Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Reservecorps unter Hendersons, eines Schottländers, Kommando.

Also gerüstet erwartete man die blutige Morgenröthe, um einen Kampf zu beginnen, den mehr der lange Aufschub als die Wichtigkeit der möglichen Folgen, mehr die Auswahl als die Anzahl der Truppen furchtbar und merkwürdig machten. Die gespannten Erwartungen Europens, die man im Lager vor Nürnberg hinterging, sollten nun in den Ebenen Lützens befriedigt werden. Zwey solche Feldherrn, so gleich an Ansehen, an Ruhm und an Fähigkeit, hatten im ganzen Laufe dieses Kriegs noch in keiner offenbaren Schlacht ihre Kräfte gemessen, eine so hohe Wette noch nie die Kühnheit geschreckt, ein so wichtiger Preis noch nie die Hoffnung begeistert. Der morgende Tag sollte Europa seinen ersten Kriegsfürsten kennen lehren, und einen Ueberwinder dem nie überwundenen geben. Ob am Lechstrom und bey Leipzig Gustav Adolphs Genie, oder nur die Ungeschicklichkeit seines Gegners den Ausschlag bestimmte, mußte der morgende Tag außer Zweifel setzen. Morgen mußte Friedlands Verdienst die Wahl des Kaisers rechtfertigen, und die Größe des Mannes die Größe des Preises aufwägen, um den er erkauft worden war. Eifersüchtig theilte jeder einzelne Mann im Heer seines Führers Ruhm, und unter jedem Harnische wechselten die Gefühle, die den Busen der Generale durchflammten. Zweifelhaft war der Sieg, gewiß die Arbeit und das Blut, das er dem Ueberwinder wie dem Ueberwundenen kosten mußte. Man kannte den Feind vollkommen, dem man jetzt gegenüber stand, und die Bangigkeit, die man vergeblich bekämpfte, zeugte glorreich für seine Stärke.

Finsterniß bedeckt noch die schweigende Ebene, und der zögernde Morgen gibt der Furcht eine grauenvolle Frist, alle Schrecken des vor ihr ausgebreiteten Grabes zu zergliedern und den vollen Kelch des Entsetzens auszuleeren. Schwer liegt über

ein Reservecorps unter Hendersons, eines Schottländers, Kommando.

Also gerüstet erwartete man die blutige Morgenröthe, um einen Kampf zu beginnen, den mehr der lange Aufschub als die Wichtigkeit der möglichen Folgen, mehr die Auswahl als die Anzahl der Truppen furchtbar und merkwürdig machten. Die gespannten Erwartungen Europens, die man im Lager vor Nürnberg hinterging, sollten nun in den Ebenen Lützens befriedigt werden. Zwey solche Feldherrn, so gleich an Ansehen, an Ruhm und an Fähigkeit, hatten im ganzen Laufe dieses Kriegs noch in keiner offenbaren Schlacht ihre Kräfte gemessen, eine so hohe Wette noch nie die Kühnheit geschreckt, ein so wichtiger Preis noch nie die Hoffnung begeistert. Der morgende Tag sollte Europa seinen ersten Kriegsfürsten kennen lehren, und einen Ueberwinder dem nie überwundenen geben. Ob am Lechstrom und bey Leipzig Gustav Adolphs Genie, oder nur die Ungeschicklichkeit seines Gegners den Ausschlag bestimmte, mußte der morgende Tag außer Zweifel setzen. Morgen mußte Friedlands Verdienst die Wahl des Kaisers rechtfertigen, und die Größe des Mannes die Größe des Preises aufwägen, um den er erkauft worden war. Eifersüchtig theilte jeder einzelne Mann im Heer seines Führers Ruhm, und unter jedem Harnische wechselten die Gefühle, die den Busen der Generale durchflammten. Zweifelhaft war der Sieg, gewiß die Arbeit und das Blut, das er dem Ueberwinder wie dem Ueberwundenen kosten mußte. Man kannte den Feind vollkommen, dem man jetzt gegenüber stand, und die Bangigkeit, die man vergeblich bekämpfte, zeugte glorreich für seine Stärke.

