Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Theresiade
Welch' unverhoffte Pracht! ein hell beleüchter Saal!
10Jch gieng der Wahrheit nach, der ich mich anbefahl,
Damit ich, was geschäh, durch sie verstehen könnte,
Wann die Willfährigkeit derselben es vergönnte.
Mein Auge war so sehr geblendet und bestrickt,
Daß es die Menge nur unachtsam überblickt;
15Jch sah in dem Bezirck noch Anfang weder Ende,
Als hätte das Gebäu noch Umkreiß weder Wände:
Es gläntzete die Luft von schimmerndem Crystall,
Gold, Marmel, Farb' und Flamm erfüllten überall
Den Königlichen Saal; die unzählbaren Lichter
20Erhoben die Gestalt und Schönheit der Gesichter,
Die man in dem Gedräng' in dem Getöß der Stadt
Bey der Vielfältigkeit nicht wahrgenommen hat:
Der Spiegel Gegen-Schein und unergründtes Spielen
War Ursach, daß sie mir vermehrt ins Auge fielen;
25Der Hin- und Wieder-Schein der Tracht und der Gestalt,
Der unermessne Glantz, die blendende Gewalt
Bezauberte das Aug, entzückte Geist und Sinnen,
Als sähe man ein Heer gekrönter Königinnen.
Lust, Kummer, Freüd und Sorg, Angst, Ehrforcht und Begier
30Beklemmten meine Brust und rissen mich von mir.

Hilff Freündinn! fuhr ich auf: hilff alles diß zu mercken!
Mein Sinn verliehret sich in diesen Wunderwercken;
Die

Thereſiade
Welch’ unverhoffte Pracht! ein hell beleuͤchter Saal!
10Jch gieng der Wahrheit nach, der ich mich anbefahl,
Damit ich, was geſchaͤh, durch ſie verſtehen koͤnnte,
Wann die Willfaͤhrigkeit derſelben es vergoͤnnte.
Mein Auge war ſo ſehr geblendet und beſtrickt,
Daß es die Menge nur unachtſam uͤberblickt;
15Jch ſah in dem Bezirck noch Anfang weder Ende,
Als haͤtte das Gebaͤu noch Umkreiß weder Waͤnde:
Es glaͤntzete die Luft von ſchimmerndem Cryſtall,
Gold, Marmel, Farb’ und Flamm erfuͤllten uͤberall
Den Koͤniglichen Saal; die unzaͤhlbaren Lichter
20Erhoben die Geſtalt und Schoͤnheit der Geſichter,
Die man in dem Gedraͤng’ in dem Getoͤß der Stadt
Bey der Vielfaͤltigkeit nicht wahrgenommen hat:
Der Spiegel Gegen-Schein und unergruͤndtes Spielen
War Urſach, daß ſie mir vermehrt ins Auge fielen;
25Der Hin- und Wieder-Schein der Tracht und der Geſtalt,
Der unermeſſne Glantz, die blendende Gewalt
Bezauberte das Aug, entzuͤckte Geiſt und Sinnen,
Als ſaͤhe man ein Heer gekroͤnter Koͤniginnen.
Luſt, Kummer, Freuͤd und Sorg, Angſt, Ehrforcht und Begier
30Beklemmten meine Bruſt und riſſen mich von mir.

