zwar der Zweck dem Mittel voran; wenn ihre in¬ nern Wirkungen aber in äußere übergehen, so kehrt sich diese Ordnung um, und das Mittel verhält sich zu dem Zwecke wie die Ursache zu ihrer Wir¬ kung. In diesem lezten Sinne durfte ich mich un¬ eigentlich dieses Ausdrucks bedienen, der aber auf unsere jetzige Untersuchung keinen störenden Einfluß haben darf. Setzen Sie statt Mittel und Zweck Ursache und Wirkung -- wo bleibt der Unterschied von Gemein und Edel? Was kann an der Ur¬ sache edel seyn, als daß sie ihre Wirkung erfüllet? Edel und gemein bezeichnen nur das Verhältniß, in welchem ein Gegenstand gegen ein gewisses Principium in unsrer Seele stehet -- es ist also ein Begriff, der nur innerhalb unsrer Seele, nicht außerhalb derselben anzuwenden ist. Sehen Sie aber, wie Sie schon als erwiesen an¬ nehmen, was wir erst durch unsre Schlüsse heraus bringen sollen? Warum anders nennen Sie den Gedanken im Gegensatz von der Bewegung edel, als weil Sie das denkende Wesen schon als den Mittelpunkt voraussetzen, dem Sie die Folgen¬ reihe der Dinge unterordnen? Treten Sie in meine Gedankenreihe, so wird diese Rangord¬ nung verschwinden, der Gedanke ist Wirkung und Ursache der Bewegung, und ein Glied der Noth¬ wendigkeit, wie der Pulsschlag der ihn begleitet."
Nimmermehr werden Sie diesen paradoxen un¬ natürlichen Satz durchsetzen. Beynahe überall kön¬ nen wir mit unserm Verstande den Zweck der phy¬
sischen
J 2
zwar der Zweck dem Mittel voran; wenn ihre in¬ nern Wirkungen aber in äußere übergehen, ſo kehrt ſich dieſe Ordnung um, und das Mittel verhält ſich zu dem Zwecke wie die Urſache zu ihrer Wir¬ kung. In dieſem lezten Sinne durfte ich mich un¬ eigentlich dieſes Ausdrucks bedienen, der aber auf unſere jetzige Unterſuchung keinen ſtörenden Einfluß haben darf. Setzen Sie ſtatt Mittel und Zweck Urſache und Wirkung — wo bleibt der Unterſchied von Gemein und Edel? Was kann an der Ur¬ ſache edel ſeyn, als daß ſie ihre Wirkung erfüllet? Edel und gemein bezeichnen nur das Verhältniß, in welchem ein Gegenſtand gegen ein gewiſſes Principium in unſrer Seele ſtehet — es iſt alſo ein Begriff, der nur innerhalb unſrer Seele, nicht außerhalb derſelben anzuwenden iſt. Sehen Sie aber, wie Sie ſchon als erwieſen an¬ nehmen, was wir erſt durch unſre Schlüſſe heraus bringen ſollen? Warum anders nennen Sie den Gedanken im Gegenſatz von der Bewegung edel, als weil Sie das denkende Weſen ſchon als den Mittelpunkt vorausſetzen, dem Sie die Folgen¬ reihe der Dinge unterordnen? Treten Sie in meine Gedankenreihe, ſo wird dieſe Rangord¬ nung verſchwinden, der Gedanke iſt Wirkung und Urſache der Bewegung, und ein Glied der Noth¬ wendigkeit, wie der Pulsſchlag der ihn begleitet.“
Nimmermehr werden Sie dieſen paradoxen un¬ natürlichen Satz durchſetzen. Beynahe überall kön¬ nen wir mit unſerm Verſtande den Zweck der phy¬
ſiſchen
J 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0139"n="131"/>
zwar der Zweck dem Mittel voran; wenn ihre in¬<lb/>
nern Wirkungen aber in äußere übergehen, ſo kehrt<lb/>ſich dieſe Ordnung um, und das Mittel verhält<lb/>ſich zu dem Zwecke wie die Urſache zu ihrer Wir¬<lb/>
kung. In dieſem lezten Sinne durfte ich mich un¬<lb/>
