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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

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Grieche. Mir war nichts davon bewußt, ich habe es erst durch Klopstock erfahren.

Deutscher. "Schon Plato hat ja pur und andre solche zugleich Griechische und altdeutsche Worte aus dem Scythischen, dem ersten Quell des Deutschen, abgeleitet."

Grieche. Leitet der Philosoph nicht etwa auch das Wort Jronie aus dem Scythischen her? Die Stelle ist im Kratylus, wo Sokrates die etymologische Weisheit eines gewissen Eutyphro durch die wunderlichsten und drolligsten Ableitungen, immer unter dem Schein des Ernstes, zum Besten giebt. Bey allen unerhörten Gewaltthätigkeiten, die er sich mit den Wörtern erlaubt, behält er sich immer noch das Recht vor, wo er sich gar nicht weiter zu helfen weiß, vorzugeben, ein Wort sey barbarischen Ursprungs und er könne es also nicht erklären. Dieß thut er bey pur. Gesetzt aber er spräche im Ernste, so bewiese seine Aussage grade das Gegentheil von Verwandtschaft. Denn es wären ja nach ihm nur einige Scythische Wörter fremd in das Griechische gekommen, und zwar hauptsächlich "durch die unter den Barbaren wohnenden Hellenen."

Deutscher. Jhr verdankt eure erste Bildung dem Orpheus, "einem Getischen Druiden."

Grieche. Weil er ein Thracier heißt? Wanderte nicht auch der Thracier Thamyris im Pelopoponnesus umher? Durch jene Benennung wird Orpheus zu einer historischen Person gemacht, da er doch bloß eine mythische ist. Die Sage von ihm verdient

Grieche. Mir war nichts davon bewußt, ich habe es erst durch Klopstock erfahren.

Deutscher. „Schon Plato hat ja πῦρ und andre solche zugleich Griechische und altdeutsche Worte aus dem Scythischen, dem ersten Quell des Deutschen, abgeleitet.“

Grieche. Leitet der Philosoph nicht etwa auch das Wort Jronie aus dem Scythischen her? Die Stelle ist im Kratylus, wo Sokrates die etymologische Weisheit eines gewissen Eutyphro durch die wunderlichsten und drolligsten Ableitungen, immer unter dem Schein des Ernstes, zum Besten giebt. Bey allen unerhoͤrten Gewaltthaͤtigkeiten, die er sich mit den Woͤrtern erlaubt, behaͤlt er sich immer noch das Recht vor, wo er sich gar nicht weiter zu helfen weiß, vorzugeben, ein Wort sey barbarischen Ursprungs und er koͤnne es also nicht erklaͤren. Dieß thut er bey πῦρ. Gesetzt aber er spraͤche im Ernste, so bewiese seine Aussage grade das Gegentheil von Verwandtschaft. Denn es waͤren ja nach ihm nur einige Scythische Woͤrter fremd in das Griechische gekommen, und zwar hauptsaͤchlich „durch die unter den Barbaren wohnenden Hellenen.“

Deutscher. Jhr verdankt eure erste Bildung dem Orpheus, „einem Getischen Druiden.“

Grieche. Weil er ein Thracier heißt? Wanderte nicht auch der Thracier Thamyris im Pelopoponnesus umher? Durch jene Benennung wird Orpheus zu einer historischen Person gemacht, da er doch bloß eine mythische ist. Die Sage von ihm verdient

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[9/0020] Grieche. Mir war nichts davon bewußt, ich habe es erst durch Klopstock erfahren. Deutscher. „Schon Plato hat ja πῦρ und andre solche zugleich Griechische und altdeutsche Worte aus dem Scythischen, dem ersten Quell des Deutschen, abgeleitet.“ Grieche. Leitet der Philosoph nicht etwa auch das Wort Jronie aus dem Scythischen her? Die Stelle ist im Kratylus, wo Sokrates die etymologische Weisheit eines gewissen Eutyphro durch die wunderlichsten und drolligsten Ableitungen, immer unter dem Schein des Ernstes, zum Besten giebt. Bey allen unerhoͤrten Gewaltthaͤtigkeiten, die er sich mit den Woͤrtern erlaubt, behaͤlt er sich immer noch das Recht vor, wo er sich gar nicht weiter zu helfen weiß, vorzugeben, ein Wort sey barbarischen Ursprungs und er koͤnne es also nicht erklaͤren. Dieß thut er bey πῦρ. Gesetzt aber er spraͤche im Ernste, so bewiese seine Aussage grade das Gegentheil von Verwandtschaft. Denn es waͤren ja nach ihm nur einige Scythische Woͤrter fremd in das Griechische gekommen, und zwar hauptsaͤchlich „durch die unter den Barbaren wohnenden Hellenen.“ Deutscher. Jhr verdankt eure erste Bildung dem Orpheus, „einem Getischen Druiden.“ Grieche. Weil er ein Thracier heißt? Wanderte nicht auch der Thracier Thamyris im Pelopoponnesus umher? Durch jene Benennung wird Orpheus zu einer historischen Person gemacht, da er doch bloß eine mythische ist. Die Sage von ihm verdient

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/20>, abgerufen am 30.04.2024.