Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Humor ist eine willkührlich angenommene Manier. Das Willkührliche ist das Pikante daran: Humor ist Resultat einer freyen Vermischung des Bedingten und Unbedingten. Durch Humor wird das eigenthümlich Bedingte allgemein interessant, und erhält objektiven Werth. Wo Fantasie und Urtheilskraft sich berühren, entsteht Witz; wo sich Vernunft und Willkühr paaren, Humor. Persifflage gehört zum Humor, ist aber um einen Grad geringer: es ist nicht mehr rein artistisch, und viel beschränkter. Was Fr. Schlegel als Jronie karakterisirt, ist meinem Bedünken nach nichts anders als die Folge, der Karakter der Besonnenheit, der wahrhaften Gegenwart des Geistes. Schlegels Jronie scheint mir ächter Humor zu seyn. Mehre Rahmen sind einer Jdee vortheilhaft.



Das Unbedeutende, Gemeine, Rohe, Häßliche, Ungesittete, wird durch Witz allein Gesellschaftfähig. Es ist gleichsam nur um des Witzes willen: seine Zweckbestimmung ist der Witz.



Um das Gemeine, wenn man nicht selbst gemein ist, mit der Kraft und mit der Leichtigkeit zu behandeln, aus der die Anmuth entspringt, muß man nichts sonderbarer finden als das Gemeine, und Sinn fürs Sonderbare haben, viel darin suchen und ahnden. Auf die Art kann auch wohl ein Mensch, der in ganz andern Sphären lebt, gewöhnliche Naturen so befriedigen, daß sie gar kein Arg aus ihm haben, und

Humor ist eine willkuͤhrlich angenommene Manier. Das Willkuͤhrliche ist das Pikante daran: Humor ist Resultat einer freyen Vermischung des Bedingten und Unbedingten. Durch Humor wird das eigenthuͤmlich Bedingte allgemein interessant, und erhaͤlt objektiven Werth. Wo Fantasie und Urtheilskraft sich beruͤhren, entsteht Witz; wo sich Vernunft und Willkuͤhr paaren, Humor. Persifflage gehoͤrt zum Humor, ist aber um einen Grad geringer: es ist nicht mehr rein artistisch, und viel beschraͤnkter. Was Fr. Schlegel als Jronie karakterisirt, ist meinem Beduͤnken nach nichts anders als die Folge, der Karakter der Besonnenheit, der wahrhaften Gegenwart des Geistes. Schlegels Jronie scheint mir aͤchter Humor zu seyn. Mehre Rahmen sind einer Jdee vortheilhaft.



Das Unbedeutende, Gemeine, Rohe, Haͤßliche, Ungesittete, wird durch Witz allein Gesellschaftfaͤhig. Es ist gleichsam nur um des Witzes willen: seine Zweckbestimmung ist der Witz.



Um das Gemeine, wenn man nicht selbst gemein ist, mit der Kraft und mit der Leichtigkeit zu behandeln, aus der die Anmuth entspringt, muß man nichts sonderbarer finden als das Gemeine, und Sinn fuͤrs Sonderbare haben, viel darin suchen und ahnden. Auf die Art kann auch wohl ein Mensch, der in ganz andern Sphaͤren lebt, gewoͤhnliche Naturen so befriedigen, daß sie gar kein Arg aus ihm haben, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0090" n="79"/>
          <p>Humor ist eine willku&#x0364;hrlich angenommene Manier. Das Willku&#x0364;hrliche ist das Pikante daran: Humor ist Resultat einer freyen Vermischung des Bedingten und Unbedingten. Durch Humor wird das eigenthu&#x0364;mlich Bedingte allgemein interessant, und erha&#x0364;lt objektiven Werth. Wo Fantasie und Urtheilskraft sich beru&#x0364;hren, entsteht Witz; wo sich Vernunft und Willku&#x0364;hr paaren, Humor. Persifflage geho&#x0364;rt zum Humor, ist aber um einen Grad geringer: es ist nicht mehr rein artistisch, und viel beschra&#x0364;nkter. Was Fr. Schlegel als Jronie karakterisirt, ist meinem Bedu&#x0364;nken nach nichts anders als die Folge, der Karakter der Besonnenheit, der wahrhaften Gegenwart des Geistes. Schlegels Jronie scheint mir a&#x0364;chter Humor zu seyn. Mehre Rahmen sind einer Jdee vortheilhaft.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Das Unbedeutende, Gemeine, Rohe, Ha&#x0364;ßliche, Ungesittete, wird durch Witz allein Gesellschaftfa&#x0364;hig. Es ist gleichsam nur um des Witzes willen: seine Zweckbestimmung ist der Witz.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Um das Gemeine, wenn man nicht selbst gemein ist, mit der Kraft und mit der Leichtigkeit zu behandeln, aus der die Anmuth entspringt, muß man nichts sonderbarer finden als das Gemeine, und Sinn fu&#x0364;rs Sonderbare haben, viel darin suchen und ahnden. Auf die Art kann auch wohl ein Mensch, der in ganz andern Spha&#x0364;ren lebt, gewo&#x0364;hnliche Naturen so befriedigen, daß sie gar kein Arg aus ihm haben, und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0090] Humor ist eine willkuͤhrlich angenommene Manier. Das Willkuͤhrliche ist das Pikante daran: Humor ist Resultat einer freyen Vermischung des Bedingten und Unbedingten. Durch Humor wird das eigenthuͤmlich Bedingte allgemein interessant, und erhaͤlt objektiven Werth. Wo Fantasie und Urtheilskraft sich beruͤhren, entsteht Witz; wo sich Vernunft und Willkuͤhr paaren, Humor. Persifflage gehoͤrt zum Humor, ist aber um einen Grad geringer: es ist nicht mehr rein artistisch, und viel beschraͤnkter. Was Fr. Schlegel als Jronie karakterisirt, ist meinem Beduͤnken nach nichts anders als die Folge, der Karakter der Besonnenheit, der wahrhaften Gegenwart des Geistes. Schlegels Jronie scheint mir aͤchter Humor zu seyn. Mehre Rahmen sind einer Jdee vortheilhaft. Das Unbedeutende, Gemeine, Rohe, Haͤßliche, Ungesittete, wird durch Witz allein Gesellschaftfaͤhig. Es ist gleichsam nur um des Witzes willen: seine Zweckbestimmung ist der Witz. Um das Gemeine, wenn man nicht selbst gemein ist, mit der Kraft und mit der Leichtigkeit zu behandeln, aus der die Anmuth entspringt, muß man nichts sonderbarer finden als das Gemeine, und Sinn fuͤrs Sonderbare haben, viel darin suchen und ahnden. Auf die Art kann auch wohl ein Mensch, der in ganz andern Sphaͤren lebt, gewoͤhnliche Naturen so befriedigen, daß sie gar kein Arg aus ihm haben, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/90
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/90>, abgerufen am 21.11.2024.