Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Freund, und allenfalls den dienstbaren Gefährten, den Esel, unter freyem Himmel zu versammeln. Keine Handlung, die künstlich gruppirt werden müßte, und doch eine Situation, die so schön gruppirt werden kann. Ferdinand Boll und Trevisani haben sie in einem ganz verschiednen Sinne genommen. Der erste stellt eine Landschaft vor, wo alles erstorben scheint, und das Grün der wenigen breitblättrigen Pflanzen und des Buschwerks sich in ein trocknes Braun verwandelt hat. Grau oder Braun ist der Ton überhaupt; keine einzige frische Farbe erquickt das durstige Auge. Am Fuß eines Felsen sitzt die erschöpfte Familie. Die Züge der Mutter haben der Angst und dem Hunger schon nachgegeben, ihre bleichen Wangen sind eingefallen, der Mund schließt sich nicht mehr, die Augenlieder sinken herab. Sie stützt den Arm auf eine Stufe des Felsen, und den müden seitwärts gebogenen Kopf in die kraftlose Hand. Er ist mit einem weißen Tuche so umwunden, als ob dieses eher Schmerzen lindern als schmücken sollte. Jn der Lage ihres Körpers ist nicht die mindeste Anstrengung zu bemerken: von allen Bedürfnissen scheint das der Ruhe allein schmerzlich befriedigt. Sie blickt zum Kinde herab, das ganz eingewindelt auf einem länglichten Küssen in ihrem Schooße eingeschlummert ist, eine welkende Blüthe, abgefallen von der mütterlichen Brust, deren Quellen versiegt sind, und die auch durch ihre Form nicht an die frohe Schönheit glücklicher Tage erinnert. Von der ziemlich schweren Kleidung umschlossen, ist sie nur zur Hälfte durchsichtig bedeckt. Freund, und allenfalls den dienstbaren Gefaͤhrten, den Esel, unter freyem Himmel zu versammeln. Keine Handlung, die kuͤnstlich gruppirt werden muͤßte, und doch eine Situation, die so schoͤn gruppirt werden kann. Ferdinand Boll und Trevisani haben sie in einem ganz verschiednen Sinne genommen. Der erste stellt eine Landschaft vor, wo alles erstorben scheint, und das Gruͤn der wenigen breitblaͤttrigen Pflanzen und des Buschwerks sich in ein trocknes Braun verwandelt hat. Grau oder Braun ist der Ton uͤberhaupt; keine einzige frische Farbe erquickt das durstige Auge. Am Fuß eines Felsen sitzt die erschoͤpfte Familie. Die Zuͤge der Mutter haben der Angst und dem Hunger schon nachgegeben, ihre bleichen Wangen sind eingefallen, der Mund schließt sich nicht mehr, die Augenlieder sinken herab. Sie stuͤtzt den Arm auf eine Stufe des Felsen, und den muͤden seitwaͤrts gebogenen Kopf in die kraftlose Hand. Er ist mit einem weißen Tuche so umwunden, als ob dieses eher Schmerzen lindern als schmuͤcken sollte. Jn der Lage ihres Koͤrpers ist nicht die mindeste Anstrengung zu bemerken: von allen Beduͤrfnissen scheint das der Ruhe allein schmerzlich befriedigt. Sie blickt zum Kinde herab, das ganz eingewindelt auf einem laͤnglichten Kuͤssen in ihrem Schooße eingeschlummert ist, eine welkende Bluͤthe, abgefallen von der muͤtterlichen Brust, deren Quellen versiegt sind, und die auch durch ihre Form nicht an die frohe Schoͤnheit gluͤcklicher Tage erinnert. Von der ziemlich schweren Kleidung umschlossen, ist sie nur zur Haͤlfte durchsichtig bedeckt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0085" n="77"/> Freund, und allenfalls den