eigentlich dieſes Ausdrucks bedienen, der aber auf<lb/>
unſere jetzige Unterſuchung keinen ſtörenden Einfluß<lb/>
haben darf. Setzen Sie ſtatt Mittel und Zweck<lb/>
Urſache und Wirkung — wo bleibt der Unterſchied<lb/>
von <hirendition="#g">Gemein</hi> und <hirendition="#g">Edel</hi>? Was kann an der Ur¬<lb/>ſache edel ſeyn, als daß ſie ihre Wirkung erfüllet?<lb/>
Edel und gemein bezeichnen nur das Verhältniß,<lb/>
in welchem ein Gegenſtand gegen ein <hirendition="#g">gewiſſes<lb/>
Principium in unſrer Seele</hi>ſtehet —<lb/>
es iſt alſo ein Begriff, der nur innerhalb unſrer<lb/>
Seele, nicht außerhalb derſelben anzuwenden iſt.<lb/>
Sehen Sie aber, wie Sie ſchon als erwieſen an¬<lb/>
nehmen, was wir erſt durch unſre Schlüſſe heraus<lb/>
bringen ſollen? Warum anders nennen Sie den<lb/><hirendition="#g">Gedanken</hi> im Gegenſatz von der <hirendition="#g">Bewegung</hi><lb/>
edel, als weil Sie das denkende Weſen ſchon als<lb/>
den Mittelpunkt vorausſetzen, dem Sie die Folgen¬<lb/>
reihe der Dinge unterordnen? Treten Sie in<lb/><hirendition="#g">meine</hi> Gedankenreihe, ſo wird dieſe Rangord¬<lb/>
nung verſchwinden, der Gedanke iſt Wirkung und<lb/>
Urſache der Bewegung, und ein Glied der Noth¬<lb/>
wendigkeit, wie der Pulsſchlag der ihn begleitet.“</p><lb/><p>Nimmermehr werden Sie dieſen paradoxen un¬<lb/>
natürlichen Satz durchſetzen. Beynahe überall kön¬<lb/>
nen wir mit unſerm Verſtande den Zweck der phy¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">J 2<lb/></fw><fwplace="bottom"type="catch">ſiſchen<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[131/0139]
zwar der Zweck dem Mittel voran; wenn ihre in¬
nern Wirkungen aber in äußere übergehen, ſo kehrt
ſich dieſe Ordnung um, und das Mittel verhält
ſich zu dem Zwecke wie die Urſache zu ihrer Wir¬
kung. In dieſem lezten Sinne durfte ich mich un¬
eigentlich dieſes Ausdrucks bedienen, der aber auf
unſere jetzige Unterſuchung keinen ſtörenden Einfluß
haben darf. Setzen Sie ſtatt Mittel und Zweck
Urſache und Wirkung — wo bleibt der Unterſchied
von Gemein und Edel? Was kann an der Ur¬
ſache edel ſeyn, als daß ſie ihre Wirkung erfüllet?
Edel und gemein bezeichnen nur das Verhältniß,
in welchem ein Gegenſtand gegen ein gewiſſes
Principium in unſrer Seele ſtehet —
es iſt alſo ein Begriff, der nur innerhalb unſrer
Seele, nicht außerhalb derſelben anzuwenden iſt.
Sehen Sie aber, wie Sie ſchon als erwieſen an¬
nehmen, was wir erſt durch unſre Schlüſſe heraus
bringen ſollen? Warum anders nennen Sie den
Gedanken im Gegenſatz von der Bewegung
edel, als weil Sie das denkende Weſen ſchon als
den Mittelpunkt vorausſetzen, dem Sie die Folgen¬
reihe der Dinge unterordnen? Treten Sie in
meine Gedankenreihe, ſo wird dieſe Rangord¬
nung verſchwinden, der Gedanke iſt Wirkung und
Urſache der Bewegung, und ein Glied der Noth¬
wendigkeit, wie der Pulsſchlag der ihn begleitet.“
Nimmermehr werden Sie dieſen paradoxen un¬
natürlichen Satz durchſetzen. Beynahe überall kön¬
nen wir mit unſerm Verſtande den Zweck der phy¬
ſiſchen
J 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/139>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.