Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801. Maria. Er schickt sie durch ein Wunder seiner Allmacht! Mortimer. Erlaubt, daß ich von mir beginne. Maria. Redet, Sir! Mortimer. Ich zählte zwanzig Jahre, Königin, In strengen Pflichten war ich aufgewachsen, In finsterm Haß des Pabstthums aufgesäugt, Als mich die unbezwingliche Begierde Hinaus trieb auf das feste Land. Ich ließ Der Puritaner dumpfe Predigtstuben, Die Heimat hinter mir, in schnellem Lauf Durchzog ich Frankreich, das gepriesene Italien mit heißem Wunsche suchend. Es war die Zeit des großen Kirchenfests, Von Pilgerschaaren wimmelten die Wege, Bekränzt war jedes Gottesbild, es war, Als ob die Menschheit auf der Wandrung wäre, Wallfahrend nach dem Himmelreich -- Mich selbst Ergriff der Strom der glaubenvollen Menge, Und riß mich in das Weichbild Roms -- Wie ward mir, Königin! Als mir der Säulen Pracht und Siegesbogen, Maria. Er ſchickt ſie durch ein Wunder ſeiner Allmacht! Mortimer. Erlaubt, daß ich von mir beginne. Maria. Redet, Sir! Mortimer. Ich zaͤhlte zwanzig Jahre, Koͤnigin, In ſtrengen Pflichten war ich aufgewachſen, In finſterm Haß des Pabſtthums aufgeſaͤugt, Als mich die unbezwingliche Begierde Hinaus trieb auf das feſte Land. Ich ließ Der Puritaner dumpfe Predigtſtuben, Die Heimat hinter mir, in ſchnellem Lauf Durchzog ich Frankreich, das geprieſene Italien mit heißem Wunſche ſuchend. Es war die Zeit des großen Kirchenfeſts, Von Pilgerſchaaren wimmelten die Wege, Bekraͤnzt war jedes Gottesbild, es war, Als ob die Menſchheit auf der Wandrung waͤre, Wallfahrend nach dem Himmelreich — Mich ſelbſt Ergriff der Strom der glaubenvollen Menge, Und riß mich in das Weichbild Roms — Wie ward mir, Koͤnigin! Als mir der Saͤulen Pracht und Siegesbogen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0034" n="28"/> <sp who="#MARSTUA"> <speaker><hi rendition="#g">Maria</hi>.</speaker><lb/> <p>Er ſchickt ſie durch ein Wunder ſeiner Allmacht!</p><lb/> </sp> <sp who="#MOR"> <speaker><hi rendition="#g">Mortimer</hi>.</speaker><lb/> <p>Erlaubt, daß ich von mir beginne.</p><lb/> </sp> <sp who="#MARSTUA"> <speaker><hi rendition="#g">Maria</hi>.</speaker><lb/> <p>Redet, Sir!</p><lb/> </sp> <sp who="#MOR"> <speaker><hi rendition="#g">Mortimer</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich zaͤhlte zwanzig Jahre, Koͤnigin,<lb/> In ſtrengen Pflichten war ich aufgewachſen,<lb/> In finſterm Haß des Pabſtthums aufgeſaͤugt,<lb/> Als mich die unbezwingliche Begierde<lb/> Hinaus trieb auf das feſte Land. Ich ließ<lb/> Der Puritaner dumpfe Predigtſtuben,<lb/> Die Heimat hinter mir, in ſchnellem Lauf<lb/> Durchzog ich Frankreich, das geprieſene<lb/> Italien mit heißem Wunſche ſuchend.</p><lb/> <p>Es war die Zeit des großen Kirchenfeſts,<lb/> Von Pilgerſchaaren wimmelten die Wege,<lb/> Bekraͤnzt war jedes Gottesbild, es war,<lb/> Als ob die Menſchheit auf der Wandrung waͤre,<lb/> Wallfahrend nach dem Himmelreich — Mich ſelbſt<lb/> Ergriff der Strom der glaubenvollen Menge,<lb/> Und riß mich in das Weichbild Roms —</p><lb/> <p>Wie ward mir, Koͤnigin!<lb/> Als mir der Saͤulen Pracht und Siegesbogen,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0034]
Maria.
Er ſchickt ſie durch ein Wunder ſeiner Allmacht!
Mortimer.
Erlaubt, daß ich von mir beginne.
Maria.
Redet, Sir!
Mortimer.
Ich zaͤhlte zwanzig Jahre, Koͤnigin,
In ſtrengen Pflichten war ich aufgewachſen,
In finſterm Haß des Pabſtthums aufgeſaͤugt,
Als mich die unbezwingliche Begierde
Hinaus trieb auf das feſte Land. Ich ließ
Der Puritaner dumpfe Predigtſtuben,
Die Heimat hinter mir, in ſchnellem Lauf
Durchzog ich Frankreich, das geprieſene
Italien mit heißem Wunſche ſuchend.
Es war die Zeit des großen Kirchenfeſts,
Von Pilgerſchaaren wimmelten die Wege,
Bekraͤnzt war jedes Gottesbild, es war,
Als ob die Menſchheit auf der Wandrung waͤre,
Wallfahrend nach dem Himmelreich — Mich ſelbſt
Ergriff der Strom der glaubenvollen Menge,
Und riß mich in das Weichbild Roms —
Wie ward mir, Koͤnigin!
Als mir der Saͤulen Pracht und Siegesbogen,
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