Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Nazionalgeschmack. -- So weit es sich ohne geistige und körperliche Zergliederung thun läßt, Grammatik, will ich deinem Verlangen Genüge leisten. Jch habe ja die Welt umwandert und umflogen: habe an den schönen Ufern des Ganges und des Ohio geweilt, die Wüsten Afrika's und die Steppen Sibiriens besucht, und mich unter den Nebeln des Schottischen Hochlandes, wie unter dem ewig unbewölkten Himmel der Südsee-Hesperiden gelagert. Franzose. Au qu'elle devient poetique! Poesie. Keinem Volke, wie roh und beschränkt es seyn mochte, verschmähte ich durch meine Töne die Mühen des Lebens zu lindern. Franzose. Dieß wird zu arg. Sie schreibt nur nicht den Feuerländern bel esprit zu. Poesie. Jch kenne daher auch die unzähligen Sprachen, welche du niemals geordnet, noch ihnen zur Kenntniß ihrer selbst geholfen hast. Es giebt allerdings allgemeine Gesetze des Wohlklanges, auf die menschliche Natur und das Wesen der Töne gegründet. Deutscher. Es ist mir doch lieb, daß man auch darüber etwas a priori wissen kann. Poesie. Alles was den Sprachorganen leicht wird hervorzubringen, ist dem Ohr angenehm zu vernehmen. Dieß ist die nothwendige Wirkung einer sinnlichen Sympathie. Jndessen können die Organe durch Gewöhnung es auch in den gewaltsamsten und verworrensten Bewegungen zu einer gewissen Leichtigkeit bringen, und deswegen scheinen sogar die rauhesten Sprachen den Einheimischen, von ihnen selbst gesprochen, Nazionalgeschmack. — So weit es sich ohne geistige und koͤrperliche Zergliederung thun laͤßt, Grammatik, will ich deinem Verlangen Genuͤge leisten. Jch habe ja die Welt umwandert und umflogen: habe an den schoͤnen Ufern des Ganges und des Ohio geweilt, die Wuͤsten Afrika's und die Steppen Sibiriens besucht, und mich unter den Nebeln des Schottischen Hochlandes, wie unter dem ewig unbewoͤlkten Himmel der Suͤdsee-Hesperiden gelagert. Franzose. Au qu'elle devient poetique! Poesie. Keinem Volke, wie roh und beschraͤnkt es seyn mochte, verschmaͤhte ich durch meine Toͤne die Muͤhen des Lebens zu lindern. Franzose. Dieß wird zu arg. Sie schreibt nur nicht den Feuerlaͤndern bel esprit zu. Poesie. Jch kenne daher auch die unzaͤhligen Sprachen, welche du niemals geordnet, noch ihnen zur Kenntniß ihrer selbst geholfen hast. Es giebt allerdings allgemeine Gesetze des Wohlklanges, auf die menschliche Natur und das Wesen der Toͤne gegruͤndet. Deutscher. Es ist mir doch lieb, daß man auch daruͤber etwas a priori wissen kann. Poesie. Alles was den Sprachorganen leicht wird hervorzubringen, ist dem Ohr angenehm zu vernehmen. Dieß ist die nothwendige Wirkung einer sinnlichen Sympathie. Jndessen koͤnnen die Organe durch Gewoͤhnung es auch in den gewaltsamsten und verworrensten Bewegungen zu einer gewissen Leichtigkeit bringen, und deswegen scheinen sogar die rauhesten Sprachen den Einheimischen, von ihnen selbst gesprochen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0029" n="18"/> Nazionalgeschmack. — So weit es sich ohne geistige und koͤrperliche Zergliederung thun laͤßt, Grammatik, will ich deinem Verlangen Genuͤge leisten. Jch habe ja die Welt umwandert und umflogen: habe an den schoͤnen Ufern des Ganges und des Ohio geweilt, die Wuͤsten Afrika's und die Steppen Sibiriens besucht, und mich unter den Nebeln des Schottischen Hochlandes, wie unter dem ewig unbewoͤlkten Himmel der Suͤdsee-Hesperiden gelagert.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Franzose</hi>. <foreign xml:lang="fr">Au qu'elle devient poetique!</foreign></p><lb/> <p><hi rendition="#g">Poesie</hi>. Keinem Volke, wie roh und beschraͤnkt es seyn mochte, verschmaͤhte ich durch meine Toͤne die Muͤhen des Lebens zu lindern.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Franzose</hi>. Dieß wird zu arg. Sie schreibt nur nicht den Feuerlaͤndern <foreign xml:lang="fr">bel esprit</foreign> zu.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Poesie</hi>. Jch kenne daher auch die unzaͤhligen Sprachen, welche du niemals geordnet, noch ihnen zur Kenntniß ihrer selbst geholfen hast. Es giebt allerdings allgemeine Gesetze des Wohlklanges, auf die menschliche Natur und das Wesen der Toͤne gegruͤndet.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Deutscher</hi>. Es ist mir doch lieb, daß man auch daruͤber etwas <foreign xml:lang="es">a priori</foreign> wissen kann.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Poesie</hi>. Alles was den Sprachorganen leicht wird hervorzubringen, ist dem Ohr angenehm zu vernehmen. Dieß ist die nothwendige Wirkung einer sinnlichen Sympathie. Jndessen koͤnnen die Organe durch Gewoͤhnung es auch in den gewaltsamsten und verworrensten Bewegungen zu einer gewissen Leichtigkeit bringen, und deswegen scheinen sogar die rauhesten Sprachen den Einheimischen, von ihnen selbst gesprochen,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0029]
Nazionalgeschmack. — So weit es sich ohne geistige und koͤrperliche Zergliederung thun laͤßt, Grammatik, will ich deinem Verlangen Genuͤge leisten. Jch habe ja die Welt umwandert und umflogen: habe an den schoͤnen Ufern des Ganges und des Ohio geweilt, die Wuͤsten Afrika's und die Steppen Sibiriens besucht, und mich unter den Nebeln des Schottischen Hochlandes, wie unter dem ewig unbewoͤlkten Himmel der Suͤdsee-Hesperiden gelagert.
Franzose. Au qu'elle devient poetique!
Poesie. Keinem Volke, wie roh und beschraͤnkt es seyn mochte, verschmaͤhte ich durch meine Toͤne die Muͤhen des Lebens zu lindern.
Franzose. Dieß wird zu arg. Sie schreibt nur nicht den Feuerlaͤndern bel esprit zu.
Poesie. Jch kenne daher auch die unzaͤhligen Sprachen, welche du niemals geordnet, noch ihnen zur Kenntniß ihrer selbst geholfen hast. Es giebt allerdings allgemeine Gesetze des Wohlklanges, auf die menschliche Natur und das Wesen der Toͤne gegruͤndet.
Deutscher. Es ist mir doch lieb, daß man auch daruͤber etwas a priori wissen kann.
Poesie. Alles was den Sprachorganen leicht wird hervorzubringen, ist dem Ohr angenehm zu vernehmen. Dieß ist die nothwendige Wirkung einer sinnlichen Sympathie. Jndessen koͤnnen die Organe durch Gewoͤhnung es auch in den gewaltsamsten und verworrensten Bewegungen zu einer gewissen Leichtigkeit bringen, und deswegen scheinen sogar die rauhesten Sprachen den Einheimischen, von ihnen selbst gesprochen,
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