Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

ja, in der Verlegenheit Horazens Satyren zu beschreiben nennt er sie "moralisch satyrische Versuche." Was sagen Sie dazu? Dabei versichert der Verfasser sehr ernsthaft: dies sei keineswegs jene weichliche und getändelte Sprache die Mäcen gehabt haben soll. Jst das jene nicht sehr präcis? Die Gespräche sind wohl etwas besser, und das an sich unbedeutendste ist der Form nach das beste: aber auch diese! Wie wunderlich schließt das zweite von denen über den Werth der Kritik mit der Nachricht: daß ein Jude, Namens Abraham Wulff Lessingen zu seinem Al Hafi geseßen hat! Auf eine ungebührlichere Art hat wohl noch nie ein vornehmer Schriftsteller einen guten Freund unsterblich machen wollen. Was für Reden kommen im "Jrrenhaus" vor mit allen Amplifikationen, die man kaum der Kanzelberedtsamkeit verzeiht. Diese dominiren überhaupt sehr; Briefe und Gespräche müßen sich gefallen laßen, auf eine solche Art rhetorisirt zu werden. Wollen Sie das schön finden? Wollen Sie mich überreden, daß ein solcher Schriftsteller auch nur die ersten Anfangsgründe der Composition inne habe? Doch, was rede ich länger? Sie haben mir gewiß schon längst in allem Recht gegeben, und werden es noch mehr, wenn Sie das Buch erst lesen. Also genug von Jhrem Engel. -- -- --

Vollkommen genug freilich für den Freund, um ihn von einem alten Jrrthum, von der Art die sich so leicht einsaugen, zurück zu bringen: aber vielleicht noch nicht genug für Alle zur Würdigung des Buches. Man liest es doch nicht ohne ein gewisses Vergnügen,

ja, in der Verlegenheit Horazens Satyren zu beschreiben nennt er sie “moralisch satyrische Versuche.” Was sagen Sie dazu? Dabei versichert der Verfasser sehr ernsthaft: dies sei keineswegs jene weichliche und getaͤndelte Sprache die Maͤcen gehabt haben soll. Jst das jene nicht sehr praͤcis? Die Gespraͤche sind wohl etwas besser, und das an sich unbedeutendste ist der Form nach das beste: aber auch diese! Wie wunderlich schließt das zweite von denen uͤber den Werth der Kritik mit der Nachricht: daß ein Jude, Namens Abraham Wulff Lessingen zu seinem Al Hafi geseßen hat! Auf eine ungebuͤhrlichere Art hat wohl noch nie ein vornehmer Schriftsteller einen guten Freund unsterblich machen wollen. Was fuͤr Reden kommen im “Jrrenhaus” vor mit allen Amplifikationen, die man kaum der Kanzelberedtsamkeit verzeiht. Diese dominiren uͤberhaupt sehr; Briefe und Gespraͤche muͤßen sich gefallen laßen, auf eine solche Art rhetorisirt zu werden. Wollen Sie das schoͤn finden? Wollen Sie mich uͤberreden, daß ein solcher Schriftsteller auch nur die ersten Anfangsgruͤnde der Composition inne habe? Doch, was rede ich laͤnger? Sie haben mir gewiß schon laͤngst in allem Recht gegeben, und werden es noch mehr, wenn Sie das Buch erst lesen. Also genug von Jhrem Engel. — — —

