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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706.

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lehrten Buch von den Schuhen der Alten/ de Calceo Antiquo, vorstel-
let Balduinus, p. 35. Es ist aber hierzu das Holz tauglicher als Leder/ wei-
len die Strassen auf die hohen Alpen/ (welche die Sennen täglich brauchen
müssen) nicht eben/ und besezt seyn/ sondern wegen der vilen vorkommen-
den Felsen/ und Steinen/ sehr rauch.

Ein solcher Senn wird vorgesetzet einer Sennten/ das ist/ einer zimli-
chen anzahl von 20. 30. 40. oder mehr Stucken Haubt Viehes/ mit welchen
er zu anfang des Sommers zu Alp fahret/ fleissig auf sie achtung gibet/
und von ihnen die Milch/ Käse/ Butter und Ziger samlet/ darvor auch eint-
weder dem Besitzer fleissige rechnung/ oder einen gewissen verdingten Zinß
gibet. Hiemit Senntnet der Patron selbs/ das ist/ er befihlet sein Vieh
auf seine Alpen/ oder Weiden/ zuführen/ und bezeuhet darvon seinen Nuzen.
Die Wohnung des Sennen ist die so genante Seunhütte/ ein durch-
leuchtiges/
von hölzernen/ auf einander gelegten/ Balken aufgebautes/ mit
Tannrinden bemaurtes/ mit hölzernen Schindlen bedektes/ und mit grossen
Steinen beschwertes Häußlein/ dessen Aestreich eine blosse/ oder mit Tannrin-
den bedekte Erde/ dessen Thüren/ Schlösser/ Rigel/ Kuchengeschirre alle von
Holz/ dessen Ober- und Underbett/ Küssen/ und anders Gerähte vil auf ein-
ander ligende Käse/ oder Heu. Dise nach der kommlichen einfalt der Ersten
Erden Einwohneren eingerichtete wohnung wird abgetheilt in zwey Haubt-
Gemächer: Das erste behaltet den Nahmen des grossen Hauses/ und ver-
dienet den Griechischen Titel turokomeion, Käsehütte/ weilen darinn ver-
fertiget wird der Käse; da finden sich alle zu der Käsemachung nöhtige Werk-
zeuge/ des Sennen Bett/ die so genante in form eines Amphitheatri von
steinen gebaute Hell/ Herd/ oder Feuerstatt: Der andere Theil des Hauses ist
der Milchgaden/ Milchkeller/ weilen da die Milch hingestellet/ und be-
halten wird/ liget deßwegen gemeinlich gegen Norden/ woher die kalten Lüf-
te wehen.

Nicht weit von der Sennhütte ist der Vieh- oder Kühgaden/
allwo der Ordnung nach stehen die Stieren/ Kühe und Geissen/ jedenach ih-
rem Rang/ und mit ihrem gewissen Nahmen bezeichnet.

Distant ordine certo Privae majores, mediaque aetate seorsim
Privatimque recens nati Homer. Odyss.
9.

Dise Thiere melket der Senn morgens und abends/ sizende auf sei-
nem einfüssigen Melckstul/ welchen er mit einem Seil oder Riemen um

den

lehrten Buch von den Schuhen der Alten/ de Calceo Antiquo, vorſtel-
let Balduinus, p. 35. Es iſt aber hierzu das Holz tauglicher als Leder/ wei-
len die Straſſen auf die hohen Alpen/ (welche die Sennen taͤglich brauchen
muͤſſen) nicht eben/ und beſezt ſeyn/ ſondern wegen der vilen vorkommen-
den Felſen/ und Steinen/ ſehr rauch.

Ein ſolcher Señ wird vorgeſetzet einer Señten/ das iſt/ einer zimli-
chen anzahl von 20. 30. 40. oder mehr Stucken Haubt Viehes/ mit welchen
er zu anfang des Sommers zu Alp fahret/ fleiſſig auf ſie achtung gibet/
und von ihnen die Milch/ Kaͤſe/ Butter und Ziger ſamlet/ darvor auch eint-
weder dem Beſitzer fleiſſige rechnung/ oder einen gewiſſen verdingten Zinß
gibet. Hiemit Señtnet der Patron ſelbs/ das iſt/ er befihlet ſein Vieh
auf ſeine Alpen/ oder Weiden/ zufuͤhren/ und bezeuhet darvon ſeinen Nuzen.
Die Wohnung des Sennen iſt die ſo genante Seunhuͤtte/ ein durch-
leuchtiges/
von hoͤlzernen/ auf einander gelegten/ Balken aufgebautes/ mit
Tannrinden bemaurtes/ mit hoͤlzernen Schindlen bedektes/ und mit groſſen
Steinen beſchwertes Haͤußlein/ deſſen Aeſtreich eine bloſſe/ oder mit Tannrin-
den bedekte Erde/ deſſen Thuͤren/ Schloͤſſer/ Rigel/ Kuchengeſchirꝛe alle von
Holz/ deſſen Ober- und Underbett/ Kuͤſſen/ und anders Geraͤhte vil auf ein-
ander ligende Kaͤſe/ oder Heu. Diſe nach der kom̃lichen einfalt der Erſten
Erden Einwohneren eingerichtete wohnung wird abgetheilt in zwey Haubt-
Gemaͤcher: Das erſte behaltet den Nahmen des groſſen Hauſes/ und ver-
dienet den Griechiſchen Titel τυροκομειον, Kaͤſehuͤtte/ weilen darinn ver-
fertiget wird der Kaͤſe; da finden ſich alle zu der Kaͤſemachung noͤhtige Werk-
zeuge/ des Sennen Bett/ die ſo genante in form eines Amphitheatri von
ſteinen gebaute Hell/ Herd/ oder Feuerſtatt: Der andere Theil des Hauſes iſt
der Milchgaden/ Milchkeller/ weilen da die Milch hingeſtellet/ und be-
halten wird/ liget deßwegen gemeinlich gegen Norden/ woher die kalten Luͤf-
te wehen.