Finsterniß bedeckt noch die schweigende Ebene, und der zögernde Morgen gibt der Furcht eine grauenvolle Frist, alle Schrecken des vor ihr ausgebreiteten Grabes zu zergliedern und den vollen Kelch des Entsetzens auszuleeren. Schwer liegt über

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0343" n="335"/>
ein Reservecorps           unter Hendersons, eines Schottländers, Kommando.</p>
        <p>Also gerüstet erwartete man die blutige Morgenröthe, um einen Kampf zu beginnen, den mehr           der lange Aufschub als die Wichtigkeit der möglichen Folgen, mehr die Auswahl als die           Anzahl der Truppen furchtbar und merkwürdig machten. Die gespannten Erwartungen Europens,           die man im Lager vor <placeName>Nürnberg</placeName> hinterging, sollten nun in den Ebenen <placeName>Lützens</placeName> befriedigt           werden. Zwey solche Feldherrn, so gleich an Ansehen, an Ruhm und an Fähigkeit, hatten im           ganzen Laufe dieses Kriegs noch in keiner offenbaren Schlacht ihre Kräfte gemessen, eine           so hohe Wette noch nie die Kühnheit geschreckt, ein so wichtiger Preis noch nie die           Hoffnung begeistert. Der morgende Tag sollte <placeName>Europa</placeName> seinen ersten Kriegsfürsten kennen           lehren, und einen Ueberwinder dem nie überwundenen geben. Ob am <placeName>Lechstrom</placeName> und bey <placeName>Leipzig</placeName>           <persName>Gustav Adolphs</persName> Genie, oder nur die Ungeschicklichkeit seines Gegners den Ausschlag           bestimmte, mußte der morgende Tag außer Zweifel setzen. Morgen mußte Friedlands Verdienst           die Wahl des Kaisers rechtfertigen, und die Größe des Mannes die Größe des Preises           aufwägen, um den er erkauft worden war. Eifersüchtig theilte jeder einzelne Mann im Heer           seines Führers Ruhm, und unter jedem Harnische wechselten die Gefühle, die den Busen der           Generale durchflammten. <hi rendition="#g">Zweifelhaft</hi> war der Sieg, <hi rendition="#g">gewiß</hi> die Arbeit und das Blut, das er dem Ueberwinder wie dem           Ueberwundenen kosten mußte. Man <hi rendition="#g">kannte</hi> den Feind vollkommen, dem           man jetzt gegenüber stand, und die Bangigkeit, die man vergeblich bekämpfte, zeugte           glorreich für seine Stärke.</p>
        <p>Finsterniß bedeckt noch die schweigende Ebene, und der zögernde Morgen gibt der Furcht           eine grauenvolle Frist, alle Schrecken des vor ihr ausgebreiteten Grabes zu zergliedern           und den vollen Kelch des Entsetzens auszuleeren. Schwer liegt über
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0343] ein Reservecorps unter Hendersons, eines Schottländers, Kommando. Also gerüstet erwartete man die blutige Morgenröthe, um einen Kampf zu beginnen, den mehr der lange Aufschub als die Wichtigkeit der möglichen Folgen, mehr die Auswahl als die Anzahl der Truppen furchtbar und merkwürdig machten. Die gespannten Erwartungen Europens, die man im Lager vor Nürnberg hinterging, sollten nun in den Ebenen Lützens befriedigt werden. Zwey solche Feldherrn, so gleich an Ansehen, an Ruhm und an Fähigkeit, hatten im ganzen Laufe dieses Kriegs noch in keiner offenbaren Schlacht ihre Kräfte gemessen, eine so hohe Wette noch nie die Kühnheit geschreckt, ein so wichtiger Preis noch nie die Hoffnung begeistert. Der morgende Tag sollte Europa seinen ersten Kriegsfürsten kennen lehren, und einen Ueberwinder dem nie überwundenen geben. Ob am Lechstrom und bey Leipzig Gustav Adolphs Genie, oder nur die Ungeschicklichkeit seines Gegners den Ausschlag bestimmte, mußte der morgende Tag außer Zweifel setzen. Morgen mußte Friedlands Verdienst die Wahl des Kaisers rechtfertigen, und die Größe des Mannes die Größe des Preises aufwägen, um den er erkauft worden war. Eifersüchtig theilte jeder einzelne Mann im Heer seines Führers Ruhm, und unter jedem Harnische wechselten die Gefühle, die den Busen der Generale durchflammten. Zweifelhaft war der Sieg, gewiß die Arbeit und das Blut, das er dem Ueberwinder wie dem Ueberwundenen kosten mußte. Man kannte den Feind vollkommen, dem man jetzt gegenüber stand, und die Bangigkeit, die man vergeblich bekämpfte, zeugte glorreich für seine Stärke. Finsterniß bedeckt noch die schweigende Ebene, und der zögernde Morgen gibt der Furcht eine grauenvolle Frist, alle Schrecken des vor ihr ausgebreiteten Grabes zu zergliedern und den vollen Kelch des Entsetzens auszuleeren. Schwer liegt über

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/343
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/343>, abgerufen am 22.11.2024.