Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Triebe des Gebens; damit lockt er seine Thränen hervor, damit beruhigt er die zerrütteten Gemüther. Was darüber ist, bleibt doch nur die trockne Moral der Fabel. Denn freylich weiß er wohl, daß sonst noch Heroismus, Thätigkeit, Wissenschaft, Bildung, Mäßigung dazu gehören kann, aber da er die letzte niemals übt, so kommt das alles bey ihm heraus, wie die Beschreibung von ungeheuren Thaten der Tapferkeit, wo Einer ganze Haufen in die Flucht jagt oder niedermacht. Jst so ein Held einmal im Siegen, so weiß man auch schon, er wird ohne Wunde davon kommen. Sich aufopfern, sich beherrschen u.s.w. ist leicht gesagt; es kommt nur darauf an, zu zeigen, wie das geschah, und dann kann Ein Zug mehr werth seyn wie hundert. Lafontaine scheint aber so fest überzeugt, daß in allen Dingen viel mehr thut wie wenig, als er es in Bücherfabrik-Angelegenheiten seyn darf. Selbst die Fehler und Thorheiten, mit denen er den Schwall der Tugenden versetzt, vermögen sie nicht zu würzen, und eben so wenig ein recht natürliches Konterfey des Menschen hervorzubringen, als diese ein idealisches. Jm Verlauf seiner Schriftstellerbahn ist er auf mehre Auswege verfallen. Er hat etwa eine launige und antithetische Karakterzeichnung zu Hülfe genommen, oder sich an fremden Mustern erwärmt. St. Julien gründet sich auf den Landpriester von Wakefield, im Flaming ist etwas Siegfried von Lindenberg, zu Anfang von Natur und Buhlerey schimmert viel guter Wille den Werther zu machen hindurch, und Triebe des Gebens; damit lockt er seine Thraͤnen hervor, damit beruhigt er die zerruͤtteten Gemuͤther. Was daruͤber ist, bleibt doch nur die trockne Moral der Fabel. Denn freylich weiß er wohl, daß sonst noch Heroismus, Thaͤtigkeit, Wissenschaft, Bildung, Maͤßigung dazu gehoͤren kann, aber da er die letzte niemals uͤbt, so kommt das alles bey ihm heraus, wie die Beschreibung von ungeheuren Thaten der Tapferkeit, wo Einer ganze Haufen in die Flucht jagt oder niedermacht. Jst so ein Held einmal im Siegen, so weiß man auch schon, er wird ohne Wunde davon kommen. Sich aufopfern, sich beherrschen u.s.w. ist leicht gesagt; es kommt nur darauf an, zu zeigen, wie das geschah, und dann kann Ein Zug mehr werth seyn wie hundert. Lafontaine scheint aber so fest uͤberzeugt, daß in allen Dingen viel mehr thut wie wenig, als er es in Buͤcherfabrik-Angelegenheiten seyn darf. Selbst die Fehler und Thorheiten, mit denen er den Schwall der Tugenden versetzt, vermoͤgen sie nicht zu wuͤrzen, und eben so wenig ein recht natuͤrliches Konterfey des Menschen hervorzubringen, als diese ein idealisches. Jm Verlauf seiner Schriftstellerbahn ist er auf mehre Auswege verfallen. Er hat etwa eine launige und antithetische Karakterzeichnung zu Huͤlfe genommen, oder sich an fremden Mustern erwaͤrmt. St. Julien gruͤndet sich auf den Landpriester von Wakefield, im Flaming ist etwas Siegfried von Lindenberg, zu Anfang von Natur und Buhlerey schimmert viel guter Wille den Werther zu machen hindurch, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0170" n="159"/> Triebe des Gebens; damit lockt er seine Thraͤnen hervor, damit beruhigt er die zerruͤtteten Gemuͤther. Was daruͤber ist, bleibt doch nur die trockne Moral der Fabel. Denn freylich weiß er wohl, daß sonst noch Heroismus, Thaͤtigkeit, Wissenschaft, Bildung, Maͤßigung dazu gehoͤren kann, aber da er die letzte niemals uͤbt, so kommt das alles bey ihm heraus, wie die Beschreibung von ungeheuren Thaten der Tapferkeit, wo Einer ganze Haufen in die Flucht jagt oder niedermacht. Jst so ein Held einmal im Siegen, so weiß man auch schon, er wird ohne Wunde davon kommen. Sich aufopfern, sich beherrschen u.s.w. ist leicht gesagt; es kommt nur darauf an, zu zeigen, wie das geschah, und dann kann Ein Zug mehr werth seyn wie hundert. Lafontaine scheint aber so fest uͤberzeugt, daß in allen Dingen viel mehr thut wie wenig, als er es in Buͤcherfabrik-Angelegenheiten seyn darf. Selbst die Fehler und Thorheiten, mit denen er den Schwall der Tugenden versetzt, vermoͤgen sie nicht zu wuͤrzen, und eben so wenig ein recht natuͤrliches Konterfey des Menschen hervorzubringen, als diese ein idealisches.</p><lb/> <p>Jm Verlauf seiner Schriftstellerbahn ist er auf mehre Auswege verfallen. Er hat etwa eine launige und antithetische Karakterzeichnung zu Huͤlfe genommen, oder sich an fremden Mustern erwaͤrmt. St. Julien gruͤndet sich auf den Landpriester von Wakefield, im Flaming ist etwas Siegfried von Lindenberg, zu Anfang von Natur und Buhlerey schimmert viel guter Wille den Werther zu machen hindurch, und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [159/0170]
Triebe des Gebens; damit lockt er seine Thraͤnen hervor, damit beruhigt er die zerruͤtteten Gemuͤther. Was daruͤber ist, bleibt doch nur die trockne Moral der Fabel. Denn freylich weiß er wohl, daß sonst noch Heroismus, Thaͤtigkeit, Wissenschaft, Bildung, Maͤßigung dazu gehoͤren kann, aber da er die letzte niemals uͤbt, so kommt das alles bey ihm heraus, wie die Beschreibung von ungeheuren Thaten der Tapferkeit, wo Einer ganze Haufen in die Flucht jagt oder niedermacht. Jst so ein Held einmal im Siegen, so weiß man auch schon, er wird ohne Wunde davon kommen. Sich aufopfern, sich beherrschen u.s.w. ist leicht gesagt; es kommt nur darauf an, zu zeigen, wie das geschah, und dann kann Ein Zug mehr werth seyn wie hundert. Lafontaine scheint aber so fest uͤberzeugt, daß in allen Dingen viel mehr thut wie wenig, als er es in Buͤcherfabrik-Angelegenheiten seyn darf. Selbst die Fehler und Thorheiten, mit denen er den Schwall der Tugenden versetzt, vermoͤgen sie nicht zu wuͤrzen, und eben so wenig ein recht natuͤrliches Konterfey des Menschen hervorzubringen, als diese ein idealisches.
Jm Verlauf seiner Schriftstellerbahn ist er auf mehre Auswege verfallen. Er hat etwa eine launige und antithetische Karakterzeichnung zu Huͤlfe genommen, oder sich an fremden Mustern erwaͤrmt. St. Julien gruͤndet sich auf den Landpriester von Wakefield, im Flaming ist etwas Siegfried von Lindenberg, zu Anfang von Natur und Buhlerey schimmert viel guter Wille den Werther zu machen hindurch, und
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