Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Dialogs gewählt, wo die Gedanken mit jeder Zeile wie Geschosse hin und wieder fliegen? Oder von jenen Versen des Aeschylus, wovon zwey in die Wage gelegt, den ganzen Euripides mit Weib, Kindern, Kephisophon und Büchern aufwiegen konnten? Oder von jenen gewaltigen Sprüchen des Pindar, womit er seiner über ihre Ufer brausenden Rede auf einmal einen Damm entgegensetzt? Oder wenigstens von den gediegnen Sittensprüchen des Menander? Römer. Auch die aus dem Römischen gewählten Stellen sind meistens Virgilische, mit einer gewissen Fülle geschmückte. Und vollends aus dem geschwätzigen Ovid! Deutscher. Doch auch aus Horazens Oden. Römer. Das bedeutet schon mehr. Man muß, denke ich, froh seyn, ihn ohne Verkürzung überhaupt nur gut übersetzen zu können. Deutscher. Kurz und gut. Römer. Es möchte kurz und schlecht daraus werden. Dieß wäre der Fall, wenn an die Stelle der Anmuth und Leichtigkeit, die sich beym Horaz mit dem sinnreichen Nachdruck der Kürze paart, Härte und Dunkelheit träte. Deutscher. Klopstock hat deine Sprache durch die Bedingung des Wettstreits genug geehrt, Römer. Die Bereinung soll ja Siegerin seyn, wenn sie auch die übersetzten Stellen ein wenig verlängern müßte. Römer. Sie thut es nur einmal, und wo es nicht nöthig war, bey diesen Zeilen Virgils: Jlle caput quassans: Non me tua fervida terrent Dialogs gewaͤhlt, wo die Gedanken mit jeder Zeile wie Geschosse hin und wieder fliegen? Oder von jenen Versen des Aeschylus, wovon zwey in die Wage gelegt, den ganzen Euripides mit Weib, Kindern, Kephisophon und Buͤchern aufwiegen konnten? Oder von jenen gewaltigen Spruͤchen des Pindar, womit er seiner uͤber ihre Ufer brausenden Rede auf einmal einen Damm entgegensetzt? Oder wenigstens von den gediegnen Sittenspruͤchen des Menander? Roͤmer. Auch die aus dem Roͤmischen gewaͤhlten Stellen sind meistens Virgilische, mit einer gewissen Fuͤlle geschmuͤckte. Und vollends aus dem geschwaͤtzigen Ovid! Deutscher. Doch auch aus Horazens Oden. Roͤmer. Das bedeutet schon mehr. Man muß, denke ich, froh seyn, ihn ohne Verkuͤrzung uͤberhaupt nur gut uͤbersetzen zu koͤnnen. Deutscher. Kurz und gut. Roͤmer. Es moͤchte kurz und schlecht daraus werden. Dieß waͤre der Fall, wenn an die Stelle der Anmuth und Leichtigkeit, die sich beym Horaz mit dem sinnreichen Nachdruck der Kuͤrze paart, Haͤrte und Dunkelheit traͤte. Deutscher. Klopstock hat deine Sprache durch die Bedingung des Wettstreits genug geehrt, Roͤmer. Die Bereinung soll ja Siegerin seyn, wenn sie auch die uͤbersetzten Stellen ein wenig verlaͤngern muͤßte. Roͤmer. Sie thut es nur einmal, und wo es nicht noͤthig war, bey diesen Zeilen Virgils: Jlle caput quassans: Non me tua fervida terrent <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0065" n="54"/> Dialogs gewaͤhlt, wo die Gedanken mit jeder Zeile wie Geschosse hin und wieder fliegen? Oder von jenen Versen des Aeschylus, wovon zwey in die Wage gelegt, den ganzen Euripides mit Weib, Kindern, Kephisophon und Buͤchern aufwiegen konnten? Oder von jenen gewaltigen Spruͤchen des Pindar, womit er seiner uͤber ihre Ufer brausenden Rede auf einmal einen Damm entgegensetzt? Oder wenigstens von den gediegnen Sittenspruͤchen des Menander?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Roͤmer.</hi> Auch die aus dem Roͤmischen gewaͤhlten Stellen sind meistens Virgilische, mit einer gewissen Fuͤlle geschmuͤckte. Und vollends aus dem geschwaͤtzigen Ovid!</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Deutscher.</hi> Doch auch aus Horazens Oden.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Roͤmer.</hi> Das bedeutet schon mehr. Man muß, denke ich, froh seyn, ihn ohne Verkuͤrzung uͤberhaupt nur gut uͤbersetzen zu koͤnnen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Deutscher.</hi> Kurz und gut.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Roͤmer.</hi> Es moͤchte kurz und schlecht daraus werden. Dieß waͤre der Fall, wenn an die Stelle der Anmuth und Leichtigkeit, die sich beym Horaz mit dem sinnreichen Nachdruck der Kuͤrze paart, Haͤrte und Dunkelheit traͤte.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Deutscher.</hi> Klopstock hat deine Sprache durch die Bedingung des Wettstreits genug geehrt, Roͤmer. Die Bereinung soll ja Siegerin seyn, wenn sie auch die uͤbersetzten Stellen ein wenig verlaͤngern muͤßte.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Roͤmer.</hi> Sie thut es nur einmal, und wo es nicht noͤthig war, bey diesen Zeilen Virgils:</p><lb/> <p> <foreign xml:lang="la">Jlle caput quassans: Non me tua fervida terrent<lb/> Verba, ferox, dJ me terrent, et Juppiter hoftis.</foreign> </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0065]
Dialogs gewaͤhlt, wo die Gedanken mit jeder Zeile wie Geschosse hin und wieder fliegen? Oder von jenen Versen des Aeschylus, wovon zwey in die Wage gelegt, den ganzen Euripides mit Weib, Kindern, Kephisophon und Buͤchern aufwiegen konnten? Oder von jenen gewaltigen Spruͤchen des Pindar, womit er seiner uͤber ihre Ufer brausenden Rede auf einmal einen Damm entgegensetzt? Oder wenigstens von den gediegnen Sittenspruͤchen des Menander?
Roͤmer. Auch die aus dem Roͤmischen gewaͤhlten Stellen sind meistens Virgilische, mit einer gewissen Fuͤlle geschmuͤckte. Und vollends aus dem geschwaͤtzigen Ovid!
Deutscher. Doch auch aus Horazens Oden.
Roͤmer. Das bedeutet schon mehr. Man muß, denke ich, froh seyn, ihn ohne Verkuͤrzung uͤberhaupt nur gut uͤbersetzen zu koͤnnen.
Deutscher. Kurz und gut.
Roͤmer. Es moͤchte kurz und schlecht daraus werden. Dieß waͤre der Fall, wenn an die Stelle der Anmuth und Leichtigkeit, die sich beym Horaz mit dem sinnreichen Nachdruck der Kuͤrze paart, Haͤrte und Dunkelheit traͤte.
Deutscher. Klopstock hat deine Sprache durch die Bedingung des Wettstreits genug geehrt, Roͤmer. Die Bereinung soll ja Siegerin seyn, wenn sie auch die uͤbersetzten Stellen ein wenig verlaͤngern muͤßte.
Roͤmer. Sie thut es nur einmal, und wo es nicht noͤthig war, bey diesen Zeilen Virgils:
Jlle caput quassans: Non me tua fervida terrent
Verba, ferox, dJ me terrent, et Juppiter hoftis.
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