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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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Aber es schrie die Nymphe: Was thatest du mir an dem Knaben,

Hohe? Der Freundschaft Bund, Göttinnen, ehrt ihr ihn so?

85. Mir zu entreißen des Sohnes Gesicht! Du hast Athenaea's,

Mein unglückliches Kind, Hüften und Brüste gesehn,

Aber du schauest die Sonne nicht mehr. O wehe mir Armen!

Helikon! künftig von mir nimmer betretnes Gebirg!

Kleines vergiltst du mit Großem fürwahr: um wen'ge Gazellen,

90. Wenige Rehe gebracht, nimmst du die Augen des Sohns.

So den geliebten Knaben mit beyden Armen umschlingend,

Hob die Mutter nun an, weinend, das Jammergetön

Klagender Nachtigallen. Und ihrer Genossin erbarmte

Gleich sich die Göttin, und sprach tröstende Worte zu ihr:

95. Herrliches Weib, nimm alles zurück, so viel du im Zorne

Vorgebracht, nicht ich habe geblendet dein Kind.

Jst es ja doch Athenaeen nicht süß, die Augen der Knaben

Weg zu rauben; doch so saget des Kronos Gesetz:

Aber es schrie die Nymphe: Was thatest du mir an dem Knaben,

Hohe? Der Freundschaft Bund, Goͤttinnen, ehrt ihr ihn so?

85. Mir zu entreißen des Sohnes Gesicht! Du hast Athenaea's,

Mein ungluͤckliches Kind, Huͤften und Bruͤste gesehn,

Aber du schauest die Sonne nicht mehr. O wehe mir Armen!

Helikon! kuͤnftig von mir nimmer betretnes Gebirg!

Kleines vergiltst du mit Großem fuͤrwahr: um wen'ge Gazellen,

90. Wenige Rehe gebracht, nimmst du die Augen des Sohns.

So den geliebten Knaben mit beyden Armen umschlingend,

Hob die Mutter nun an, weinend, das Jammergetoͤn

Klagender Nachtigallen. Und ihrer Genossin erbarmte

Gleich sich die Goͤttin, und sprach troͤstende Worte zu ihr:

95. Herrliches Weib, nimm alles zuruͤck, so viel du im Zorne

Vorgebracht, nicht ich habe geblendet dein Kind.

Jst es ja doch Athenaeen nicht suͤß, die Augen der Knaben

Weg zu rauben; doch so saget des Kronos Gesetz:

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[136/0147] Aber es schrie die Nymphe: Was thatest du mir an dem Knaben, Hohe? Der Freundschaft Bund, Goͤttinnen, ehrt ihr ihn so? 85. Mir zu entreißen des Sohnes Gesicht! Du hast Athenaea's, Mein ungluͤckliches Kind, Huͤften und Bruͤste gesehn, Aber du schauest die Sonne nicht mehr. O wehe mir Armen! Helikon! kuͤnftig von mir nimmer betretnes Gebirg! Kleines vergiltst du mit Großem fuͤrwahr: um wen'ge Gazellen, 90. Wenige Rehe gebracht, nimmst du die Augen des Sohns. So den geliebten Knaben mit beyden Armen umschlingend, Hob die Mutter nun an, weinend, das Jammergetoͤn Klagender Nachtigallen. Und ihrer Genossin erbarmte Gleich sich die Goͤttin, und sprach troͤstende Worte zu ihr: 95. Herrliches Weib, nimm alles zuruͤck, so viel du im Zorne Vorgebracht, nicht ich habe geblendet dein Kind. Jst es ja doch Athenaeen nicht suͤß, die Augen der Knaben Weg zu rauben; doch so saget des Kronos Gesetz:

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/147>, abgerufen am 17.05.2024.