Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Waller. Jch bin erstaunt, liebe Louise. Sie haben mir ja nichts von Jhrem Unternehmen merken lassen, außer daß Sie von der Gallerie immer so gedankenvoll nach Hause gingen, wie jemand, der eine Bestellung hat, und um sie nicht zu vergessen, sie sich in einem fort wiederholt. Louise. Sie glauben also, man müßte Sie bey allem zu Rathe ziehn. Gehen wir, ich erzähle Jhnen den Anlaß unterwegs. -- Sie wissen, meine Schwester Amalie hatte gehofft, diesmal nach Dresden mitreisen zu können; es traten Hindernisse ein, und sie band es mir beym Abschiede auf die Seele, ihr etwas von meinem hiesigen Genusse mitzubringen. Da bin ich nun recht treu zu Werke gegangen. Jch bin mißtrauisch gegen meine Flüchtigkeit gewesen, ich habe die Fantasie unter das Auge gefangen genommen, und mich so recht in die Bilder hineinzusehen bemüht. Sie können sich leicht vorstellen, daß ich nicht in Gefahr war, durch den Gebrauch der privilegirten Kunstwörter Amalien unverständlich zu werden. Es erschallt hier zwar genug um mich her von impasto, von Halbtinten, von Karnazion, von Pyramidalgruppen, von Kontrapost, von beaux accidens de lumiere und so weiter, daß ich wohl einige dieser Ausdrücke hätte erhaschen können: aber mir ist, als würde mir durch sie das wieder verdunkelt, was ich an sich klar genug erkenne. Waller. Einige davon sagen nichts mehr als die Ausdrücke des gemeinen Lebens; andre gehen darauf Waller. Jch bin erstaunt, liebe Louise. Sie haben mir ja nichts von Jhrem Unternehmen merken lassen, außer daß Sie von der Gallerie immer so gedankenvoll nach Hause gingen, wie jemand, der eine Bestellung hat, und um sie nicht zu vergessen, sie sich in einem fort wiederholt. Louise. Sie glauben also, man muͤßte Sie bey allem zu Rathe ziehn. Gehen wir, ich erzaͤhle Jhnen den Anlaß unterwegs. — Sie wissen, meine Schwester Amalie hatte gehofft, diesmal nach Dresden mitreisen zu koͤnnen; es traten Hindernisse ein, und sie band es mir beym Abschiede auf die Seele, ihr etwas von meinem hiesigen Genusse mitzubringen. Da bin ich nun recht treu zu Werke gegangen. Jch bin mißtrauisch gegen meine Fluͤchtigkeit gewesen, ich habe die Fantasie unter das Auge gefangen genommen, und mich so recht in die Bilder hineinzusehen bemuͤht. Sie koͤnnen sich leicht vorstellen, daß ich nicht in Gefahr war, durch den Gebrauch der privilegirten Kunstwoͤrter Amalien unverstaͤndlich zu werden. Es erschallt hier zwar genug um mich her von impasto, von Halbtinten, von Karnazion, von Pyramidalgruppen, von Kontrapost, von beaux accidens de lumiere und so weiter, daß ich wohl einige dieser Ausdruͤcke haͤtte erhaschen koͤnnen: aber mir ist, als wuͤrde mir durch sie das wieder verdunkelt, was ich an sich klar genug erkenne. Waller. Einige davon sagen nichts mehr als die Ausdruͤcke des gemeinen Lebens; andre gehen darauf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0059" n="51"/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Jch bin erstaunt, liebe Louise. Sie haben mir ja nichts von Jhrem Unternehmen merken lassen, außer daß Sie von der Gallerie immer so gedankenvoll nach Hause gingen, wie jemand, der eine Bestellung hat, und um sie nicht zu vergessen, sie sich in einem fort wiederholt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Sie glauben also, man muͤßte Sie bey allem zu Rathe ziehn. Gehen wir, ich erzaͤhle Jhnen den Anlaß unterwegs. — Sie wissen, meine Schwester Amalie hatte gehofft, diesmal nach Dresden mitreisen zu koͤnnen; es traten Hindernisse ein, und sie band es mir beym Abschiede auf die Seele, ihr etwas von meinem hiesigen Genusse mitzubringen. Da bin ich nun recht treu zu Werke gegangen. Jch bin mißtrauisch gegen meine Fluͤchtigkeit gewesen, ich habe die Fantasie unter das Auge gefangen genommen, und mich so recht in die Bilder hineinzusehen bemuͤht. Sie koͤnnen sich leicht vorstellen, daß ich nicht in Gefahr war, durch den Gebrauch der privilegirten Kunstwoͤrter Amalien unverstaͤndlich zu werden. Es erschallt hier zwar genug um mich her von impasto, von Halbtinten, von Karnazion, von Pyramidalgruppen, von Kontrapost, von beaux accidens de lumiere und so weiter, daß ich wohl einige dieser Ausdruͤcke haͤtte erhaschen koͤnnen: aber mir ist, als wuͤrde mir durch sie das wieder verdunkelt, was ich an sich klar genug erkenne.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Einige davon sagen nichts mehr als die Ausdruͤcke des gemeinen Lebens; andre gehen darauf </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [51/0059]
Waller. Jch bin erstaunt, liebe Louise. Sie haben mir ja nichts von Jhrem Unternehmen merken lassen, außer daß Sie von der Gallerie immer so gedankenvoll nach Hause gingen, wie jemand, der eine Bestellung hat, und um sie nicht zu vergessen, sie sich in einem fort wiederholt.
Louise. Sie glauben also, man muͤßte Sie bey allem zu Rathe ziehn. Gehen wir, ich erzaͤhle Jhnen den Anlaß unterwegs. — Sie wissen, meine Schwester Amalie hatte gehofft, diesmal nach Dresden mitreisen zu koͤnnen; es traten Hindernisse ein, und sie band es mir beym Abschiede auf die Seele, ihr etwas von meinem hiesigen Genusse mitzubringen. Da bin ich nun recht treu zu Werke gegangen. Jch bin mißtrauisch gegen meine Fluͤchtigkeit gewesen, ich habe die Fantasie unter das Auge gefangen genommen, und mich so recht in die Bilder hineinzusehen bemuͤht. Sie koͤnnen sich leicht vorstellen, daß ich nicht in Gefahr war, durch den Gebrauch der privilegirten Kunstwoͤrter Amalien unverstaͤndlich zu werden. Es erschallt hier zwar genug um mich her von impasto, von Halbtinten, von Karnazion, von Pyramidalgruppen, von Kontrapost, von beaux accidens de lumiere und so weiter, daß ich wohl einige dieser Ausdruͤcke haͤtte erhaschen koͤnnen: aber mir ist, als wuͤrde mir durch sie das wieder verdunkelt, was ich an sich klar genug erkenne.
Waller. Einige davon sagen nichts mehr als die Ausdruͤcke des gemeinen Lebens; andre gehen darauf
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