Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Kaum sind Hände gnug zum Lesen, Was ist nun für Sorge noch? Klar im irdnen Napf und hoch, Dampft Kartoffelschmaus für alle! Unsre Milchkuh auch im Stalle Nimmt ihr Theil, und brummt am Trog! Die Milchkuh wird vermuthlich auch mitbrummen wollen, wenn das Lied gesungen wird, und man sieht nicht was sich gegen ein so schwesterlich angebotnes Accompagnement einwenden ließe, da sie solche Vorstellungen von Gott, daß er "da unten sein Wesen treibt," allenfalls auch noch erschwingen mag. Wo die Darstellung ihren Fleiß nicht an gemeine Wirklichkeit verschwendet, sondern sich einem idealischen Bilde nähert, wie in dem Rosenkranz und der Schläferin, fehlt doch ein gewisses Etwas, jener zauberische Duft, der alles lieblich verschmelzt, und jedes Wort, jeden Laut in der Verbindung zu etwas höherem und bedeutenderem macht. Die Arbeit der Hand, wie leicht und sicher sie sey, ist immer noch zu sichtbar. Gäbe es, außer der Kunst, noch ein Handwerk der Poesie, so würde Vossens Liedern der erste Rang nicht abzustreiten seyn. Hierin verhalten sie sich zu den Schmidtschen, bey aller Aehnlichkeit der Gegenstände und zum Theil auch der Sinnesart, wie ächte Englische Manufakturwaaren zu schlecht nachgemachten. Für jemanden, der genau in diese Studien eingeht, kann Vossens Behandlung der Sprache (deren Eigenthümlichkeit ein Gemisch aus Erneuerung altdeutscher Kaum sind Haͤnde gnug zum Lesen, Was ist nun fuͤr Sorge noch? Klar im irdnen Napf und hoch, Dampft Kartoffelschmaus fuͤr alle! Unsre Milchkuh auch im Stalle Nimmt ihr Theil, und brummt am Trog! Die Milchkuh wird vermuthlich auch mitbrummen wollen, wenn das Lied gesungen wird, und man sieht nicht was sich gegen ein so schwesterlich angebotnes Accompagnement einwenden ließe, da sie solche Vorstellungen von Gott, daß er “da unten sein Wesen treibt,” allenfalls auch noch erschwingen mag. Wo die Darstellung ihren Fleiß nicht an gemeine Wirklichkeit verschwendet, sondern sich einem idealischen Bilde naͤhert, wie in dem Rosenkranz und der Schlaͤferin, fehlt doch ein gewisses Etwas, jener zauberische Duft, der alles lieblich verschmelzt, und jedes Wort, jeden Laut in der Verbindung zu etwas hoͤherem und bedeutenderem macht. Die Arbeit der Hand, wie leicht und sicher sie sey, ist immer noch zu sichtbar. Gaͤbe es, außer der Kunst, noch ein Handwerk der Poesie, so wuͤrde Vossens Liedern der erste Rang nicht abzustreiten seyn. Hierin verhalten sie sich zu den Schmidtschen, bey aller Aehnlichkeit der Gegenstaͤnde und zum Theil auch der Sinnesart, wie aͤchte Englische Manufakturwaaren zu schlecht nachgemachten. Fuͤr jemanden, der genau in diese Studien eingeht, kann Vossens Behandlung der Sprache (deren Eigenthuͤmlichkeit ein Gemisch aus Erneuerung altdeutscher <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <lg n="3"> <pb facs="#f0164" n="156"/> <l>Kaum sind Haͤnde gnug zum Lesen,</l><lb/> <l>Wie es unten wuͤhlt und heckt!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Was ist nun fuͤr Sorge noch?</l><lb/> <l>Klar im irdnen Napf und hoch,</l><lb/> <l>Dampft Kartoffelschmaus fuͤr alle!</l><lb/> <l>Unsre Milchkuh auch im Stalle</l><lb/> <l>Nimmt ihr Theil, und brummt am Trog!</l> </lg> </lg><lb/> <p>Die Milchkuh wird vermuthlich auch mitbrummen wollen, wenn das Lied gesungen wird, und man sieht nicht was sich gegen ein so schwesterlich angebotnes Accompagnement einwenden ließe, da sie solche Vorstellungen von Gott, daß er “da unten sein Wesen treibt,” allenfalls auch noch erschwingen mag.</p><lb/> <p>Wo die Darstellung ihren Fleiß nicht an gemeine Wirklichkeit verschwendet, sondern sich einem idealischen Bilde naͤhert, wie in <hi rendition="#g">dem Rosenkranz</hi> und <hi rendition="#g">der Schlaͤferin</hi>, fehlt doch ein gewisses Etwas, jener zauberische Duft, der alles lieblich verschmelzt, und jedes Wort, jeden Laut in der Verbindung zu etwas hoͤherem und bedeutenderem macht. Die Arbeit der Hand, wie leicht und sicher sie sey, ist immer noch zu sichtbar. Gaͤbe es, außer der Kunst, noch ein Handwerk der Poesie, so wuͤrde Vossens Liedern der erste Rang nicht abzustreiten seyn. Hierin verhalten sie sich zu den Schmidtschen, bey aller Aehnlichkeit der Gegenstaͤnde und zum Theil auch der Sinnesart, wie aͤchte Englische Manufakturwaaren zu schlecht nachgemachten. Fuͤr jemanden, der genau in diese Studien eingeht, kann Vossens Behandlung der Sprache (deren Eigenthuͤmlichkeit ein Gemisch aus Erneuerung altdeutscher </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [156/0164]
Kaum sind Haͤnde gnug zum Lesen,
Wie es unten wuͤhlt und heckt!
Was ist nun fuͤr Sorge noch?
Klar im irdnen Napf und hoch,
Dampft Kartoffelschmaus fuͤr alle!
Unsre Milchkuh auch im Stalle
Nimmt ihr Theil, und brummt am Trog!
Die Milchkuh wird vermuthlich auch mitbrummen wollen, wenn das Lied gesungen wird, und man sieht nicht was sich gegen ein so schwesterlich angebotnes Accompagnement einwenden ließe, da sie solche Vorstellungen von Gott, daß er “da unten sein Wesen treibt,” allenfalls auch noch erschwingen mag.
Wo die Darstellung ihren Fleiß nicht an gemeine Wirklichkeit verschwendet, sondern sich einem idealischen Bilde naͤhert, wie in dem Rosenkranz und der Schlaͤferin, fehlt doch ein gewisses Etwas, jener zauberische Duft, der alles lieblich verschmelzt, und jedes Wort, jeden Laut in der Verbindung zu etwas hoͤherem und bedeutenderem macht. Die Arbeit der Hand, wie leicht und sicher sie sey, ist immer noch zu sichtbar. Gaͤbe es, außer der Kunst, noch ein Handwerk der Poesie, so wuͤrde Vossens Liedern der erste Rang nicht abzustreiten seyn. Hierin verhalten sie sich zu den Schmidtschen, bey aller Aehnlichkeit der Gegenstaͤnde und zum Theil auch der Sinnesart, wie aͤchte Englische Manufakturwaaren zu schlecht nachgemachten. Fuͤr jemanden, der genau in diese Studien eingeht, kann Vossens Behandlung der Sprache (deren Eigenthuͤmlichkeit ein Gemisch aus Erneuerung altdeutscher
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