Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Sehnsucht lindert. Hierauf blinken ihm die Sterne (da es noch zwey Strophen vorher, in dem -- wohl zu merken! -- nicht beweglichen sondern stillstehenden Gemählde so neblicht und stockfinster war) Hoffnung in die Seele, und mit der vierten Strophe ist er auf einmal glücklich von der Unsterblichkeit derselben überzeugt. Welche Psychologie soll dieß erklären? Und wenn so etwas nicht inkorrekt zu heißen verdient, was soll denn den Namen führen? Eine Bemerkung über Matthissons Dikzion und besonders seinen Gebrauch des Reimes wird sich mit dem verbinden lassen, was uns der Musenalmanach für 1800 von Voß, der letzte, über diesen Punkt bey Voß und F. W. A. Schmidt zu sagen veranlaßt. Der Herausgeber hat ihn außer ein paar Uebersetzungen aus den Alten mit etwa dreyßig Liedern in der schon bekannten Weise ausgestattet. Von einer neuen Seite lernt man ihn eben nicht kennen: aber grade dieß unverrückte Stehenbleiben, oder Herumdrehen im Kreise giebt einen Aufschluß, denn es ist ein Kennzeichen der schon in Verhärtung übergegangnen Manier. Einige Stücke ernsteren Jnhalts nähern sich dem, was aufgeklärte Kirchenlieder leisten sollen, (denen es freylich mit aller ächten Mystik auch an Schwung und Jnnigkeit zu fehlen pflegt;) die Gesinnung darin ist löblich, der Gedanke aber und die ganze Ansicht des Lebens und seiner Verhältnisse geht nicht über den Horizont des gemeinen Menschenverstandes hinaus. Andre sind in einer fremden Person gedichtet: irgend Sehnsucht lindert. Hierauf blinken ihm die Sterne (da es noch zwey Strophen vorher, in dem — wohl zu merken! — nicht beweglichen sondern stillstehenden Gemaͤhlde so neblicht und stockfinster war) Hoffnung in die Seele, und mit der vierten Strophe ist er auf einmal gluͤcklich von der Unsterblichkeit derselben uͤberzeugt. Welche Psychologie soll dieß erklaͤren? Und wenn so etwas nicht inkorrekt zu heißen verdient, was soll denn den Namen fuͤhren? Eine Bemerkung uͤber Matthissons Dikzion und besonders seinen Gebrauch des Reimes wird sich mit dem verbinden lassen, was uns der Musenalmanach fuͤr 1800 von Voß, der letzte, uͤber diesen Punkt bey Voß und F. W. A. Schmidt zu sagen veranlaßt. Der Herausgeber hat ihn außer ein paar Uebersetzungen aus den Alten mit etwa dreyßig Liedern in der schon bekannten Weise ausgestattet. Von einer neuen Seite lernt man ihn eben nicht kennen: aber grade dieß unverruͤckte Stehenbleiben, oder Herumdrehen im Kreise giebt einen Aufschluß, denn es ist ein Kennzeichen der schon in Verhaͤrtung uͤbergegangnen Manier. Einige Stuͤcke ernsteren Jnhalts naͤhern sich dem, was aufgeklaͤrte Kirchenlieder leisten sollen, (denen es freylich mit aller aͤchten Mystik auch an Schwung und Jnnigkeit zu fehlen pflegt;) die Gesinnung darin ist loͤblich, der Gedanke aber und die ganze Ansicht des Lebens und seiner Verhaͤltnisse geht nicht uͤber den Horizont des gemeinen Menschenverstandes hinaus. Andre sind in einer fremden Person gedichtet: irgend <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0161" n="153"/> Sehnsucht lindert. Hierauf blinken ihm die Sterne (da es noch zwey Strophen vorher, in dem — wohl zu merken! — nicht beweglichen sondern stillstehenden Gemaͤhlde so neblicht und stockfinster war) Hoffnung in die Seele, und mit der vierten Strophe ist er auf einmal gluͤcklich von der Unsterblichkeit derselben uͤberzeugt. Welche Psychologie soll dieß erklaͤren? Und wenn so etwas nicht inkorrekt zu heißen verdient, was soll denn den Namen fuͤhren?</p><lb/> <p>Eine Bemerkung uͤber Matthissons Dikzion und besonders seinen Gebrauch des Reimes wird sich mit dem verbinden lassen, was uns der <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Musenalmanach fuͤr 1800 von Voß</hi>, der <hi rendition="#g">letzte</hi>,</hi> uͤber diesen Punkt bey <hi rendition="#g">Voß</hi> und F. W. A. <hi rendition="#g">Schmidt</hi> zu sagen veranlaßt.</p><lb/> <p>Der Herausgeber hat ihn außer ein paar Uebersetzungen aus den Alten mit etwa dreyßig Liedern in der schon bekannten Weise ausgestattet. Von einer neuen Seite lernt man ihn eben nicht kennen: aber grade dieß unverruͤckte Stehenbleiben, oder Herumdrehen im Kreise giebt einen Aufschluß, denn es ist ein Kennzeichen der schon in Verhaͤrtung uͤbergegangnen Manier. Einige Stuͤcke ernsteren Jnhalts naͤhern sich dem, was aufgeklaͤrte Kirchenlieder leisten sollen, (denen es freylich mit aller aͤchten Mystik auch an Schwung und Jnnigkeit zu fehlen pflegt;) die Gesinnung darin ist loͤblich, der Gedanke aber und die ganze Ansicht des Lebens und seiner Verhaͤltnisse geht nicht uͤber den Horizont des gemeinen Menschenverstandes hinaus. Andre sind in einer fremden Person gedichtet: irgend </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [153/0161]
Sehnsucht lindert. Hierauf blinken ihm die Sterne (da es noch zwey Strophen vorher, in dem — wohl zu merken! — nicht beweglichen sondern stillstehenden Gemaͤhlde so neblicht und stockfinster war) Hoffnung in die Seele, und mit der vierten Strophe ist er auf einmal gluͤcklich von der Unsterblichkeit derselben uͤberzeugt. Welche Psychologie soll dieß erklaͤren? Und wenn so etwas nicht inkorrekt zu heißen verdient, was soll denn den Namen fuͤhren?
Eine Bemerkung uͤber Matthissons Dikzion und besonders seinen Gebrauch des Reimes wird sich mit dem verbinden lassen, was uns der Musenalmanach fuͤr 1800 von Voß, der letzte, uͤber diesen Punkt bey Voß und F. W. A. Schmidt zu sagen veranlaßt.
Der Herausgeber hat ihn außer ein paar Uebersetzungen aus den Alten mit etwa dreyßig Liedern in der schon bekannten Weise ausgestattet. Von einer neuen Seite lernt man ihn eben nicht kennen: aber grade dieß unverruͤckte Stehenbleiben, oder Herumdrehen im Kreise giebt einen Aufschluß, denn es ist ein Kennzeichen der schon in Verhaͤrtung uͤbergegangnen Manier. Einige Stuͤcke ernsteren Jnhalts naͤhern sich dem, was aufgeklaͤrte Kirchenlieder leisten sollen, (denen es freylich mit aller aͤchten Mystik auch an Schwung und Jnnigkeit zu fehlen pflegt;) die Gesinnung darin ist loͤblich, der Gedanke aber und die ganze Ansicht des Lebens und seiner Verhaͤltnisse geht nicht uͤber den Horizont des gemeinen Menschenverstandes hinaus. Andre sind in einer fremden Person gedichtet: irgend
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