Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Sprache sei ein Fundbuch der Begriffe; und in Sachen der reinen oder unreinen Vernunft müße dieser allgemeingültige und nothwendige Zeuge abgehört werden." Es ist eine bewundernswürdige Schiefheit der Begriffe, in diesen wenigen Worten. Sprache ist Darstellung; und das erste Object der Darstellung, ist die sinnliche Natur, wo die Sphären der einzelnen Zeichen, durch die Conformität des sinnlichen Eindrucks ganz bestimmt gegeben sind. Ueber diesem ersten Stamme bildet sich eine zweite Sprache, deren Gebiet von der Selbstthätigkeit des Geistes selbst, geschaffen, und durch ihn vermehrt wird. Es gehört dahin die Bezeichnung des Unsinnlichen, von welcherley Art es auch sey. Es ist klar, daß die einzelnen Zeichen des letztern durchaus keine bestimmten Gränzen haben, allein allerdings bestimmbare. Jn so fern ist diese Sprache Annäherung zur Philosophie, welche so fern sie sich in Worten offenbart, vor den Richterstuhl der Sprachlehre gezogen werden kann. Die gedachten beiden Arten wollen wir Natursprache nennen. Zur Kunst wird erst die Sprache in dem Augenblick in welchem der ordnende Geist sie beherrscht; und in der sinnlichen Sprache (allenfalls durch den Gebrauch der Licenz, wo die Objecte nicht bestimmt genug bezeichnet sind) die Poesie nicht etwa erst erschafft sondern nur offenbart; und indem der Philosoph in der Sprache des Unsinnlichen, nachdem er ohne Zeichen die Objekte angeschaut hat, die Gränzen derselben durch die technische Sprache bestimmt. Daher ist es verkehrt, über Sprache sei ein Fundbuch der Begriffe; und in Sachen der reinen oder unreinen Vernunft muͤße dieser allgemeinguͤltige und nothwendige Zeuge abgehoͤrt werden.” Es ist eine bewundernswuͤrdige Schiefheit der Begriffe, in diesen wenigen Worten. Sprache ist Darstellung; und das erste Object der Darstellung, ist die sinnliche Natur, wo die Sphaͤren der einzelnen Zeichen, durch die Conformitaͤt des sinnlichen Eindrucks ganz bestimmt gegeben sind. Ueber diesem ersten Stamme bildet sich eine zweite Sprache, deren Gebiet von der Selbstthaͤtigkeit des Geistes selbst, geschaffen, und durch ihn vermehrt wird. Es gehoͤrt dahin die Bezeichnung des Unsinnlichen, von welcherley Art es auch sey. Es ist klar, daß die einzelnen Zeichen des letztern durchaus keine bestimmten Graͤnzen haben, allein allerdings bestimmbare. Jn so fern ist diese Sprache Annaͤherung zur Philosophie, welche so fern sie sich in Worten offenbart, vor den Richterstuhl der Sprachlehre gezogen werden kann. Die gedachten beiden Arten wollen wir Natursprache nennen. Zur Kunst wird erst die Sprache in dem Augenblick in welchem der ordnende Geist sie beherrscht; und in der sinnlichen Sprache (allenfalls durch den Gebrauch der Licenz, wo die Objecte nicht bestimmt genug bezeichnet sind) die Poesie nicht etwa erst erschafft sondern nur offenbart; und indem der Philosoph in der Sprache des Unsinnlichen, nachdem er ohne Zeichen die Objekte angeschaut hat, die Graͤnzen derselben durch die technische Sprache bestimmt. Daher ist es verkehrt, uͤber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0284" n="272"/><hi rendition="#g">Sprache sei ein Fundbuch der Begriffe; und in Sachen der reinen oder unreinen Vernunft muͤße dieser allgemeinguͤltige und nothwendige Zeuge abgehoͤrt werden</hi>.” Es ist eine bewundernswuͤrdige Schiefheit der Begriffe, in diesen wenigen Worten. Sprache ist Darstellung; und das erste Object der Darstellung, ist die sinnliche Natur, wo die Sphaͤren der einzelnen Zeichen, durch die Conformitaͤt des sinnlichen Eindrucks ganz bestimmt gegeben sind. Ueber diesem ersten Stamme bildet sich eine zweite Sprache, deren Gebiet von der Selbstthaͤtigkeit des Geistes selbst, geschaffen, und durch ihn vermehrt wird. Es gehoͤrt dahin die Bezeichnung des Unsinnlichen, von welcherley Art es auch sey. Es ist klar, daß die einzelnen Zeichen des letztern durchaus keine bestimmten Graͤnzen haben, allein allerdings bestimmbare. Jn so fern ist diese Sprache Annaͤherung zur Philosophie, welche so fern sie sich in Worten offenbart, vor den Richterstuhl der Sprachlehre gezogen werden kann. Die gedachten beiden Arten wollen wir Natursprache nennen. Zur Kunst wird erst die Sprache in dem Augenblick in welchem der ordnende Geist sie beherrscht; und in der sinnlichen Sprache (allenfalls durch den Gebrauch der Licenz, wo die Objecte nicht bestimmt genug bezeichnet sind) die Poesie nicht etwa erst erschafft sondern nur offenbart; und indem der Philosoph in der Sprache des Unsinnlichen, nachdem er ohne Zeichen die Objekte angeschaut hat, die Graͤnzen derselben durch die technische Sprache bestimmt. Daher ist es verkehrt, uͤber </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [272/0284]
Sprache sei ein Fundbuch der Begriffe; und in Sachen der reinen oder unreinen Vernunft muͤße dieser allgemeinguͤltige und nothwendige Zeuge abgehoͤrt werden.” Es ist eine bewundernswuͤrdige Schiefheit der Begriffe, in diesen wenigen Worten. Sprache ist Darstellung; und das erste Object der Darstellung, ist die sinnliche Natur, wo die Sphaͤren der einzelnen Zeichen, durch die Conformitaͤt des sinnlichen Eindrucks ganz bestimmt gegeben sind. Ueber diesem ersten Stamme bildet sich eine zweite Sprache, deren Gebiet von der Selbstthaͤtigkeit des Geistes selbst, geschaffen, und durch ihn vermehrt wird. Es gehoͤrt dahin die Bezeichnung des Unsinnlichen, von welcherley Art es auch sey. Es ist klar, daß die einzelnen Zeichen des letztern durchaus keine bestimmten Graͤnzen haben, allein allerdings bestimmbare. Jn so fern ist diese Sprache Annaͤherung zur Philosophie, welche so fern sie sich in Worten offenbart, vor den Richterstuhl der Sprachlehre gezogen werden kann. Die gedachten beiden Arten wollen wir Natursprache nennen. Zur Kunst wird erst die Sprache in dem Augenblick in welchem der ordnende Geist sie beherrscht; und in der sinnlichen Sprache (allenfalls durch den Gebrauch der Licenz, wo die Objecte nicht bestimmt genug bezeichnet sind) die Poesie nicht etwa erst erschafft sondern nur offenbart; und indem der Philosoph in der Sprache des Unsinnlichen, nachdem er ohne Zeichen die Objekte angeschaut hat, die Graͤnzen derselben durch die technische Sprache bestimmt. Daher ist es verkehrt, uͤber
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/284>, abgerufen am 27.07.2024. |