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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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nach Zeit und Ort vorkommt, und die darüber angestellten Betrachtungen zu einem Gedicht zu stempeln. Und welchen Ton geselliger Lustigkeit soll man sich denken, wenn der Ehemann vor einem Schmause seine Bitten vorträgt:

Frau, du bist so gut!
Gieb mir meinen Hut,
Heute mir zum Feste; u. s. w.
oder wenn es in der Merzfeyer heißt:
Klingt! und flecke Wein den Drillig;
Unsre Frau verzeiht ja willig!
oder wenn in der bunten Reihe die Bildung der Männer durch den Umgang der Frauen in recht züchtigem Ernst mit dem Lecken der jungen Bären verglichen wird? Der Enthusiasmus des Essens bricht in der Kartoffelernte in ganz eigne fromme Ergießungen aus:

Kindlein, sammelt mit Gesang
Der Kartoffeln Ueberschwang!
Ob wir voll bis oben schütten
Alle Mulden, Körb' und Bütten;
Noch ist immer kein Vergang
Wo man nur den Bulten hebt,
Schaut, wie voll es lebt und webt!
O die schön gekerbten Knollen,
Weiß und roth und dick geschwollen!
Jmmer mehr, je mehr man gräbt!



Nur ein Knöllchen eingesteckt,
Und mit Erde zugedeckt!
Unten treibt dann Gott sein Wesen!

nach Zeit und Ort vorkommt, und die daruͤber angestellten Betrachtungen zu einem Gedicht zu stempeln. Und welchen Ton geselliger Lustigkeit soll man sich denken, wenn der Ehemann vor einem Schmause seine Bitten vortraͤgt:

Frau, du bist so gut!
Gieb mir meinen Hut,
Heute mir zum Feste; u. s. w.
oder wenn es in der Merzfeyer heißt:
Klingt! und flecke Wein den Drillig;
Unsre Frau verzeiht ja willig!
oder wenn in der bunten Reihe die Bildung der Maͤnner durch den Umgang der Frauen in recht zuͤchtigem Ernst mit dem Lecken der jungen Baͤren verglichen wird? Der Enthusiasmus des Essens bricht in der Kartoffelernte in ganz eigne fromme Ergießungen aus:

Kindlein, sammelt mit Gesang
Der Kartoffeln Ueberschwang!
Ob wir voll bis oben schuͤtten
Alle Mulden, Koͤrb' und Buͤtten;
Noch ist immer kein Vergang
Wo man nur den Bulten hebt,
Schaut, wie voll es lebt und webt!
O die schoͤn gekerbten Knollen,
Weiß und roth und dick geschwollen!
Jmmer mehr, je mehr man graͤbt!



Nur ein Knoͤllchen eingesteckt,
Und mit Erde zugedeckt!
Unten treibt dann Gott sein Wesen!
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[155/0163] nach Zeit und Ort vorkommt, und die daruͤber angestellten Betrachtungen zu einem Gedicht zu stempeln. Und welchen Ton geselliger Lustigkeit soll man sich denken, wenn der Ehemann vor einem Schmause seine Bitten vortraͤgt: Frau, du bist so gut! Gieb mir meinen Hut, Heute mir zum Feste; u. s. w. oder wenn es in der Merzfeyer heißt: Klingt! und flecke Wein den Drillig; Unsre Frau verzeiht ja willig! oder wenn in der bunten Reihe die Bildung der Maͤnner durch den Umgang der Frauen in recht zuͤchtigem Ernst mit dem Lecken der jungen Baͤren verglichen wird? Der Enthusiasmus des Essens bricht in der Kartoffelernte in ganz eigne fromme Ergießungen aus: Kindlein, sammelt mit Gesang Der Kartoffeln Ueberschwang! Ob wir voll bis oben schuͤtten Alle Mulden, Koͤrb' und Buͤtten; Noch ist immer kein Vergang Wo man nur den Bulten hebt, Schaut, wie voll es lebt und webt! O die schoͤn gekerbten Knollen, Weiß und roth und dick geschwollen! Jmmer mehr, je mehr man graͤbt! Nur ein Knoͤllchen eingesteckt, Und mit Erde zugedeckt! Unten treibt dann Gott sein Wesen!

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/163>, abgerufen am 21.11.2024.