Nicht weit von der Sennhuͤtte iſt der Vieh- oder Kuͤhgaden/
allwo der Ordnung nach ſtehen die Stieren/ Kuͤhe und Geiſſen/ jedenach ih-
rem Rang/ und mit ihrem gewiſſen Nahmen bezeichnet.

Diſtant ordine certo Privæ majores, mediáque ætate ſeorſim
Privatimque recens nati Homer. Odyſſ.
9.

Diſe Thiere melket der Senn morgens und abends/ ſizende auf ſei-
nem einfuͤſſigen Melckſtul/ welchen er mit einem Seil oder Riemen um

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[31/0042] lehrten Buch von den Schuhen der Alten/ de Calceo Antiquo, vorſtel- let Balduinus, p. 35. Es iſt aber hierzu das Holz tauglicher als Leder/ wei- len die Straſſen auf die hohen Alpen/ (welche die Sennen taͤglich brauchen muͤſſen) nicht eben/ und beſezt ſeyn/ ſondern wegen der vilen vorkommen- den Felſen/ und Steinen/ ſehr rauch. Ein ſolcher Señ wird vorgeſetzet einer Señten/ das iſt/ einer zimli- chen anzahl von 20. 30. 40. oder mehr Stucken Haubt Viehes/ mit welchen er zu anfang des Sommers zu Alp fahret/ fleiſſig auf ſie achtung gibet/ und von ihnen die Milch/ Kaͤſe/ Butter und Ziger ſamlet/ darvor auch eint- weder dem Beſitzer fleiſſige rechnung/ oder einen gewiſſen verdingten Zinß gibet. Hiemit Señtnet der Patron ſelbs/ das iſt/ er befihlet ſein Vieh auf ſeine Alpen/ oder Weiden/ zufuͤhren/ und bezeuhet darvon ſeinen Nuzen. Die Wohnung des Sennen iſt die ſo genante Seunhuͤtte/ ein durch- leuchtiges/ von hoͤlzernen/ auf einander gelegten/ Balken aufgebautes/ mit Tannrinden bemaurtes/ mit hoͤlzernen Schindlen bedektes/ und mit groſſen Steinen beſchwertes Haͤußlein/ deſſen Aeſtreich eine bloſſe/ oder mit Tannrin- den bedekte Erde/ deſſen Thuͤren/ Schloͤſſer/ Rigel/ Kuchengeſchirꝛe alle von Holz/ deſſen Ober- und Underbett/ Kuͤſſen/ und anders Geraͤhte vil auf ein- ander ligende Kaͤſe/ oder Heu. Diſe nach der kom̃lichen einfalt der Erſten Erden Einwohneren eingerichtete wohnung wird abgetheilt in zwey Haubt- Gemaͤcher: Das erſte behaltet den Nahmen des groſſen Hauſes/ und ver- dienet den Griechiſchen Titel τυροκομειον, Kaͤſehuͤtte/ weilen darinn ver- fertiget wird der Kaͤſe; da finden ſich alle zu der Kaͤſemachung noͤhtige Werk- zeuge/ des Sennen Bett/ die ſo genante in form eines Amphitheatri von ſteinen gebaute Hell/ Herd/ oder Feuerſtatt: Der andere Theil des Hauſes iſt der Milchgaden/ Milchkeller/ weilen da die Milch hingeſtellet/ und be- halten wird/ liget deßwegen gemeinlich gegen Norden/ woher die kalten Luͤf- te wehen. Nicht weit von der Sennhuͤtte iſt der Vieh- oder Kuͤhgaden/ allwo der Ordnung nach ſtehen die Stieren/ Kuͤhe und Geiſſen/ jedenach ih- rem Rang/ und mit ihrem gewiſſen Nahmen bezeichnet. Diſtant ordine certo Privæ majores, mediáque ætate ſeorſim Privatimque recens nati Homer. Odyſſ. 9. Diſe Thiere melket der Senn morgens und abends/ ſizende auf ſei- nem einfuͤſſigen Melckſtul/ welchen er mit einem Seil oder Riemen um den

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung der Natur-Geschichten Des Schweizerlands. Bd. 1. Zürich, 1706, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten01_1706/42>, abgerufen am 21.11.2024.