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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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"Wünschen Sie Sich Glück, fuhr er fort;
Glück -- Ich soll mir Glück wünschen -- Sagte
er nicht so? Was wollte er damit sagen?"

Wie kommen Sie jetzt darauf? rief ich. Was
soll das hier?

"Ich habe damals nicht verstanden, was der
Mensch wollte. Jetzt verstehe ich ihn -- O es ist
unerträglich hart, einen Herrn über sich haben!"

Mein theuerster Prinz!

"Der es uns fühlen lassen kann! -- Ha! Es
muß süß seyn!"

Er hielt wieder inne. Seine Miene erschreckte
mich. Ich hatte sie nie an ihm gesehen.

"Der Elendeste unter dem Volk fing er wie¬
der an, oder der nächste Prinz am Throne! Das
ist ganz dasselbe. Es giebt nur einen Unter¬
schied unter den Menschen -- Gehorchen und
Herrschen!"

Er sah noch einmal in den Brief.

"Sie haben den Menschen gesehen, fuhr er
fort, der sich unterstehen darf, mir dieses zu schrei¬
ben. Würden Sie ihn auf der Straße grüßen,
wenn ihn das Schicksal nicht zu Ihrem Herrn ge¬
macht hätte? Bey Gott! Es ist etwas großes um
eine Krone!"

In diesem Ton ging es weiter, und es fielen
Reden, die ich keinem Brief anvertrauen darf.
Aber bey dieser Gelegenheit entdeckte mir der Prinz
einen Umstand, der mich in nicht geringes Erstau¬

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N 5

„Wünſchen Sie Sich Glück, fuhr er fort;
Glück — Ich ſoll mir Glück wünſchen — Sagte
er nicht ſo? Was wollte er damit ſagen?“

Wie kommen Sie jetzt darauf? rief ich. Was
ſoll das hier?

„Ich habe damals nicht verſtanden, was der
Menſch wollte. Jetzt verſtehe ich ihn — O es iſt
unerträglich hart, einen Herrn über ſich haben!“

Mein theuerſter Prinz!

„Der es uns fühlen laſſen kann! — Ha! Es
muß ſüß ſeyn!“

Er hielt wieder inne. Seine Miene erſchreckte
mich. Ich hatte ſie nie an ihm geſehen.

„Der Elendeſte unter dem Volk fing er wie¬
der an, oder der nächſte Prinz am Throne! Das
iſt ganz daſſelbe. Es giebt nur einen Unter¬
ſchied unter den Menſchen — Gehorchen und
Herrſchen!“

Er ſah noch einmal in den Brief.

„Sie haben den Menſchen geſehen, fuhr er
fort, der ſich unterſtehen darf, mir dieſes zu ſchrei¬
ben. Würden Sie ihn auf der Straße grüßen,
wenn ihn das Schickſal nicht zu Ihrem Herrn ge¬
macht hätte? Bey Gott! Es iſt etwas großes um
eine Krone!“

In dieſem Ton ging es weiter, und es fielen
Reden, die ich keinem Brief anvertrauen darf.
Aber bey dieſer Gelegenheit entdeckte mir der Prinz
einen Umſtand, der mich in nicht geringes Erſtau¬

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[201/0209] „Wünſchen Sie Sich Glück, fuhr er fort; Glück — Ich ſoll mir Glück wünſchen — Sagte er nicht ſo? Was wollte er damit ſagen?“ Wie kommen Sie jetzt darauf? rief ich. Was ſoll das hier? „Ich habe damals nicht verſtanden, was der Menſch wollte. Jetzt verſtehe ich ihn — O es iſt unerträglich hart, einen Herrn über ſich haben!“ Mein theuerſter Prinz! „Der es uns fühlen laſſen kann! — Ha! Es muß ſüß ſeyn!“ Er hielt wieder inne. Seine Miene erſchreckte mich. Ich hatte ſie nie an ihm geſehen. „Der Elendeſte unter dem Volk fing er wie¬ der an, oder der nächſte Prinz am Throne! Das iſt ganz daſſelbe. Es giebt nur einen Unter¬ ſchied unter den Menſchen — Gehorchen und Herrſchen!“ Er ſah noch einmal in den Brief. „Sie haben den Menſchen geſehen, fuhr er fort, der ſich unterſtehen darf, mir dieſes zu ſchrei¬ ben. Würden Sie ihn auf der Straße grüßen, wenn ihn das Schickſal nicht zu Ihrem Herrn ge¬ macht hätte? Bey Gott! Es iſt etwas großes um eine Krone!“ In dieſem Ton ging es weiter, und es fielen Reden, die ich keinem Brief anvertrauen darf. Aber bey dieſer Gelegenheit entdeckte mir der Prinz einen Umſtand, der mich in nicht geringes Erſtau¬ nen N 5

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/209>, abgerufen am 28.11.2024.