ist, so soll doch die Aufführung des Neffen auch die höchste Toleranz erschöpfen. Seine freyen Grund¬ sätze und seine zügellose Lebensart, unglücklicher Weise durch alles unterstützt, was Laster schmücken, und die Sinnlichkeit hinreißen kann, machen ihn zum Schrecken aller Väter und zum Fluch aller Ehe¬ männer; auch diesen lezten Angriff soll er sich, wie man laut behauptet, durch eine Intrigue zugezo¬ gen haben, die er mit der Gemahlinn des **schen Gesandten angesponnen hatte: anderer schlimmen Händel nicht zu gedenken, woraus ihn das Ansehen und das Geld des Kardinals nur mit Mühe hat retten können. Dieses abgerechnet, wäre lezterer der beneidetste Mann in ganz Italien, weil er alles besizt, was das Leben wünschenswürdig machen kann. Mit diesem einzigen Familienleiden nimmt das Glück alle seine Gaben zurück, und vergällt ihm den Genuß seines Vermögens durch die im¬ merwährende Furcht, keinen Erben dazu zu finden.
Alle diese Nachrichten habe ich von Biondello. In diesem Menschen hat der Prinz einen wahren Schatz erhalten. Mit jedem Tage macht er sich unentbehrlicher, mit jedem Tage entdecken wir ir¬ gend ein neues Talent an ihm. Neulich hatte sich der Prinz erhitzt, und konnte nicht einschlafen. Das Nachtlicht war ausgelöscht, und kein Klingeln konnte den Kammerdiener erwecken, der außer dem Hause bey einer Operistinn schlafen gegangen war. Der Prinz entschließt sich also, selbst aufzustehen,
um
iſt, ſo ſoll doch die Aufführung des Neffen auch die höchſte Toleranz erſchöpfen. Seine freyen Grund¬ ſätze und ſeine zügelloſe Lebensart, unglücklicher Weiſe durch alles unterſtützt, was Laſter ſchmücken, und die Sinnlichkeit hinreißen kann, machen ihn zum Schrecken aller Väter und zum Fluch aller Ehe¬ männer; auch dieſen lezten Angriff ſoll er ſich, wie man laut behauptet, durch eine Intrigue zugezo¬ gen haben, die er mit der Gemahlinn des **ſchen Geſandten angeſponnen hatte: anderer ſchlimmen Händel nicht zu gedenken, woraus ihn das Anſehen und das Geld des Kardinals nur mit Mühe hat retten können. Dieſes abgerechnet, wäre lezterer der beneidetſte Mann in ganz Italien, weil er alles beſizt, was das Leben wünſchenswürdig machen kann. Mit dieſem einzigen Familienleiden nimmt das Glück alle ſeine Gaben zurück, und vergällt ihm den Genuß ſeines Vermögens durch die im¬ merwährende Furcht, keinen Erben dazu zu finden.
Alle dieſe Nachrichten habe ich von Biondello. In dieſem Menſchen hat der Prinz einen wahren Schatz erhalten. Mit jedem Tage macht er ſich unentbehrlicher, mit jedem Tage entdecken wir ir¬ gend ein neues Talent an ihm. Neulich hatte ſich der Prinz erhitzt, und konnte nicht einſchlafen. Das Nachtlicht war ausgelöſcht, und kein Klingeln konnte den Kammerdiener erwecken, der außer dem Hauſe bey einer Operiſtinn ſchlafen gegangen war. Der Prinz entſchließt ſich alſo, ſelbſt aufzuſtehen,
um
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0122"n="114"/>
iſt, ſo ſoll doch die Aufführung des Neffen auch die<lb/>
höchſte Toleranz erſchöpfen. Seine freyen Grund¬<lb/>ſätze und ſeine zügelloſe Lebensart, unglücklicher<lb/>
Weiſe durch alles unterſtützt, was Laſter ſchmücken,<lb/>
und die Sinnlichkeit hinreißen kann, machen ihn<lb/>
zum Schrecken aller Väter und zum Fluch aller Ehe¬<lb/>
männer; auch dieſen lezten Angriff ſoll er ſich, wie<lb/>
man laut behauptet, durch eine Intrigue zugezo¬<lb/>
gen haben, die er mit der Gemahlinn des **ſchen<lb/>
Geſandten angeſponnen hatte: anderer ſchlimmen<lb/>
Händel nicht zu gedenken, woraus ihn das Anſehen<lb/>
und das Geld des Kardinals nur mit Mühe hat<lb/>
retten können. Dieſes abgerechnet, wäre lezterer<lb/>
der beneidetſte Mann in ganz Italien, weil er alles<lb/>
beſizt, was das Leben wünſchenswürdig machen<lb/>
kann. Mit dieſem einzigen Familienleiden nimmt<lb/>
das Glück alle ſeine Gaben zurück, und vergällt<lb/>
ihm den Genuß ſeines Vermögens durch die im¬<lb/>
merwährende Furcht, keinen Erben dazu zu<lb/>
finden.</p><lb/><p>Alle dieſe Nachrichten habe ich von Biondello.<lb/>
In dieſem Menſchen hat der Prinz einen wahren<lb/>
Schatz erhalten. Mit jedem Tage macht er ſich<lb/>
unentbehrlicher, mit jedem Tage entdecken wir ir¬<lb/>
gend ein neues Talent an ihm. Neulich hatte ſich<lb/>
der Prinz erhitzt, und konnte nicht einſchlafen.<lb/>
Das Nachtlicht war ausgelöſcht, und kein Klingeln<lb/>
konnte den Kammerdiener erwecken, der außer dem<lb/>
Hauſe bey einer Operiſtinn ſchlafen gegangen war.<lb/>
Der Prinz entſchließt ſich alſo, ſelbſt aufzuſtehen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">um<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[114/0122]
iſt, ſo ſoll doch die Aufführung des Neffen auch die
höchſte Toleranz erſchöpfen. Seine freyen Grund¬
ſätze und ſeine zügelloſe Lebensart, unglücklicher
Weiſe durch alles unterſtützt, was Laſter ſchmücken,
und die Sinnlichkeit hinreißen kann, machen ihn
zum Schrecken aller Väter und zum Fluch aller Ehe¬
männer; auch dieſen lezten Angriff ſoll er ſich, wie
man laut behauptet, durch eine Intrigue zugezo¬
gen haben, die er mit der Gemahlinn des **ſchen
Geſandten angeſponnen hatte: anderer ſchlimmen
Händel nicht zu gedenken, woraus ihn das Anſehen
und das Geld des Kardinals nur mit Mühe hat
retten können. Dieſes abgerechnet, wäre lezterer
der beneidetſte Mann in ganz Italien, weil er alles
beſizt, was das Leben wünſchenswürdig machen
kann. Mit dieſem einzigen Familienleiden nimmt
das Glück alle ſeine Gaben zurück, und vergällt
ihm den Genuß ſeines Vermögens durch die im¬
merwährende Furcht, keinen Erben dazu zu
finden.
Alle dieſe Nachrichten habe ich von Biondello.
In dieſem Menſchen hat der Prinz einen wahren
Schatz erhalten. Mit jedem Tage macht er ſich
unentbehrlicher, mit jedem Tage entdecken wir ir¬
gend ein neues Talent an ihm. Neulich hatte ſich
der Prinz erhitzt, und konnte nicht einſchlafen.
Das Nachtlicht war ausgelöſcht, und kein Klingeln
konnte den Kammerdiener erwecken, der außer dem
Hauſe bey einer Operiſtinn ſchlafen gegangen war.
Der Prinz entſchließt ſich alſo, ſelbſt aufzuſtehen,
um
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/122>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.