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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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das Jahrhundert aus? Und gesetzt, sie könnten es vertreten, so giebt es doch wohl für sie im Zusammenhang der Bildungsgeschichte des gesammten Menschengeschlechtes noch einen ganz andern Gesichtspunkt, und ein Geist, der sich zu diesem erheben kann, wird schwerlich bey dem einseitigen Jammern über physische Leiden stehen bleiben.

Es scheint überhaupt mislich, poetische Kunstnamen aus der Plastik zu entlehnen: soll aber der Name Basrelief für ein Gedicht gelten, so läßt er offenbar die klarste und ruhigste Darstellung eines Gegenstandes erwarten, am wenigsten lyrische oder lyrisch seyn sollende Ergießungen einer Stimmung darüber. Also auch hierin hat der Verfasser nur eine verworrene Vorstellung von seiner eignen Absicht gehabt. Sein Gedicht ist eine sogenannte Ode, und zwar nach Ramlerschem Zuschnitt. Die Ode an den Frieden hat ihm dabey am meisten vorgeschwebt, und da diese einer von den wenigen schönen jugendlichen Blicken von Ramlers nachher bis zur gänzlichen Austrocknung dürftigem Geiste ist, so wäre die Wahl des Vorbildes an sich nicht zu tadeln. Allein die Nachfolge geht bis zur Erinnerung an ein paar einzelne Strophen, und dann macht jenes Gedicht weniger Prätension, es hat mehr Einfalt und Natürlichkeit, und ohne durch innige Herzlichkeit zu rühren, widerspricht es doch nicht aller Theilnahme durch Künsteley und Peinlichkeit. Hier lautet es gleich anfangs:

Von Afrika bis zu des Gotthards Wolkenpfaden
Ras't furchtbar der Zerstörung Wuth,

das Jahrhundert aus? Und gesetzt, sie koͤnnten es vertreten, so giebt es doch wohl fuͤr sie im Zusammenhang der Bildungsgeschichte des gesammten Menschengeschlechtes noch einen ganz andern Gesichtspunkt, und ein Geist, der sich zu diesem erheben kann, wird schwerlich bey dem einseitigen Jammern uͤber physische Leiden stehen bleiben.

Es scheint uͤberhaupt mislich, poetische Kunstnamen aus der Plastik zu entlehnen: soll aber der Name Basrelief fuͤr ein Gedicht gelten, so laͤßt er offenbar die klarste und ruhigste Darstellung eines Gegenstandes erwarten, am wenigsten lyrische oder lyrisch seyn sollende Ergießungen einer Stimmung daruͤber. Also auch hierin hat der Verfasser nur eine verworrene Vorstellung von seiner eignen Absicht gehabt. Sein Gedicht ist eine sogenannte Ode, und zwar nach Ramlerschem Zuschnitt. Die Ode an den Frieden hat ihm dabey am meisten vorgeschwebt, und da diese einer von den wenigen schoͤnen jugendlichen Blicken von Ramlers nachher bis zur gaͤnzlichen Austrocknung duͤrftigem Geiste ist, so waͤre die Wahl des Vorbildes an sich nicht zu tadeln. Allein die Nachfolge geht bis zur Erinnerung an ein paar einzelne Strophen, und dann macht jenes Gedicht weniger Praͤtension, es hat mehr Einfalt und Natuͤrlichkeit, und ohne durch innige Herzlichkeit zu ruͤhren, widerspricht es doch nicht aller Theilnahme durch Kuͤnsteley und Peinlichkeit. Hier lautet es gleich anfangs:

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[140/0148] das Jahrhundert aus? Und gesetzt, sie koͤnnten es vertreten, so giebt es doch wohl fuͤr sie im Zusammenhang der Bildungsgeschichte des gesammten Menschengeschlechtes noch einen ganz andern Gesichtspunkt, und ein Geist, der sich zu diesem erheben kann, wird schwerlich bey dem einseitigen Jammern uͤber physische Leiden stehen bleiben. Es scheint uͤberhaupt mislich, poetische Kunstnamen aus der Plastik zu entlehnen: soll aber der Name Basrelief fuͤr ein Gedicht gelten, so laͤßt er offenbar die klarste und ruhigste Darstellung eines Gegenstandes erwarten, am wenigsten lyrische oder lyrisch seyn sollende Ergießungen einer Stimmung daruͤber. Also auch hierin hat der Verfasser nur eine verworrene Vorstellung von seiner eignen Absicht gehabt. Sein Gedicht ist eine sogenannte Ode, und zwar nach Ramlerschem Zuschnitt. Die Ode an den Frieden hat ihm dabey am meisten vorgeschwebt, und da diese einer von den wenigen schoͤnen jugendlichen Blicken von Ramlers nachher bis zur gaͤnzlichen Austrocknung duͤrftigem Geiste ist, so waͤre die Wahl des Vorbildes an sich nicht zu tadeln. Allein die Nachfolge geht bis zur Erinnerung an ein paar einzelne Strophen, und dann macht jenes Gedicht weniger Praͤtension, es hat mehr Einfalt und Natuͤrlichkeit, und ohne durch innige Herzlichkeit zu ruͤhren, widerspricht es doch nicht aller Theilnahme durch Kuͤnsteley und Peinlichkeit. Hier lautet es gleich anfangs: Von Afrika bis zu des Gotthards Wolkenpfaden Ras't furchtbar der Zerstoͤrung Wuth,

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/148>, abgerufen am 15.05.2024.