Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Poesie. Schafft sie hinaus! Die Ungeschlachte gehört nicht in diesen gebildeten Kreis. Deutschheit. Bey Herrmanns Schatten! -- Franzose. O der erscheint längst nicht mehr! Grieche. Die Barbarin! fort mit ihr! Poesie. So hätten wir dann wieder Ruhe. Aber sage mir, Deutscher, welche Bewandniß hat es mit der Abstammung, deren sie sich rühmt? Deutscher. Es ist wohl nur eine von ihren Prahlereyen, denn du weißt ja: Von selbst weiß niemand wer ihn gezeuget. Bedenke, daß eine Stunde der überflüßigen Kraft noch ganz andern Geschöpfen das Daseyn gegeben hat. Auch wäre es unbillig ihm die Schuld ihres Betragens beyzumessen. Sie hatte zwar schon als Kind etwas von gezierter Männlichkeit und prunkhaftem Biedersinn an sich, aber erst durch die Erziehung der Jünger ist sie so leer und hochtrabend, und endlich, wie es den meisten Menschen geht, wenn sie nun recht ins bürgerliche Leben eintreten, platt geworden. Poesie. Von den Nachäffern laß uns nicht reden, aber selbst der Urheber hat einen schlimmen Mißgriff gethan. Die meisten Nazionen haben das Vorurtheil, sich höher als alle andern zu halten: wenn nun einmal eine es nicht hat, warum soll man es ihr mit Gewalt anschwatzen? Übrigens, wie stolz auch dieß vorsätzliche und unaufhörliche Erinnern an den Werth alles Deutschen klingt, so ist es doch etwas sehr demüthiges: denn es setzt voraus, das, woran man erinnert, sey so beschaffen, daß es gar leicht könnte vergessen werden. Poesie. Schafft sie hinaus! Die Ungeschlachte gehoͤrt nicht in diesen gebildeten Kreis. Deutschheit. Bey Herrmanns Schatten! — Franzose. O der erscheint laͤngst nicht mehr! Grieche. Die Barbarin! fort mit ihr! Poesie. So haͤtten wir dann wieder Ruhe. Aber sage mir, Deutscher, welche Bewandniß hat es mit der Abstammung, deren sie sich ruͤhmt? Deutscher. Es ist wohl nur eine von ihren Prahlereyen, denn du weißt ja: Von selbst weiß niemand wer ihn gezeuget. Bedenke, daß eine Stunde der uͤberfluͤßigen Kraft noch ganz andern Geschoͤpfen das Daseyn gegeben hat. Auch waͤre es unbillig ihm die Schuld ihres Betragens beyzumessen. Sie hatte zwar schon als Kind etwas von gezierter Maͤnnlichkeit und prunkhaftem Biedersinn an sich, aber erst durch die Erziehung der Juͤnger ist sie so leer und hochtrabend, und endlich, wie es den meisten Menschen geht, wenn sie nun recht ins buͤrgerliche Leben eintreten, platt geworden. Poesie. Von den Nachaͤffern laß uns nicht reden, aber selbst der Urheber hat einen schlimmen Mißgriff gethan. Die meisten Nazionen haben das Vorurtheil, sich hoͤher als alle andern zu halten: wenn nun einmal eine es nicht hat, warum soll man es ihr mit Gewalt anschwatzen? Übrigens, wie stolz auch dieß vorsaͤtzliche und unaufhoͤrliche Erinnern an den Werth alles Deutschen klingt, so ist es doch etwas sehr demuͤthiges: denn es setzt voraus, das, woran man erinnert, sey so beschaffen, daß es gar leicht koͤnnte vergessen werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0018" n="7"/> <p><hi rendition="#g">Poesie</hi>. Schafft sie hinaus! Die <hi rendition="#u">U</hi>ngeschlachte gehoͤrt nicht in diesen gebildeten Kreis.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Deutschheit</hi>. Bey Herrmanns Schatten! — </p><lb/> <p><hi rendition="#g">Franzose</hi>. O der erscheint laͤngst nicht mehr!</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Grieche</hi>. Die Barbarin! fort mit ihr!</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Poesie</hi>. So haͤtten wir dann wieder Ruhe. Aber sage mir, Deutscher, welche Bewandniß hat es mit der Abstammung, deren sie sich ruͤhmt?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Deutscher</hi>. Es ist wohl nur eine von ihren Prahlereyen, denn du weißt ja: Von selbst weiß niemand wer ihn gezeuget. Bedenke, daß eine Stunde der uͤberfluͤßigen Kraft noch ganz andern Geschoͤpfen das Daseyn gegeben hat. Auch waͤre es unbillig ihm die Schuld ihres Betragens beyzumessen. Sie hatte zwar schon als Kind etwas von <hi rendition="#u">g</hi>ezierter Maͤnnlichkeit und prunkhaftem <hi rendition="#u">B</hi>iedersinn an sich, aber erst durch die Erziehung der Juͤnger ist sie so leer und hochtrabend, und endlich, wie es den meisten Menschen geht, wenn sie nun recht ins buͤrgerliche Leben eintreten, platt geworden.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Poesie</hi>. Von den Nachaͤffern laß uns nicht reden, aber selbst der Urheber hat einen schlimmen Mißgriff gethan. Die meisten Nazionen haben das Vorurtheil, sich hoͤher als alle andern zu halten: wenn nun einmal eine es nicht hat, warum soll man es ihr mit Gewalt <hi rendition="#u">a</hi>nschwatzen? Übrigens, wie stolz auch dieß vorsaͤtzliche und unaufhoͤrliche Erinnern an den Werth alles Deutschen klingt, so ist es doch etwas sehr demuͤthiges: denn es setzt voraus, das, woran man erinnert, sey so beschaffen, daß es gar leicht koͤnnte vergessen werden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0018]
Poesie. Schafft sie hinaus! Die Ungeschlachte gehoͤrt nicht in diesen gebildeten Kreis.
Deutschheit. Bey Herrmanns Schatten! —
Franzose. O der erscheint laͤngst nicht mehr!
Grieche. Die Barbarin! fort mit ihr!
Poesie. So haͤtten wir dann wieder Ruhe. Aber sage mir, Deutscher, welche Bewandniß hat es mit der Abstammung, deren sie sich ruͤhmt?
Deutscher. Es ist wohl nur eine von ihren Prahlereyen, denn du weißt ja: Von selbst weiß niemand wer ihn gezeuget. Bedenke, daß eine Stunde der uͤberfluͤßigen Kraft noch ganz andern Geschoͤpfen das Daseyn gegeben hat. Auch waͤre es unbillig ihm die Schuld ihres Betragens beyzumessen. Sie hatte zwar schon als Kind etwas von gezierter Maͤnnlichkeit und prunkhaftem Biedersinn an sich, aber erst durch die Erziehung der Juͤnger ist sie so leer und hochtrabend, und endlich, wie es den meisten Menschen geht, wenn sie nun recht ins buͤrgerliche Leben eintreten, platt geworden.
Poesie. Von den Nachaͤffern laß uns nicht reden, aber selbst der Urheber hat einen schlimmen Mißgriff gethan. Die meisten Nazionen haben das Vorurtheil, sich hoͤher als alle andern zu halten: wenn nun einmal eine es nicht hat, warum soll man es ihr mit Gewalt anschwatzen? Übrigens, wie stolz auch dieß vorsaͤtzliche und unaufhoͤrliche Erinnern an den Werth alles Deutschen klingt, so ist es doch etwas sehr demuͤthiges: denn es setzt voraus, das, woran man erinnert, sey so beschaffen, daß es gar leicht koͤnnte vergessen werden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |