zweyen ledernen Riemen uͤber die bloſſen Fuͤſſe anbindet/ gleich den Alten Teutſchen/ quorum ſoleas ex Arboris lib- ro fabrefactas funiculus in planta pedis adſtringit, nach der Zeugnuß Cluver. Germ. Antiq. L. l, c. 16. und der abbildung/ welche in ſeinem ge- lehrten

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/41>, abgerufen am 21.11.2024.