dienstbaren Gefaͤhrten, den Esel, unter freyem Himmel zu versammeln. Keine Handlung, die kuͤnstlich gruppirt werden muͤßte, und doch eine Situation, die so schoͤn gruppirt werden kann. <hi rendition="#g">Ferdinand Boll</hi> und <hi rendition="#g">Trevisani</hi> haben sie in einem ganz verschiednen Sinne genommen. Der erste stellt eine Landschaft vor, wo alles erstorben scheint, und das Gruͤn der wenigen breitblaͤttrigen Pflanzen und des Buschwerks sich in ein trocknes Braun verwandelt hat. Grau oder Braun ist der Ton uͤberhaupt; keine einzige frische Farbe erquickt das durstige Auge. Am Fuß eines Felsen sitzt die erschoͤpfte Familie. Die Zuͤge der Mutter haben der Angst und dem Hunger schon nachgegeben, ihre bleichen Wangen sind eingefallen, der Mund schließt sich nicht mehr, die Augenlieder sinken herab. Sie stuͤtzt den Arm auf eine Stufe des Felsen, und den muͤden seitwaͤrts gebogenen Kopf in die kraftlose Hand. Er ist mit einem weißen Tuche so umwunden, als ob dieses eher Schmerzen lindern als schmuͤcken sollte. Jn der Lage ihres Koͤrpers ist nicht die mindeste Anstrengung zu bemerken: von allen Beduͤrfnissen scheint das der Ruhe allein schmerzlich befriedigt. Sie blickt zum Kinde herab, das ganz eingewindelt auf einem laͤnglichten Kuͤssen in ihrem Schooße eingeschlummert ist, eine welkende Bluͤthe, abgefallen von der muͤtterlichen Brust, deren Quellen versiegt sind, und die auch durch ihre Form nicht an die frohe Schoͤnheit gluͤcklicher Tage erinnert. Von der ziemlich schweren Kleidung umschlossen, ist sie nur zur Haͤlfte durchsichtig bedeckt. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [77/0085]
Freund, und allenfalls den dienstbaren Gefaͤhrten, den Esel, unter freyem Himmel zu versammeln. Keine Handlung, die kuͤnstlich gruppirt werden muͤßte, und doch eine Situation, die so schoͤn gruppirt werden kann. Ferdinand Boll und Trevisani haben sie in einem ganz verschiednen Sinne genommen. Der erste stellt eine Landschaft vor, wo alles erstorben scheint, und das Gruͤn der wenigen breitblaͤttrigen Pflanzen und des Buschwerks sich in ein trocknes Braun verwandelt hat. Grau oder Braun ist der Ton uͤberhaupt; keine einzige frische Farbe erquickt das durstige Auge. Am Fuß eines Felsen sitzt die erschoͤpfte Familie. Die Zuͤge der Mutter haben der Angst und dem Hunger schon nachgegeben, ihre bleichen Wangen sind eingefallen, der Mund schließt sich nicht mehr, die Augenlieder sinken herab. Sie stuͤtzt den Arm auf eine Stufe des Felsen, und den muͤden seitwaͤrts gebogenen Kopf in die kraftlose Hand. Er ist mit einem weißen Tuche so umwunden, als ob dieses eher Schmerzen lindern als schmuͤcken sollte. Jn der Lage ihres Koͤrpers ist nicht die mindeste Anstrengung zu bemerken: von allen Beduͤrfnissen scheint das der Ruhe allein schmerzlich befriedigt. Sie blickt zum Kinde herab, das ganz eingewindelt auf einem laͤnglichten Kuͤssen in ihrem Schooße eingeschlummert ist, eine welkende Bluͤthe, abgefallen von der muͤtterlichen Brust, deren Quellen versiegt sind, und die auch durch ihre Form nicht an die frohe Schoͤnheit gluͤcklicher Tage erinnert. Von der ziemlich schweren Kleidung umschlossen, ist sie nur zur Haͤlfte durchsichtig bedeckt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |