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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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Braga und Hermode. Der Patriotismus, welcher zu dieser Preisaufgabe bewogen hat, ist gewiß sehr rühmlich. Schade nur, daß dabey ein freylich popular gewordner Jrrthum zum Grunde liegt. Es wird daher nicht undienlich seyn zu erinnern, daß der Preis sicher nicht gewonnen werden kann, daß sich also nur niemand auf vergebliche Mühe einlassen mag. Fürs erste haben die alten Germanier keine Barden gehabt, folglich auch keine Bardengesänge. Das Wort Barde ist Gallisch, und die heillose Verwirrung der Gallischen Völkerschaften mit den Germanischen unter der Griechischen Benennung der Celten ist schon längst für ungültig erkannt. Daß die Germanier Schlachtgesänge gehabt, Lieder auf ihre Stammväter, und daß sie noch zu Tacitus Zeiten den Arminius besungen, wird bezeugt; aber nirgends, daß die Sänger einen eignen Stand bey ihnen ausgemacht haben. Wo die Nationalgesänge einer solchen Zunft anvertraut sind, welcher alles daran gelegen ist sie zu erhalten, da können sie in der mündlichen Ueberlieferung selbst Veränderungen der Dynastie und Religion lange überdauern, wie einige nordische Beyspiele gezeigt haben. Auch ohne das, wo ein Völkerstamm unvermischt in uralten Sitten beharrt. Aber wie läßt sich denken, daß das Gedächtniß eines Ariovistus oder Arminius sich die lange Periode der allgemeinen Gährung und Wanderung hindurch, wo in den neuen Völkerbünden selbst die Namen der alten Stämme zu Grunde gingen, Jahrhunderte lang nach Annahme des Christenthums erhalten habe? Und wird Karl der Große, der alle

Braga und Hermode. Der Patriotismus, welcher zu dieser Preisaufgabe bewogen hat, ist gewiß sehr ruͤhmlich. Schade nur, daß dabey ein freylich popular gewordner Jrrthum zum Grunde liegt. Es wird daher nicht undienlich seyn zu erinnern, daß der Preis sicher nicht gewonnen werden kann, daß sich also nur niemand auf vergebliche Muͤhe einlassen mag. Fuͤrs erste haben die alten Germanier keine Barden gehabt, folglich auch keine Bardengesaͤnge. Das Wort Barde ist Gallisch, und die heillose Verwirrung der Gallischen Voͤlkerschaften mit den Germanischen unter der Griechischen Benennung der Celten ist schon laͤngst fuͤr unguͤltig erkannt. Daß die Germanier Schlachtgesaͤnge gehabt, Lieder auf ihre Stammvaͤter, und daß sie noch zu Tacitus Zeiten den Arminius besungen, wird bezeugt; aber nirgends, daß die Saͤnger einen eignen Stand bey ihnen ausgemacht haben. Wo die Nationalgesaͤnge einer solchen Zunft anvertraut sind, welcher alles daran gelegen ist sie zu erhalten, da koͤnnen sie in der muͤndlichen Ueberlieferung selbst Veraͤnderungen der Dynastie und Religion lange uͤberdauern, wie einige nordische Beyspiele gezeigt haben. Auch ohne das, wo ein Voͤlkerstamm unvermischt in uralten Sitten beharrt. Aber wie laͤßt sich denken, daß das Gedaͤchtniß eines Ariovistus oder Arminius sich die lange Periode der allgemeinen Gaͤhrung und Wanderung hindurch, wo in den neuen Voͤlkerbuͤnden selbst die Namen der alten Staͤmme zu Grunde gingen, Jahrhunderte lang nach Annahme des Christenthums erhalten habe? Und wird Karl der Große, der alle

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[307/0317] Braga und Hermode. Der Patriotismus, welcher zu dieser Preisaufgabe bewogen hat, ist gewiß sehr ruͤhmlich. Schade nur, daß dabey ein freylich popular gewordner Jrrthum zum Grunde liegt. Es wird daher nicht undienlich seyn zu erinnern, daß der Preis sicher nicht gewonnen werden kann, daß sich also nur niemand auf vergebliche Muͤhe einlassen mag. Fuͤrs erste haben die alten Germanier keine Barden gehabt, folglich auch keine Bardengesaͤnge. Das Wort Barde ist Gallisch, und die heillose Verwirrung der Gallischen Voͤlkerschaften mit den Germanischen unter der Griechischen Benennung der Celten ist schon laͤngst fuͤr unguͤltig erkannt. Daß die Germanier Schlachtgesaͤnge gehabt, Lieder auf ihre Stammvaͤter, und daß sie noch zu Tacitus Zeiten den Arminius besungen, wird bezeugt; aber nirgends, daß die Saͤnger einen eignen Stand bey ihnen ausgemacht haben. Wo die Nationalgesaͤnge einer solchen Zunft anvertraut sind, welcher alles daran gelegen ist sie zu erhalten, da koͤnnen sie in der muͤndlichen Ueberlieferung selbst Veraͤnderungen der Dynastie und Religion lange uͤberdauern, wie einige nordische Beyspiele gezeigt haben. Auch ohne das, wo ein Voͤlkerstamm unvermischt in uralten Sitten beharrt. Aber wie laͤßt sich denken, daß das Gedaͤchtniß eines Ariovistus oder Arminius sich die lange Periode der allgemeinen Gaͤhrung und Wanderung hindurch, wo in den neuen Voͤlkerbuͤnden selbst die Namen der alten Staͤmme zu Grunde gingen, Jahrhunderte lang nach Annahme des Christenthums erhalten habe? Und wird Karl der Große, der alle

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/317>, abgerufen am 24.11.2024.