Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

verlohren gehn, und ein ganz verschiedenes Gemischtes daraus wird, und doch in Einer Sylbe, hören läßt?

Deutscher. Ganz und gar nicht.

Jtaliäner. Jch sehr gut: Euro, lauro, mai, voi.. Jn buono wird der letzte Vokal mehr gehört.

Grieche. Der Übergang des ai, ei, oi, in a, e, o, wäre bey deiner Aussprache unerklärlich. Wenn aber das, i dem vorangehenden Vokal leiser nachhallte, so mußte es bey seiner Verlängerung ganz verschwinden. Auch die Verwandlung von a u und e u in e u, und von a u in e o hätte dich auf den Argwohn bringen müssen, daß dir hier etwas verborgen wäre.

Deutscher. Aber wenn die Vokale in den Diphthongen schon abgesondert gehört wurden, wozu die Trennungspunkte, wenn eure Dichter sie in zwey Sylben auflösten?

Grieche. Du vergißst immer, daß unser Ohr auch feine Unterschiede wahrnahm. Selbst dieser Umstand konnte dir jene Vermuthung bestätigen: denn wie hätten die Dichter trennen dürfen, was so, wie durch eure Aussprache, vereinigt war?

Grammatik. Über das Zusammentreffen der Vokale weichen die Urtheile ab. Einige Völker lieben es, andre halten es für weichlich oder hart, und vermeiden es, wo möglich, durch Herauswerfung.

Römer. Dieß thaten wir. Doch war uns die Weise der Griechen in ihrer Sprache nicht zuwider, und unsre Dichter ließen daher Griechische Namen ohne Elision auf einander folgen.

verlohren gehn, und ein ganz verschiedenes Gemischtes daraus wird, und doch in Einer Sylbe, hoͤren laͤßt?

Deutscher. Ganz und gar nicht.

Jtaliaͤner. Jch sehr gut: Euro, lauro, mai, voi.. Jn buono wird der letzte Vokal mehr gehoͤrt.

Grieche. Der Übergang des αι, ει, οι, in ᾳ, ῃ, ῳ, waͤre bey deiner Aussprache unerklaͤrlich. Wenn aber das, ι dem vorangehenden Vokal leiser nachhallte, so mußte es bey seiner Verlaͤngerung ganz verschwinden. Auch die Verwandlung von α υ und ε υ in η υ, und von α υ in η ω haͤtte dich auf den Argwohn bringen muͤssen, daß dir hier etwas verborgen waͤre.

Deutscher. Aber wenn die Vokale in den Diphthongen schon abgesondert gehoͤrt wurden, wozu die Trennungspunkte, wenn eure Dichter sie in zwey Sylben aufloͤsten?

Grieche. Du vergißst immer, daß unser Ohr auch feine Unterschiede wahrnahm. Selbst dieser Umstand konnte dir jene Vermuthung bestaͤtigen: denn wie haͤtten die Dichter trennen duͤrfen, was so, wie durch eure Aussprache, vereinigt war?

Grammatik. Über das Zusammentreffen der Vokale weichen die Urtheile ab. Einige Voͤlker lieben es, andre halten es fuͤr weichlich oder hart, und vermeiden es, wo moͤglich, durch Herauswerfung.

