Schiller, Friedrich: Die Räuber. [Stuttgart], Frankfurt u. a., 1781.Die Räuber, Amalia. Oh sie hätten ihn so lieb gehabt -- es war so viel, so viel in seinem Angesicht -- in seinen Augen -- im Ton seiner Stimme, das ih- nen so gleich kommt -- das ich so liebe -- Moor sieht zur Erde. Amalia. Hier, wo sie stehen, stand er tausend- mal -- und neben ihm die, die neben ihm Him- mel und Erde vergas -- hier durchirrte sein Aug die um ihn prangende Gegend -- sie schien den grosen belohnenden Blik zu empfinden, und sich unter dem Wohlgefallen ihres Meisterbilds zu ver- schönern -- hier hielt er mit himmlischer Mu- sik die Hörer der Lüfte gefangen -- hier an die- sem Busch pflückte er Rosen, und pflückte die Ro- sen für mich -- hier hier lag er an meinem Halse, brannte sein Mund auf dem meinen, und die Blu- men starben gern unter der Liebenden Fustritt -- Moor. Er ist nicht mehr? Amalia. Er seegelt auf ungestümmen Meeren -- Amalias Liebe seegelt mit ihm -- er wandelt durch ungebahnte sandigte Wüsten -- Amalias Lie- be macht den brennenden Sand unter ihm grü- nen, und die wilden Gesträuche blühen -- der Mittag sengt sein entblößtes Haupt, nordischer Schnee schrumpft seine Sohlen zusammen, stürmi- scher Hagel regnet um seine Schläfe, und Amalias Liebe wiegt ihn in Stürmen ein -- Meere und Berge und Horizonte zwischen den Liebenden -- aber
Die Raͤuber, Amalia. Oh ſie haͤtten ihn ſo lieb gehabt — es war ſo viel, ſo viel in ſeinem Angeſicht — in ſeinen Augen — im Ton ſeiner Stimme, das ih- nen ſo gleich kommt — das ich ſo liebe — Moor ſieht zur Erde. Amalia. Hier, wo ſie ſtehen, ſtand er tauſend- mal — und neben ihm die, die neben ihm Him- mel und Erde vergas — hier durchirrte ſein Aug die um ihn prangende Gegend — ſie ſchien den groſen belohnenden Blik zu empfinden, und ſich unter dem Wohlgefallen ihres Meiſterbilds zu ver- ſchoͤnern — hier hielt er mit himmliſcher Mu- ſik die Hoͤrer der Luͤfte gefangen — hier an die- ſem Buſch pfluͤckte er Roſen, und pfluͤckte die Ro- ſen fuͤr mich — hier hier lag er an meinem Halſe, brannte ſein Mund auf dem meinen, und die Blu- men ſtarben gern unter der Liebenden Fustritt — Moor. Er iſt nicht mehr? Amalia. Er ſeegelt auf ungeſtuͤmmen Meeren — Amalias Liebe ſeegelt mit ihm — er wandelt durch ungebahnte ſandigte Wuͤſten — Amalias Lie- be macht den brennenden Sand unter ihm gruͤ- nen, und die wilden Geſtraͤuche bluͤhen — der Mittag ſengt ſein entbloͤßtes Haupt, nordiſcher Schnee ſchrumpft ſeine Sohlen zuſammen, ſtuͤrmi- ſcher Hagel regnet um ſeine Schlaͤfe, und Amalias Liebe wiegt ihn in Stuͤrmen ein — Meere und Berge und Horizonte zwiſchen den Liebenden — aber
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Die Raͤuber,
Amalia. Oh ſie haͤtten ihn ſo lieb gehabt —
es war ſo viel, ſo viel in ſeinem Angeſicht — in
ſeinen Augen — im Ton ſeiner Stimme, das ih-
nen ſo gleich kommt — das ich ſo liebe —
Moor ſieht zur Erde.
Amalia. Hier, wo ſie ſtehen, ſtand er tauſend-
mal — und neben ihm die, die neben ihm Him-
mel und Erde vergas — hier durchirrte ſein Aug
die um ihn prangende Gegend — ſie ſchien den
groſen belohnenden Blik zu empfinden, und ſich
unter dem Wohlgefallen ihres Meiſterbilds zu ver-
ſchoͤnern — hier hielt er mit himmliſcher Mu-
ſik die Hoͤrer der Luͤfte gefangen — hier an die-
ſem Buſch pfluͤckte er Roſen, und pfluͤckte die Ro-
ſen fuͤr mich — hier hier lag er an meinem Halſe,
brannte ſein Mund auf dem meinen, und die Blu-
men ſtarben gern unter der Liebenden Fustritt —
Moor. Er iſt nicht mehr?
Amalia. Er ſeegelt auf ungeſtuͤmmen Meeren
— Amalias Liebe ſeegelt mit ihm — er wandelt
durch ungebahnte ſandigte Wuͤſten — Amalias Lie-
be macht den brennenden Sand unter ihm gruͤ-
nen, und die wilden Geſtraͤuche bluͤhen — der
Mittag ſengt ſein entbloͤßtes Haupt, nordiſcher
Schnee ſchrumpft ſeine Sohlen zuſammen, ſtuͤrmi-
ſcher Hagel regnet um ſeine Schlaͤfe, und Amalias
Liebe wiegt ihn in Stuͤrmen ein — Meere und
Berge und Horizonte zwiſchen den Liebenden —
aber
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