Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

an der Armseligkeit beschieden. -- Paradoxer könnte es scheinen, wenn Matthisson mit beyden zusammengestellt wird. Von Schmidt steht er durch die Gegenstände am weitesten ab, und doch kann man Spuren genug aufweisen, daß bey einer Vertauschung des ganzen Kreises der Anschauungen, wenn sich dieß Experiment machen ließe, ungefähr dasselbe herausgekommen wäre. Jn Matthissons Kinderjahren (Gedichte S. 13) sind viele Züge ganz im Schmidtschen Geschmack:

Den Hag, wo Nachbars Lotte
Zur Veilchenlese kam,
Den Teich, wo meine Flotte
Von Tannenborke schwamm;
Die alten Eichenstümpfe
Am schilfumrauschten Moor,
Die blaue Wassernymfe
Gewiegt am schlanken Rohr;



Die Schule, dumpf und düster,
Umrankt von Wintergrün,
Wo uns der ernste Küster
Ein Weltgebieter schien. u. s. w.

Wenn hingegen Schmidt (Alm. S. 169) anhebt:

Dicht über Eis und Flimmerflocken wiegt
Sich Nebelgrau, umflorend das Gebüsch
so ist hierin so viel Matthisson als möglicher Weise in zwey Zeilen seyn kann. Ja in folgendem Sonett:

Jn der Nachtviole Grau verschmelzen
Allgemach des Abends Rosengluten,
Schwebend im Gewässer, dessen Fluten
Sanfter sich ans Muschelufer wälzen.

an der Armseligkeit beschieden. — Paradoxer koͤnnte es scheinen, wenn Matthisson mit beyden zusammengestellt wird. Von Schmidt steht er durch die Gegenstaͤnde am weitesten ab, und doch kann man Spuren genug aufweisen, daß bey einer Vertauschung des ganzen Kreises der Anschauungen, wenn sich dieß Experiment machen ließe, ungefaͤhr dasselbe herausgekommen waͤre. Jn Matthissons Kinderjahren (Gedichte S. 13) sind viele Zuͤge ganz im Schmidtschen Geschmack:

Den Hag, wo Nachbars Lotte
Zur Veilchenlese kam,
Den Teich, wo meine Flotte
Von Tannenborke schwamm;
Die alten Eichenstuͤmpfe
Am schilfumrauschten Moor,
Die blaue Wassernymfe
Gewiegt am schlanken Rohr;



Die Schule, dumpf und duͤster,
Umrankt von Wintergruͤn,
Wo uns der ernste Kuͤster
Ein Weltgebieter schien. u. s. w.

Wenn hingegen Schmidt (Alm. S. 169) anhebt:

Dicht uͤber Eis und Flimmerflocken wiegt
Sich Nebelgrau, umflorend das Gebuͤsch
so ist hierin so viel Matthisson als moͤglicher Weise in zwey Zeilen seyn kann. Ja in folgendem Sonett:

Jn der Nachtviole Grau verschmelzen
Allgemach des Abends Rosengluten,
Schwebend im Gewaͤsser, dessen Fluten
Sanfter sich ans Muschelufer waͤlzen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0166" n="158"/>
an der Armseligkeit beschieden. &#x2014; Paradoxer ko&#x0364;nnte es scheinen, wenn Matthisson mit beyden zusammengestellt wird. Von Schmidt steht er durch die Gegensta&#x0364;nde am weitesten ab, und doch kann man Spuren genug aufweisen, daß bey einer Vertauschung des ganzen Kreises der Anschauungen, wenn sich dieß Experiment machen ließe, ungefa&#x0364;hr dasselbe herausgekommen wa&#x0364;re. Jn Matthissons <hi rendition="#g">Kinderjahren</hi> (Gedichte S. 13) sind viele Zu&#x0364;ge ganz im Schmidtschen Geschmack:</p><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l>Den Hag, wo Nachbars Lotte</l><lb/>
                <l>Zur Veilchenlese kam,</l><lb/>
                <l>Den Teich, wo meine Flotte</l><lb/>
                <l>Von Tannenborke schwamm;</l><lb/>
                <l>Die alten Eichenstu&#x0364;mpfe</l><lb/>
                <l>Am schilfumrauschten Moor,</l><lb/>
                <l>Die blaue Wassernymfe</l><lb/>
                <l>Gewiegt am schlanken Rohr;</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg n="2">
                <l>Die Schule, dumpf und du&#x0364;ster,</l><lb/>
                <l>Umrankt von Wintergru&#x0364;n,</l><lb/>
                <l>Wo uns der ernste Ku&#x0364;ster</l><lb/>
                <l>Ein Weltgebieter schien. u. s. w.</l>
              </lg>
            </lg>
            <p>Wenn hingegen Schmidt (Alm. S. 169) anhebt:<lb/><lg type="poem"><l>Dicht u&#x0364;ber Eis und Flimmerflocken wiegt</l><lb/><l>Sich Nebelgrau, umflorend das Gebu&#x0364;sch</l></lg><lb/>
so ist hierin so viel Matthisson als mo&#x0364;glicher Weise in zwey Zeilen seyn kann. Ja in folgendem Sonett:</p><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l>Jn der Nachtviole Grau verschmelzen</l><lb/>
                <l>Allgemach des Abends Rosengluten,</l><lb/>
                <l>Schwebend im Gewa&#x0364;sser, dessen Fluten</l><lb/>
                <l>Sanfter sich ans Muschelufer wa&#x0364;lzen.</l>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0166] an der Armseligkeit beschieden. — Paradoxer koͤnnte es scheinen, wenn Matthisson mit beyden zusammengestellt wird. Von Schmidt steht er durch die Gegenstaͤnde am weitesten ab, und doch kann man Spuren genug aufweisen, daß bey einer Vertauschung des ganzen Kreises der Anschauungen, wenn sich dieß Experiment machen ließe, ungefaͤhr dasselbe herausgekommen waͤre. Jn Matthissons Kinderjahren (Gedichte S. 13) sind viele Zuͤge ganz im Schmidtschen Geschmack: Den Hag, wo Nachbars Lotte Zur Veilchenlese kam, Den Teich, wo meine Flotte Von Tannenborke schwamm; Die alten Eichenstuͤmpfe Am schilfumrauschten Moor, Die blaue Wassernymfe Gewiegt am schlanken Rohr; Die Schule, dumpf und duͤster, Umrankt von Wintergruͤn, Wo uns der ernste Kuͤster Ein Weltgebieter schien. u. s. w. Wenn hingegen Schmidt (Alm. S. 169) anhebt: Dicht uͤber Eis und Flimmerflocken wiegt Sich Nebelgrau, umflorend das Gebuͤsch so ist hierin so viel Matthisson als moͤglicher Weise in zwey Zeilen seyn kann. Ja in folgendem Sonett: Jn der Nachtviole Grau verschmelzen Allgemach des Abends Rosengluten, Schwebend im Gewaͤsser, dessen Fluten Sanfter sich ans Muschelufer waͤlzen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/166
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/166>, abgerufen am 21.11.2024.