Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.hast Du Dich hier einheimisch gemacht, so bist Du in der Gesellschaft einer begeisterten Seele. Es ist, als führten die wunderbaren menschlichen Gestalten zur näheren Gemeinschaft mit ihr: die romantische Stellung und Tracht, wiewohl diese nur einfache Landleute oder Bewohner der Wildniß ankündigt, der Ort wo sie sich bereden, alles macht die bedeutendste Gegenwart. Nicht der Zufall hat sie versammelt, sie sind eins mit dem Ganzen, und vollenden den bestimmten Ausdruck, den selbst der oberflächliche Beobachter nicht verkennen wird. Wen auch Landschaftsstücke sonst gleichgültig ließen, auf den würde dieses noch die Wirkung eines historischen Gemähldes machen können, wie die Musik wenigstens zu irgend einem großen Text. Claude Lorrains Jmagination ist gemäßigter und in der schönen Wahrheit daheim. Sein warmer lichter Himmel, seine feuchten bewachsenen Felsen, über denen der Duft der Vegetazion schwebt, sind in ihrer Gattung wie die Farbengebung des Tizian. Das Stück, von welchem die Rede ist, stellt eine wirkliche Gegend bey Neapel vor. Man sieht Jschia und Capri über den Horizont hervorragen. Zwey hohe Felsenparthien treten von der Rechten ins Meer hinein, und das Meer in Schatten zwischen sie. Dahinter ist die Stadt nebst Hafen und Schiffen angedeutet. Dicht vor dem Bilde verliert sich die Ferne, man wird kaum die Spur des Pinsels gewahr: in der gehörigen Weite zeigt sie sich eben so treu und zweifelhaft, wie das Auge sie in der Wirklichkeit abreicht. Auf der linken hast Du Dich hier einheimisch gemacht, so bist Du in der Gesellschaft einer begeisterten Seele. Es ist, als fuͤhrten die wunderbaren menschlichen Gestalten zur naͤheren Gemeinschaft mit ihr: die romantische Stellung und Tracht, wiewohl diese nur einfache Landleute oder Bewohner der Wildniß ankuͤndigt, der Ort wo sie sich bereden, alles macht die bedeutendste Gegenwart. Nicht der Zufall hat sie versammelt, sie sind eins mit dem Ganzen, und vollenden den bestimmten Ausdruck, den selbst der oberflaͤchliche Beobachter nicht verkennen wird. Wen auch Landschaftsstuͤcke sonst gleichguͤltig ließen, auf den wuͤrde dieses noch die Wirkung eines historischen Gemaͤhldes machen koͤnnen, wie die Musik wenigstens zu irgend einem großen Text. Claude Lorrains Jmagination ist gemaͤßigter und in der schoͤnen Wahrheit daheim. Sein warmer lichter Himmel, seine feuchten bewachsenen Felsen, uͤber denen der Duft der Vegetazion schwebt, sind in ihrer Gattung wie die Farbengebung des Tizian. Das Stuͤck, von welchem die Rede ist, stellt eine wirkliche Gegend bey Neapel vor. Man sieht Jschia und Capri uͤber den Horizont hervorragen. Zwey hohe Felsenparthien treten von der Rechten ins Meer hinein, und das Meer in Schatten zwischen sie. Dahinter ist die Stadt nebst Hafen und Schiffen angedeutet. Dicht vor dem Bilde verliert sich die Ferne, man wird kaum die Spur des Pinsels gewahr: in der gehoͤrigen Weite zeigt sie sich eben so treu und zweifelhaft, wie das Auge sie in der Wirklichkeit abreicht. Auf der linken <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0066" n="58"/> hast Du Dich hier einheimisch gemacht, so bist Du in der Gesellschaft einer begeisterten Seele. Es ist, als fuͤhrten die wunderbaren menschlichen Gestalten zur naͤheren Gemeinschaft mit ihr: die romantische Stellung und Tracht, wiewohl diese nur einfache Landleute oder Bewohner der Wildniß ankuͤndigt, der Ort wo sie sich bereden, alles macht die bedeutendste Gegenwart. Nicht der Zufall hat sie versammelt, sie sind eins mit dem Ganzen, und vollenden den bestimmten Ausdruck, den selbst der oberflaͤchliche Beobachter nicht verkennen wird. Wen auch Landschaftsstuͤcke sonst gleichguͤltig ließen, auf den wuͤrde dieses noch die Wirkung eines historischen Gemaͤhldes machen koͤnnen, wie die Musik wenigstens zu irgend einem großen Text.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Claude Lorrains</hi> Jmagination ist gemaͤßigter und in der schoͤnen Wahrheit daheim. Sein warmer lichter Himmel, seine feuchten bewachsenen Felsen, uͤber denen der Duft der Vegetazion schwebt, sind in ihrer Gattung wie die Farbengebung des Tizian. Das Stuͤck, von welchem die Rede ist, stellt eine wirkliche Gegend bey Neapel vor. Man sieht Jschia und Capri uͤber den Horizont hervorragen. Zwey hohe Felsenparthien treten von der Rechten ins Meer hinein, und das Meer in Schatten zwischen sie. Dahinter ist die Stadt nebst Hafen und Schiffen angedeutet. Dicht vor dem Bilde verliert sich die Ferne, man wird kaum die Spur des Pinsels gewahr: in der gehoͤrigen Weite zeigt sie sich eben so treu und zweifelhaft, wie das Auge sie in der Wirklichkeit abreicht. Auf der linken </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0066]
hast Du Dich hier einheimisch gemacht, so bist Du in der Gesellschaft einer begeisterten Seele. Es ist, als fuͤhrten die wunderbaren menschlichen Gestalten zur naͤheren Gemeinschaft mit ihr: die romantische Stellung und Tracht, wiewohl diese nur einfache Landleute oder Bewohner der Wildniß ankuͤndigt, der Ort wo sie sich bereden, alles macht die bedeutendste Gegenwart. Nicht der Zufall hat sie versammelt, sie sind eins mit dem Ganzen, und vollenden den bestimmten Ausdruck, den selbst der oberflaͤchliche Beobachter nicht verkennen wird. Wen auch Landschaftsstuͤcke sonst gleichguͤltig ließen, auf den wuͤrde dieses noch die Wirkung eines historischen Gemaͤhldes machen koͤnnen, wie die Musik wenigstens zu irgend einem großen Text.
Claude Lorrains Jmagination ist gemaͤßigter und in der schoͤnen Wahrheit daheim. Sein warmer lichter Himmel, seine feuchten bewachsenen Felsen, uͤber denen der Duft der Vegetazion schwebt, sind in ihrer Gattung wie die Farbengebung des Tizian. Das Stuͤck, von welchem die Rede ist, stellt eine wirkliche Gegend bey Neapel vor. Man sieht Jschia und Capri uͤber den Horizont hervorragen. Zwey hohe Felsenparthien treten von der Rechten ins Meer hinein, und das Meer in Schatten zwischen sie. Dahinter ist die Stadt nebst Hafen und Schiffen angedeutet. Dicht vor dem Bilde verliert sich die Ferne, man wird kaum die Spur des Pinsels gewahr: in der gehoͤrigen Weite zeigt sie sich eben so treu und zweifelhaft, wie das Auge sie in der Wirklichkeit abreicht. Auf der linken
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