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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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Gewalt von Dichtern und Philosophen der Sprache angethan, zu klagen. Dichten und Philosophiren sind Aeußerungen der Freiheit und die Sprache als Organ der Mittheilung muß ihnen als Unterthanin unterworfen werden; der Dichter, der Philosoph können sie in so weit beherrschen, als sie nicht dadurch zum Organ der Mittheilung unfähig wird, und dafür sichert die analogische Bildung des neuen, bey dem Dichter der Zusammenhang, bey dem Philosophen die Erklärung. Die Natursprache ist nur ein Gewebe von Ahnungen, kein Fundbuch von Begriffen, es finden sich in ihr artige Zufälle, welche die Philosophie suppliren können; aber sie ist kein allgemein gültiger, kein nothwendig abzuhörender Zeuge. Mit tiefem Sinne, und sehr sorgfältig hat Kant seine Kunstsprache gewählt, indem er bald neue, analogische Worte schuf, theils alte bestimmte. Bedarf dieses noch eines Beweises, so darf man nur die zwey von Herder angefahtenen Worte: Anschauung und a priori ansehen, von denen jenes im Kantischen Sinne gebraucht, völlig neu, dieses altes aber schärfer bestimmt ist. Wie glücklich ist das erstere Wort gewählt, wenn man es auch nicht wie Fichte, von einem thätigen Hinschauen verstehen will! Es bezieht sich auf eine Gesichtsempfindung, das Auge aber tritt mit dem betastenden Gefühl in eine berichtigende Beziehung, es vereinigt Farbe mit der Form, und leitet die einzelne Empfindung als Folge aus dem Gegenstande ab; man denkt sich eine bestimmte Form mit einer gewissen Farbe als Behälter der Empfindungen, und da

Gewalt von Dichtern und Philosophen der Sprache angethan, zu klagen. Dichten und Philosophiren sind Aeußerungen der Freiheit und die Sprache als Organ der Mittheilung muß ihnen als Unterthanin unterworfen werden; der Dichter, der Philosoph koͤnnen sie in so weit beherrschen, als sie nicht dadurch zum Organ der Mittheilung unfaͤhig wird, und dafuͤr sichert die analogische Bildung des neuen, bey dem Dichter der Zusammenhang, bey dem Philosophen die Erklaͤrung. Die Natursprache ist nur ein Gewebe von Ahnungen, kein Fundbuch von Begriffen, es finden sich in ihr artige Zufaͤlle, welche die Philosophie suppliren koͤnnen; aber sie ist kein allgemein guͤltiger, kein nothwendig abzuhoͤrender Zeuge. Mit tiefem Sinne, und sehr sorgfaͤltig hat Kant seine Kunstsprache gewaͤhlt, indem er bald neue, analogische Worte schuf, theils alte bestimmte. Bedarf dieses noch eines Beweises, so darf man nur die zwey von Herder angefahtenen Worte: Anschauung und a priori ansehen, von denen jenes im Kantischen Sinne gebraucht, voͤllig neu, dieses altes aber schaͤrfer bestimmt ist. Wie gluͤcklich ist das erstere Wort gewaͤhlt, wenn man es auch nicht wie Fichte, von einem thaͤtigen Hinschauen verstehen will! Es bezieht sich auf eine Gesichtsempfindung, das Auge aber tritt mit dem betastenden Gefuͤhl in eine berichtigende Beziehung, es vereinigt Farbe mit der Form, und leitet die einzelne Empfindung als Folge aus dem Gegenstande ab; man denkt sich eine bestimmte Form mit einer gewissen Farbe als Behaͤlter der Empfindungen, und da

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[273/0285] Gewalt von Dichtern und Philosophen der Sprache angethan, zu klagen. Dichten und Philosophiren sind Aeußerungen der Freiheit und die Sprache als Organ der Mittheilung muß ihnen als Unterthanin unterworfen werden; der Dichter, der Philosoph koͤnnen sie in so weit beherrschen, als sie nicht dadurch zum Organ der Mittheilung unfaͤhig wird, und dafuͤr sichert die analogische Bildung des neuen, bey dem Dichter der Zusammenhang, bey dem Philosophen die Erklaͤrung. Die Natursprache ist nur ein Gewebe von Ahnungen, kein Fundbuch von Begriffen, es finden sich in ihr artige Zufaͤlle, welche die Philosophie suppliren koͤnnen; aber sie ist kein allgemein guͤltiger, kein nothwendig abzuhoͤrender Zeuge. Mit tiefem Sinne, und sehr sorgfaͤltig hat Kant seine Kunstsprache gewaͤhlt, indem er bald neue, analogische Worte schuf, theils alte bestimmte. Bedarf dieses noch eines Beweises, so darf man nur die zwey von Herder angefahtenen Worte: Anschauung und a priori ansehen, von denen jenes im Kantischen Sinne gebraucht, voͤllig neu, dieses altes aber schaͤrfer bestimmt ist. Wie gluͤcklich ist das erstere Wort gewaͤhlt, wenn man es auch nicht wie Fichte, von einem thaͤtigen Hinschauen verstehen will! Es bezieht sich auf eine Gesichtsempfindung, das Auge aber tritt mit dem betastenden Gefuͤhl in eine berichtigende Beziehung, es vereinigt Farbe mit der Form, und leitet die einzelne Empfindung als Folge aus dem Gegenstande ab; man denkt sich eine bestimmte Form mit einer gewissen Farbe als Behaͤlter der Empfindungen, und da

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/285>, abgerufen am 21.11.2024.