Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.vermerkt hatte dieses schreckliche Corrosiv alles -- Vielleicht wäre es der Hand eines Freundes Ver¬
vermerkt hatte dieſes ſchreckliche Corroſiv alles — Vielleicht wäre es der Hand eines Freundes Ver¬
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0108" n="100"/> vermerkt hatte dieſes ſchreckliche Corroſiv alles —<lb/> beynahe alles verzehrt, worauf ſeine Moralität ru¬<lb/> hen ſollte. Die natürlichen und <hi rendition="#g">nothwendigen</hi><lb/> Stützen ſeiner Glückſeligkeit gab er für Sophismen<lb/> hinweg, die ihn im entſcheidenden Augenblick ver¬<lb/> ließen, und ihn dadurch zwangen, ſich an den er¬<lb/> ſten beſten willkührlichen zu halten, die man ihm<lb/> zuwarf.</p><lb/> <p>Vielleicht wäre es der Hand eines Freundes<lb/> gelungen, ihn noch zur rechten Zeit von dieſem Ab¬<lb/> grund zurück zu ziehen — aber, außerdem daß<lb/> ich mit dem Innern des Bucentauro erſt lange<lb/> nachher bekannt worden bin, als das Uebel ſchon<lb/> geſchehen war, ſo hatte mich ſchon zu Anfang die¬<lb/> ſer Periode ein dringender Vorfall aus Venedig ab¬<lb/> gerufen. Auch Mylord Seymour, eine ſchätzbare<lb/> Bekanntſchaft des Prinzen, deſſen kalter Kopf jeder<lb/> Art von Täuſchung unzugänglich war, und der ihm<lb/> unfehlbar zu einer ſichern Stütze hätte dienen kön¬<lb/> nen, verließ uns in dieſer Zeit, um in ſein Vater¬<lb/> land zurück zu kehren. Diejenigen, in deren Hän¬<lb/> den ich den Prinzen ließ, waren zwar redliche, aber<lb/> unerfahrne und in ihrer Religion äußerſt beſchränkte<lb/> Menſchen, denen es ſowohl an der Einſicht in das<lb/> Uebel, als an Anſehen bey dem Prinzen fehlte. Seinen<lb/> verfänglichen Sophismen wußten ſie nichts, als die<lb/> Machtſprüche eines blinden ungeprüften Glaubens<lb/> entgegen zu ſetzen, die ihn entweder aufbrachten<lb/> oder beluſtigten: er überſah ſie gar zu leicht, und<lb/> ſein überlegner Verſtand brachte dieſe ſchlechten<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ver¬<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0108]
vermerkt hatte dieſes ſchreckliche Corroſiv alles —
beynahe alles verzehrt, worauf ſeine Moralität ru¬
hen ſollte. Die natürlichen und nothwendigen
Stützen ſeiner Glückſeligkeit gab er für Sophismen
hinweg, die ihn im entſcheidenden Augenblick ver¬
ließen, und ihn dadurch zwangen, ſich an den er¬
ſten beſten willkührlichen zu halten, die man ihm
zuwarf.
Vielleicht wäre es der Hand eines Freundes
gelungen, ihn noch zur rechten Zeit von dieſem Ab¬
grund zurück zu ziehen — aber, außerdem daß
ich mit dem Innern des Bucentauro erſt lange
nachher bekannt worden bin, als das Uebel ſchon
geſchehen war, ſo hatte mich ſchon zu Anfang die¬
ſer Periode ein dringender Vorfall aus Venedig ab¬
gerufen. Auch Mylord Seymour, eine ſchätzbare
Bekanntſchaft des Prinzen, deſſen kalter Kopf jeder
Art von Täuſchung unzugänglich war, und der ihm
unfehlbar zu einer ſichern Stütze hätte dienen kön¬
nen, verließ uns in dieſer Zeit, um in ſein Vater¬
land zurück zu kehren. Diejenigen, in deren Hän¬
den ich den Prinzen ließ, waren zwar redliche, aber
unerfahrne und in ihrer Religion äußerſt beſchränkte
Menſchen, denen es ſowohl an der Einſicht in das
Uebel, als an Anſehen bey dem Prinzen fehlte. Seinen
verfänglichen Sophismen wußten ſie nichts, als die
Machtſprüche eines blinden ungeprüften Glaubens
entgegen zu ſetzen, die ihn entweder aufbrachten
oder beluſtigten: er überſah ſie gar zu leicht, und
ſein überlegner Verſtand brachte dieſe ſchlechten
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