Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.leise herüberhallen. Es ist der romantische Ausdruck der wahrsten Jnnigkeit, schlicht und fantastisch zugleich. Um mehr als alles bisher gesagte in eins zusammenzufassen: ich weiß nicht, wer außer Goethen unter uns ähnliche Lieder gedichtet hätte. Wenn man nun dazu und zu der Nachbildung der Goetheschen Poesie hinzunimmt, daß Tieck nach dem Beyspiele desselben Meisters in dem Prolog die Hans-Sachsische Manier glücklich genug auf neuere Gegenstände angewendet, so sieht man, daß er sein Vorbild eben so wenig einseitig gefaßt hat, als er ihm ohne selbständige Aneignung nachgefolgt ist. Er verbindet damit ein tiefes und vertrautes Studium Shakspeare's (für den Goethe ein neues Medium der Erkenntniß geworden ist; so daß nun von beyden gemeinschaftlich eine Dichterschule ausgehn kann) und eben das, was ihn für die Entwickelung seiner Anlagen so richtig leitete, läßt hoffen, daß er sie auch vor ungünstigen Einflüssen zu bewahren wissen wird. Seine Einbildungskraft, die sich im William Lolelv zum Theil in trüben Fantomen herumtrieb und ihre Flüge verschwendete, ist seitdem auffallend zu größerer Heiterkeit und Klarheit hindurchgedrungen. Das Trauerspiel Karl von Bernek und sonst hie und da Spuren von Gewölk gehören nach dem ersten Morgennebel an. Jn jenem weniger das Einzelne als die Kraftlosigkeit des Ganzen. Man schreibt freylich die Trauerspiele nicht so obenhin: in dieser Gattung artet allzugroße Leichtigkeit unfehlbar in Oberflächlichkeit aus. leise heruͤberhallen. Es ist der romantische Ausdruck der wahrsten Jnnigkeit, schlicht und fantastisch zugleich. Um mehr als alles bisher gesagte in eins zusammenzufassen: ich weiß nicht, wer außer Goethen unter uns aͤhnliche Lieder gedichtet haͤtte. Wenn man nun dazu und zu der Nachbildung der Goetheschen Poesie hinzunimmt, daß Tieck nach dem Beyspiele desselben Meisters in dem Prolog die Hans-Sachsische Manier gluͤcklich genug auf neuere Gegenstaͤnde angewendet, so sieht man, daß er sein Vorbild eben so wenig einseitig gefaßt hat, als er ihm ohne selbstaͤndige Aneignung nachgefolgt ist. Er verbindet damit ein tiefes und vertrautes Studium Shakspeare's (fuͤr den Goethe ein neues Medium der Erkenntniß geworden ist; so daß nun von beyden gemeinschaftlich eine Dichterschule ausgehn kann) und eben das, was ihn fuͤr die Entwickelung seiner Anlagen so richtig leitete, laͤßt hoffen, daß er sie auch vor unguͤnstigen Einfluͤssen zu bewahren wissen wird. Seine Einbildungskraft, die sich im William Lolelv zum Theil in truͤben Fantomen herumtrieb und ihre Fluͤge verschwendete, ist seitdem auffallend zu groͤßerer Heiterkeit und Klarheit hindurchgedrungen. Das Trauerspiel Karl von Bernek und sonst hie und da Spuren von Gewoͤlk gehoͤren nach dem ersten Morgennebel an. Jn jenem weniger das Einzelne als die Kraftlosigkeit des Ganzen. Man schreibt freylich die Trauerspiele nicht so obenhin: in dieser Gattung artet allzugroße Leichtigkeit unfehlbar in Oberflaͤchlichkeit aus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0187" n="176"/> leise heruͤberhallen. Es ist der romantische Ausdruck der wahrsten Jnnigkeit, schlicht und fantastisch zugleich.</p><lb/> <p>Um mehr als alles bisher gesagte in eins zusammenzufassen: ich weiß nicht, wer außer Goethen unter uns aͤhnliche Lieder gedichtet haͤtte. Wenn man nun dazu und zu der Nachbildung der Goetheschen Poesie hinzunimmt, daß Tieck nach dem Beyspiele desselben Meisters in dem Prolog die Hans-Sachsische Manier gluͤcklich genug auf neuere Gegenstaͤnde angewendet, so sieht man, daß er sein Vorbild eben so wenig einseitig gefaßt hat, als er ihm ohne selbstaͤndige Aneignung nachgefolgt ist. Er verbindet damit ein tiefes und vertrautes Studium Shakspeare's (fuͤr den Goethe ein neues Medium der Erkenntniß geworden ist; so daß nun von beyden gemeinschaftlich eine Dichterschule ausgehn kann) und eben das, was ihn fuͤr die Entwickelung seiner Anlagen so richtig leitete, laͤßt hoffen, daß er sie auch vor unguͤnstigen Einfluͤssen zu bewahren wissen wird. Seine Einbildungskraft, die sich im <hi rendition="#g">William Lolelv</hi> zum Theil in truͤben Fantomen herumtrieb und ihre Fluͤge verschwendete, ist seitdem auffallend zu groͤßerer Heiterkeit und Klarheit hindurchgedrungen. Das Trauerspiel <hi rendition="#g">Karl von Bernek</hi> und sonst hie und da Spuren von Gewoͤlk gehoͤren nach dem ersten Morgennebel an. Jn jenem weniger das Einzelne als die Kraftlosigkeit des Ganzen. Man schreibt freylich die Trauerspiele nicht so obenhin: in dieser Gattung artet allzugroße Leichtigkeit unfehlbar in Oberflaͤchlichkeit aus.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [176/0187]
leise heruͤberhallen. Es ist der romantische Ausdruck der wahrsten Jnnigkeit, schlicht und fantastisch zugleich.
Um mehr als alles bisher gesagte in eins zusammenzufassen: ich weiß nicht, wer außer Goethen unter uns aͤhnliche Lieder gedichtet haͤtte. Wenn man nun dazu und zu der Nachbildung der Goetheschen Poesie hinzunimmt, daß Tieck nach dem Beyspiele desselben Meisters in dem Prolog die Hans-Sachsische Manier gluͤcklich genug auf neuere Gegenstaͤnde angewendet, so sieht man, daß er sein Vorbild eben so wenig einseitig gefaßt hat, als er ihm ohne selbstaͤndige Aneignung nachgefolgt ist. Er verbindet damit ein tiefes und vertrautes Studium Shakspeare's (fuͤr den Goethe ein neues Medium der Erkenntniß geworden ist; so daß nun von beyden gemeinschaftlich eine Dichterschule ausgehn kann) und eben das, was ihn fuͤr die Entwickelung seiner Anlagen so richtig leitete, laͤßt hoffen, daß er sie auch vor unguͤnstigen Einfluͤssen zu bewahren wissen wird. Seine Einbildungskraft, die sich im William Lolelv zum Theil in truͤben Fantomen herumtrieb und ihre Fluͤge verschwendete, ist seitdem auffallend zu groͤßerer Heiterkeit und Klarheit hindurchgedrungen. Das Trauerspiel Karl von Bernek und sonst hie und da Spuren von Gewoͤlk gehoͤren nach dem ersten Morgennebel an. Jn jenem weniger das Einzelne als die Kraftlosigkeit des Ganzen. Man schreibt freylich die Trauerspiele nicht so obenhin: in dieser Gattung artet allzugroße Leichtigkeit unfehlbar in Oberflaͤchlichkeit aus.
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