Roͤmer. Dieß thaten wir. Doch war uns die Weise der Griechen in ihrer Sprache nicht zuwider, und unsre Dichter ließen daher Griechische Namen ohne Elision auf einander folgen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0027" n="16"/>
verlohren gehn, und ein ganz verschiedenes Gemischtes daraus wird, und doch in Einer Sylbe, ho&#x0364;ren la&#x0364;ßt?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Deutscher</hi>. Ganz und gar nicht.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Jtalia&#x0364;ner</hi>. Jch sehr gut: <foreign xml:lang="it">Euro, lauro, mai, voi.</foreign>. Jn <foreign xml:lang="it">buono</foreign> wird der letzte Vokal mehr geho&#x0364;rt.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Grieche</hi>. Der Übergang des <foreign xml:lang="el">&#x03B1;&#x03B9;, &#x03B5;&#x03B9;, &#x03BF;&#x03B9;,</foreign> in <foreign xml:lang="el">&#x1FB3;, &#x1FC3;, &#x1FF3;,</foreign> wa&#x0364;re bey deiner Aussprache unerkla&#x0364;rlich. Wenn aber das, &#x03B9; dem vorangehenden Vokal leiser nachhallte, so mußte es bey seiner Verla&#x0364;ngerung ganz verschwinden. Auch die Verwandlung von <foreign xml:lang="el">&#x03B1; &#x03C5;</foreign> und <foreign xml:lang="el">&#x03B5; &#x03C5;</foreign> in <foreign xml:lang="el">&#x03B7; &#x03C5;</foreign>, und von <foreign xml:lang="el">&#x03B1; &#x03C5;</foreign> in <foreign xml:lang="el">&#x03B7; &#x03C9;</foreign> ha&#x0364;tte dich auf den Argwohn bringen mu&#x0364;ssen, daß dir hier etwas verborgen wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Deutscher</hi>. Aber wenn die Vokale in den Diphthongen schon abgesondert geho&#x0364;rt wurden, wozu die Trennungspunkte, wenn eure Dichter sie in zwey Sylben auflo&#x0364;sten?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Grieche</hi>. Du vergißst immer, daß unser Ohr auch feine Unterschiede wahrnahm. Selbst dieser Umstand konnte dir jene Vermuthung besta&#x0364;tigen: denn wie ha&#x0364;tten die Dichter trennen du&#x0364;rfen, was so, wie durch eure Aussprache, vereinigt war?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Grammatik</hi>. Über das Zusammentreffen der Vokale weichen die Urtheile ab. Einige Vo&#x0364;lker lieben es, andre halten es fu&#x0364;r weichlich oder hart, und vermeiden es, wo mo&#x0364;glich, durch Herauswerfung.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Ro&#x0364;mer</hi>. Dieß thaten wir. Doch war uns die Weise der Griechen in ihrer Sprache nicht zuwider, und unsre Dichter ließen daher Griechische Namen ohne Elision auf einander folgen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0027] verlohren gehn, und ein ganz verschiedenes Gemischtes daraus wird, und doch in Einer Sylbe, hoͤren laͤßt? Deutscher. Ganz und gar nicht. Jtaliaͤner. Jch sehr gut: Euro, lauro, mai, voi.. Jn buono wird der letzte Vokal mehr gehoͤrt. Grieche. Der Übergang des αι, ει, οι, in ᾳ, ῃ, ῳ, waͤre bey deiner Aussprache unerklaͤrlich. Wenn aber das, ι dem vorangehenden Vokal leiser nachhallte, so mußte es bey seiner Verlaͤngerung ganz verschwinden. Auch die Verwandlung von α υ und ε υ in η υ, und von α υ in η ω haͤtte dich auf den Argwohn bringen muͤssen, daß dir hier etwas verborgen waͤre. Deutscher. Aber wenn die Vokale in den Diphthongen schon abgesondert gehoͤrt wurden, wozu die Trennungspunkte, wenn eure Dichter sie in zwey Sylben aufloͤsten? Grieche. Du vergißst immer, daß unser Ohr auch feine Unterschiede wahrnahm. Selbst dieser Umstand konnte dir jene Vermuthung bestaͤtigen: denn wie haͤtten die Dichter trennen duͤrfen, was so, wie durch eure Aussprache, vereinigt war? Grammatik. Über das Zusammentreffen der Vokale weichen die Urtheile ab. Einige Voͤlker lieben es, andre halten es fuͤr weichlich oder hart, und vermeiden es, wo moͤglich, durch Herauswerfung. Roͤmer. Dieß thaten wir. Doch war uns die Weise der Griechen in ihrer Sprache nicht zuwider, und unsre Dichter ließen daher Griechische Namen ohne Elision auf einander folgen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/27
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/27>, abgerufen am 30.04.2024.