Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.sie sind. Und dieß liegt keinesweges bloß darin, daß der Künstler sich die hieher gehörige Symbolik zu eigen gemacht hat, sondern im Styl der Komposizion selbst. Die steife Symmetrie auf den Bildern der Mahler aus dem vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert rechnet man mit Grund der damaligen Kindheit der Kunst zu, allein es ist darin doch unleugbar eine Beziehung auf die religiösen Gegenstände, denen diese Männer meistens oblagen; ich möchte behaupten sie hätten es deswegen in diesem Punkte besser getroffen als manche Spätere, weil ihre Religion mit ihrer Kunst auf derselben Stufe stand. Zu der naiven demüthigen Frömmigkeit gehören gerade und viereckte Bewegungen des Körpers, den ja die Gebräuche dieses Gottesdienstes gänzlich unterjochen sollen; und jede heilige Geschichte oder Situazion wird als ein feyerlicher Akt gedacht, der strenge Zucht und einfältige Ordnung erfodert. Mit einiger Milderung haben daher auch Mahler aus den besten Zeiten diese Symmetrie angebracht, wie zum Beyspiel auf einem vortrefflichen Bilde von Bagnacavallo in der Dresdner Gallerie, vier Apostel und Heilige vor dem Thron der Madonna mit völlig parallelen Köpfen neben einander stehn. Man versuche nur, in die Flaxmanschen Stücke, wovon hier die Rede ist, eine zierlichere Mannigfaltigkeit der Anordnung zu bringen, und man wird unfehlbar ihren großen Charakter, ja ihre ganze Bedeutung zerstören. Welche unwiderstehliche drey: die Santa Chiesa, zu ihrer Rechten der klösterliche Weltüberwinder San Francesco von Assisi, zur Linken der cherubisch sie sind. Und dieß liegt keinesweges bloß darin, daß der Kuͤnstler sich die hieher gehoͤrige Symbolik zu eigen gemacht hat, sondern im Styl der Komposizion selbst. Die steife Symmetrie auf den Bildern der Mahler aus dem vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert rechnet man mit Grund der damaligen Kindheit der Kunst zu, allein es ist darin doch unleugbar eine Beziehung auf die religioͤsen Gegenstaͤnde, denen diese Maͤnner meistens oblagen; ich moͤchte behaupten sie haͤtten es deswegen in diesem Punkte besser getroffen als manche Spaͤtere, weil ihre Religion mit ihrer Kunst auf derselben Stufe stand. Zu der naiven demuͤthigen Froͤmmigkeit gehoͤren gerade und viereckte Bewegungen des Koͤrpers, den ja die Gebraͤuche dieses Gottesdienstes gaͤnzlich unterjochen sollen; und jede heilige Geschichte oder Situazion wird als ein feyerlicher Akt gedacht, der strenge Zucht und einfaͤltige Ordnung erfodert. Mit einiger Milderung haben daher auch Mahler aus den besten Zeiten diese Symmetrie angebracht, wie zum Beyspiel auf einem vortrefflichen Bilde von Bagnacavallo in der Dresdner Gallerie, vier Apostel und Heilige vor dem Thron der Madonna mit voͤllig parallelen Koͤpfen neben einander stehn. Man versuche nur, in die Flaxmanschen Stuͤcke, wovon hier die Rede ist, eine zierlichere Mannigfaltigkeit der Anordnung zu bringen, und man wird unfehlbar ihren großen Charakter, ja ihre ganze Bedeutung zerstoͤren. Welche unwiderstehliche drey: die Santa Chiesa, zu ihrer Rechten der kloͤsterliche Weltuͤberwinder San Francesco von Assisi, zur Linken der cherubisch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0233" n="223"/> sie sind. Und dieß liegt keinesweges bloß darin, daß der Kuͤnstler sich die hieher gehoͤrige Symbolik zu eigen gemacht hat, sondern im Styl der Komposizion selbst. Die steife Symmetrie auf den Bildern der Mahler aus dem vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert rechnet man mit Grund der damaligen Kindheit der Kunst zu, allein es ist darin doch unleugbar eine Beziehung auf die religioͤsen Gegenstaͤnde, denen diese Maͤnner meistens oblagen; ich moͤchte behaupten sie haͤtten es deswegen in diesem Punkte besser getroffen als manche Spaͤtere, weil ihre Religion mit ihrer Kunst auf derselben Stufe stand. Zu der naiven demuͤthigen Froͤmmigkeit gehoͤren gerade und viereckte Bewegungen des Koͤrpers, den ja die Gebraͤuche <hi rendition="#g">dieses</hi> Gottesdienstes gaͤnzlich unterjochen sollen; und jede heilige Geschichte oder Situazion wird als ein feyerlicher Akt gedacht, der strenge Zucht und einfaͤltige Ordnung erfodert. Mit einiger Milderung haben daher auch Mahler aus den besten Zeiten diese Symmetrie angebracht, wie zum Beyspiel auf einem vortrefflichen Bilde von Bagnacavallo in der Dresdner Gallerie, vier Apostel und Heilige vor dem Thron der Madonna mit voͤllig parallelen Koͤpfen neben einander stehn. Man versuche nur, in die Flaxmanschen Stuͤcke, wovon hier die Rede ist, eine zierlichere Mannigfaltigkeit der Anordnung zu bringen, und man wird unfehlbar ihren großen Charakter, ja ihre ganze Bedeutung zerstoͤren. Welche unwiderstehliche drey: die Santa Chiesa, zu ihrer Rechten der kloͤsterliche Weltuͤberwinder San Francesco von Assisi, zur Linken der cherubisch </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [223/0233]
sie sind. Und dieß liegt keinesweges bloß darin, daß der Kuͤnstler sich die hieher gehoͤrige Symbolik zu eigen gemacht hat, sondern im Styl der Komposizion selbst. Die steife Symmetrie auf den Bildern der Mahler aus dem vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert rechnet man mit Grund der damaligen Kindheit der Kunst zu, allein es ist darin doch unleugbar eine Beziehung auf die religioͤsen Gegenstaͤnde, denen diese Maͤnner meistens oblagen; ich moͤchte behaupten sie haͤtten es deswegen in diesem Punkte besser getroffen als manche Spaͤtere, weil ihre Religion mit ihrer Kunst auf derselben Stufe stand. Zu der naiven demuͤthigen Froͤmmigkeit gehoͤren gerade und viereckte Bewegungen des Koͤrpers, den ja die Gebraͤuche dieses Gottesdienstes gaͤnzlich unterjochen sollen; und jede heilige Geschichte oder Situazion wird als ein feyerlicher Akt gedacht, der strenge Zucht und einfaͤltige Ordnung erfodert. Mit einiger Milderung haben daher auch Mahler aus den besten Zeiten diese Symmetrie angebracht, wie zum Beyspiel auf einem vortrefflichen Bilde von Bagnacavallo in der Dresdner Gallerie, vier Apostel und Heilige vor dem Thron der Madonna mit voͤllig parallelen Koͤpfen neben einander stehn. Man versuche nur, in die Flaxmanschen Stuͤcke, wovon hier die Rede ist, eine zierlichere Mannigfaltigkeit der Anordnung zu bringen, und man wird unfehlbar ihren großen Charakter, ja ihre ganze Bedeutung zerstoͤren. Welche unwiderstehliche drey: die Santa Chiesa, zu ihrer Rechten der kloͤsterliche Weltuͤberwinder San Francesco von Assisi, zur Linken der cherubisch
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/233>, abgerufen am 16.02.2025. |