Vollkommen genug freilich fuͤr den Freund, um ihn von einem alten Jrrthum, von der Art die sich so leicht einsaugen, zuruͤck zu bringen: aber vielleicht noch nicht genug fuͤr Alle zur Wuͤrdigung des Buches. Man liest es doch nicht ohne ein gewisses Vergnuͤgen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0262" n="250"/>
ja, in der Verlegenheit Horazens Satyren zu beschreiben nennt er sie &#x201C;moralisch satyrische Versuche.&#x201D; Was sagen Sie dazu? Dabei versichert der Verfasser sehr ernsthaft: dies sei keineswegs jene weichliche und geta&#x0364;ndelte Sprache die Ma&#x0364;cen gehabt haben soll. Jst das <hi rendition="#g">jene</hi> nicht sehr pra&#x0364;cis? Die Gespra&#x0364;che sind wohl etwas besser, und das an sich unbedeutendste ist der Form nach das beste: aber auch diese! Wie wunderlich schließt das zweite von denen u&#x0364;ber den Werth der Kritik mit der Nachricht: daß ein Jude, Namens Abraham Wulff Lessingen zu seinem Al Hafi geseßen hat! Auf eine ungebu&#x0364;hrlichere Art hat wohl noch nie ein vornehmer Schriftsteller einen guten Freund unsterblich machen wollen. Was fu&#x0364;r Reden kommen im &#x201C;Jrrenhaus&#x201D; vor mit allen Amplifikationen, die man kaum der Kanzelberedtsamkeit verzeiht. Diese dominiren u&#x0364;berhaupt sehr; Briefe und Gespra&#x0364;che mu&#x0364;ßen sich gefallen laßen, auf eine solche Art rhetorisirt zu werden. Wollen Sie das scho&#x0364;n finden? Wollen Sie mich u&#x0364;berreden, daß ein solcher Schriftsteller auch nur die ersten Anfangsgru&#x0364;nde der Composition inne habe? Doch, was rede ich la&#x0364;nger? Sie haben mir gewiß schon la&#x0364;ngst in allem Recht gegeben, und werden es noch mehr, wenn Sie das Buch erst lesen. Also genug von Jhrem Engel. &#x2014; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
            <p>Vollkommen genug freilich fu&#x0364;r den Freund, um ihn von einem alten Jrrthum, von der Art die sich so leicht einsaugen, zuru&#x0364;ck zu bringen: aber vielleicht noch nicht genug fu&#x0364;r Alle zur Wu&#x0364;rdigung des Buches. Man liest es doch nicht ohne ein gewisses Vergnu&#x0364;gen,
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0262] ja, in der Verlegenheit Horazens Satyren zu beschreiben nennt er sie “moralisch satyrische Versuche.” Was sagen Sie dazu? Dabei versichert der Verfasser sehr ernsthaft: dies sei keineswegs jene weichliche und getaͤndelte Sprache die Maͤcen gehabt haben soll. Jst das jene nicht sehr praͤcis? Die Gespraͤche sind wohl etwas besser, und das an sich unbedeutendste ist der Form nach das beste: aber auch diese! Wie wunderlich schließt das zweite von denen uͤber den Werth der Kritik mit der Nachricht: daß ein Jude, Namens Abraham Wulff Lessingen zu seinem Al Hafi geseßen hat! Auf eine ungebuͤhrlichere Art hat wohl noch nie ein vornehmer Schriftsteller einen guten Freund unsterblich machen wollen. Was fuͤr Reden kommen im “Jrrenhaus” vor mit allen Amplifikationen, die man kaum der Kanzelberedtsamkeit verzeiht. Diese dominiren uͤberhaupt sehr; Briefe und Gespraͤche muͤßen sich gefallen laßen, auf eine solche Art rhetorisirt zu werden. Wollen Sie das schoͤn finden? Wollen Sie mich uͤberreden, daß ein solcher Schriftsteller auch nur die ersten Anfangsgruͤnde der Composition inne habe? Doch, was rede ich laͤnger? Sie haben mir gewiß schon laͤngst in allem Recht gegeben, und werden es noch mehr, wenn Sie das Buch erst lesen. Also genug von Jhrem Engel. — — — Vollkommen genug freilich fuͤr den Freund, um ihn von einem alten Jrrthum, von der Art die sich so leicht einsaugen, zuruͤck zu bringen: aber vielleicht noch nicht genug fuͤr Alle zur Wuͤrdigung des Buches. Man liest es doch nicht ohne ein gewisses Vergnuͤgen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/262
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/262>, abgerufen am 21.11.2024.