Hilff Freuͤndinn! fuhr ich auf: hilff alles diß zu mercken!
Mein Sinn verliehret ſich in dieſen Wunderwercken;
Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg>
              <pb facs="#f0053"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">There&#x017F;iade</hi> </fw><lb/>
              <l>Welch&#x2019; unverhoffte Pracht! ein hell beleu&#x0364;chter Saal!</l><lb/>
              <l><note place="left">10</note>Jch gieng der Wahrheit nach, der ich mich anbefahl,</l><lb/>
              <l>Damit ich, was ge&#x017F;cha&#x0364;h, durch &#x017F;ie ver&#x017F;tehen ko&#x0364;nnte,</l><lb/>
              <l>Wann die Willfa&#x0364;hrigkeit der&#x017F;elben es vergo&#x0364;nnte.</l><lb/>
              <l>Mein Auge war &#x017F;o &#x017F;ehr geblendet und be&#x017F;trickt,</l><lb/>
              <l>Daß es die Menge nur unacht&#x017F;am u&#x0364;berblickt;</l><lb/>
              <l><note place="left">15</note>Jch &#x017F;ah in dem Bezirck noch Anfang weder Ende,</l><lb/>
              <l>Als ha&#x0364;tte das Geba&#x0364;u noch Umkreiß weder Wa&#x0364;nde:</l><lb/>
              <l>Es gla&#x0364;ntzete die Luft von &#x017F;chimmerndem Cry&#x017F;tall,</l><lb/>
              <l>Gold, Marmel, Farb&#x2019; und Flamm erfu&#x0364;llten u&#x0364;berall</l><lb/>
              <l>Den Ko&#x0364;niglichen Saal; die unza&#x0364;hlbaren Lichter</l><lb/>
              <l><note place="left">20</note>Erhoben die Ge&#x017F;talt und Scho&#x0364;nheit der Ge&#x017F;ichter,</l><lb/>
              <l>Die man in dem Gedra&#x0364;ng&#x2019; in dem Geto&#x0364;ß der Stadt</l><lb/>
              <l>Bey der Vielfa&#x0364;ltigkeit nicht wahrgenommen hat:</l><lb/>
              <l>Der Spiegel Gegen-Schein und unergru&#x0364;ndtes Spielen</l><lb/>
              <l>War Ur&#x017F;ach, daß &#x017F;ie mir vermehrt ins Auge fielen;</l><lb/>
              <l><note place="left">25</note>Der Hin- und Wieder-Schein der Tracht und der Ge&#x017F;talt,</l><lb/>
              <l>Der unerme&#x017F;&#x017F;ne Glantz, die blendende Gewalt</l><lb/>
              <l>Bezauberte das Aug, entzu&#x0364;ckte Gei&#x017F;t und Sinnen,</l><lb/>
              <l>Als &#x017F;a&#x0364;he man ein Heer gekro&#x0364;nter Ko&#x0364;niginnen.</l><lb/>
              <l>Lu&#x017F;t, Kummer, Freu&#x0364;d und Sorg, Ang&#x017F;t, Ehrforcht und Begier</l><lb/>
              <l><note place="left">30</note>Beklemmten meine Bru&#x017F;t und ri&#x017F;&#x017F;en mich von mir.</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Hilff Freu&#x0364;ndinn! fuhr ich auf: hilff alles diß zu mercken!</l><lb/>
              <l>Mein Sinn verliehret &#x017F;ich in die&#x017F;en Wunderwercken;</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0053] Thereſiade Welch’ unverhoffte Pracht! ein hell beleuͤchter Saal! Jch gieng der Wahrheit nach, der ich mich anbefahl, Damit ich, was geſchaͤh, durch ſie verſtehen koͤnnte, Wann die Willfaͤhrigkeit derſelben es vergoͤnnte. Mein Auge war ſo ſehr geblendet und beſtrickt, Daß es die Menge nur unachtſam uͤberblickt; Jch ſah in dem Bezirck noch Anfang weder Ende, Als haͤtte das Gebaͤu noch Umkreiß weder Waͤnde: Es glaͤntzete die Luft von ſchimmerndem Cryſtall, Gold, Marmel, Farb’ und Flamm erfuͤllten uͤberall Den Koͤniglichen Saal; die unzaͤhlbaren Lichter Erhoben die Geſtalt und Schoͤnheit der Geſichter, Die man in dem Gedraͤng’ in dem Getoͤß der Stadt Bey der Vielfaͤltigkeit nicht wahrgenommen hat: Der Spiegel Gegen-Schein und unergruͤndtes Spielen War Urſach, daß ſie mir vermehrt ins Auge fielen; Der Hin- und Wieder-Schein der Tracht und der Geſtalt, Der unermeſſne Glantz, die blendende Gewalt Bezauberte das Aug, entzuͤckte Geiſt und Sinnen, Als ſaͤhe man ein Heer gekroͤnter Koͤniginnen. Luſt, Kummer, Freuͤd und Sorg, Angſt, Ehrforcht und Begier Beklemmten meine Bruſt und riſſen mich von mir. Hilff Freuͤndinn! fuhr ich auf: hilff alles diß zu mercken! Mein Sinn verliehret ſich in dieſen Wunderwercken; Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/53
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/53>, abgerufen am 09.11.2024.