Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Briefes. So verfehlt er auch ganz die meistens unerschütterlich ruhige Rhetorik des Ritters durch vertrauliche und abgebrochne Redensarten, z.B.S.52. "Kann alles wohl seyn," Bien esta todo eso. S.240 "was weiß ichs." Jn eben dieser edlen Rede über die Buße des Amadis, wird diesem ein Schabernack (sinsabor) von seiner geliebten Oriana angethan, und auf diese Art fällt Herr S. in Don Quixote's poetischen Reden, bey denen es ja eben äußerst sinnreich gedacht ist, daß sie wirklich oft sehr schön sind und die Parodie nur leise hineinspielt, alle Augenblicke aus dem Tone. So kommt in einem der entzückendsten Perioden dieser Art: bien notas, escudero fiel y legal etc. S.331 plötzlich stockfinster vor, wo im Original las tinieblas steht. Hernach S. 337. "Der Zeitverlust, sprach er, ist mir zwar "verzweifelt ärgerlich; weil sich aber doch Rocinante "durchaus nicht von der Stelle bewegen kann, so "will ich mich gedulden bis die Morgenröthe hervor"geht," da das Original wörtlich so lautet: Weil dem also ist, Sancho, daß Rocinante sich nicht bewegen kann, so bin ich zufrieden zu warten bis die Morgenröthe lacht, wiewohl ich weinen muß, daß sie heranzukommen zögert. Um alles in der Welt, glaubt denn Herr S. daß Cervantes seinen Helden ohne Absicht so reden läßt? oder hat er für gar nichts Sinn als für den materiellen Sinn der Worte, und ist zwar wohl in Spanien, aber niemals weder im Cervantes noch überhaupt in der Poesie gewesen? Nach solchen Proben bin ich wohl des Beweises Briefes. So verfehlt er auch ganz die meistens unerschuͤtterlich ruhige Rhetorik des Ritters durch vertrauliche und abgebrochne Redensarten, z.B.S.52. “Kann alles wohl seyn,” Bien está todo eso. S.240 “was weiß ichs.” Jn eben dieser edlen Rede uͤber die Buße des Amadis, wird diesem ein Schabernack (sinsabor) von seiner geliebten Oriana angethan, und auf diese Art faͤllt Herr S. in Don Quixote's poetischen Reden, bey denen es ja eben aͤußerst sinnreich gedacht ist, daß sie wirklich oft sehr schoͤn sind und die Parodie nur leise hineinspielt, alle Augenblicke aus dem Tone. So kommt in einem der entzuͤckendsten Perioden dieser Art: bien notas, escudero fiel y legal etc. S.331 ploͤtzlich stockfinster vor, wo im Original las tinieblas steht. Hernach S. 337. “Der Zeitverlust, sprach er, ist mir zwar “verzweifelt aͤrgerlich; weil sich aber doch Rocinante “durchaus nicht von der Stelle bewegen kann, so “will ich mich gedulden bis die Morgenroͤthe hervor“geht,” da das Original woͤrtlich so lautet: Weil dem also ist, Sancho, daß Rocinante sich nicht bewegen kann, so bin ich zufrieden zu warten bis die Morgenroͤthe lacht, wiewohl ich weinen muß, daß sie heranzukommen zoͤgert. Um alles in der Welt, glaubt denn Herr S. daß Cervantes seinen Helden ohne Absicht so reden laͤßt? oder hat er fuͤr gar nichts Sinn als fuͤr den materiellen Sinn der Worte, und ist zwar wohl in Spanien, aber niemals weder im Cervantes noch uͤberhaupt in der Poesie gewesen? Nach solchen Proben bin ich wohl des Beweises <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0323" n="311"/> Briefes. So verfehlt er auch ganz die meistens unerschuͤtterlich ruhige Rhetorik des Ritters durch vertrauliche und abgebrochne Redensarten, z.B.S.52. “Kann alles wohl seyn,” Bien está todo eso. S.240 “was weiß ichs.” Jn eben dieser edlen Rede uͤber die Buße des Amadis, wird diesem ein <hi rendition="#g">Schabernack</hi> (sinsabor) von seiner geliebten Oriana angethan, und auf diese Art faͤllt Herr S. in Don Quixote's poetischen Reden, bey denen es ja eben aͤußerst sinnreich gedacht ist, daß sie wirklich oft sehr schoͤn sind und die Parodie nur leise hineinspielt, alle Augenblicke aus dem Tone. So kommt in einem der entzuͤckendsten Perioden dieser Art: bien notas, escudero fiel y legal etc. S.331 ploͤtzlich <hi rendition="#g">stockfinster</hi> vor, wo im Original las tinieblas steht. Hernach S. 337. “Der Zeitverlust, sprach er, ist mir zwar “verzweifelt aͤrgerlich; weil sich aber doch Rocinante “durchaus nicht von der Stelle bewegen kann, so “will ich mich gedulden bis die Morgenroͤthe hervor“geht,” da das Original woͤrtlich so lautet: Weil dem also ist, Sancho, daß Rocinante sich nicht bewegen kann, so bin ich zufrieden zu warten bis die Morgenroͤthe lacht, wiewohl ich weinen muß, daß sie heranzukommen zoͤgert. Um alles in der Welt, glaubt denn Herr S. daß Cervantes seinen Helden ohne Absicht so reden laͤßt? oder hat er fuͤr gar nichts Sinn als fuͤr den materiellen Sinn der Worte, und ist zwar wohl in Spanien, aber niemals weder im Cervantes noch uͤberhaupt in der Poesie gewesen?</p><lb/> <p>Nach solchen Proben bin ich wohl des Beweises </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [311/0323]
Briefes. So verfehlt er auch ganz die meistens unerschuͤtterlich ruhige Rhetorik des Ritters durch vertrauliche und abgebrochne Redensarten, z.B.S.52. “Kann alles wohl seyn,” Bien está todo eso. S.240 “was weiß ichs.” Jn eben dieser edlen Rede uͤber die Buße des Amadis, wird diesem ein Schabernack (sinsabor) von seiner geliebten Oriana angethan, und auf diese Art faͤllt Herr S. in Don Quixote's poetischen Reden, bey denen es ja eben aͤußerst sinnreich gedacht ist, daß sie wirklich oft sehr schoͤn sind und die Parodie nur leise hineinspielt, alle Augenblicke aus dem Tone. So kommt in einem der entzuͤckendsten Perioden dieser Art: bien notas, escudero fiel y legal etc. S.331 ploͤtzlich stockfinster vor, wo im Original las tinieblas steht. Hernach S. 337. “Der Zeitverlust, sprach er, ist mir zwar “verzweifelt aͤrgerlich; weil sich aber doch Rocinante “durchaus nicht von der Stelle bewegen kann, so “will ich mich gedulden bis die Morgenroͤthe hervor“geht,” da das Original woͤrtlich so lautet: Weil dem also ist, Sancho, daß Rocinante sich nicht bewegen kann, so bin ich zufrieden zu warten bis die Morgenroͤthe lacht, wiewohl ich weinen muß, daß sie heranzukommen zoͤgert. Um alles in der Welt, glaubt denn Herr S. daß Cervantes seinen Helden ohne Absicht so reden laͤßt? oder hat er fuͤr gar nichts Sinn als fuͤr den materiellen Sinn der Worte, und ist zwar wohl in Spanien, aber niemals weder im Cervantes noch uͤberhaupt in der Poesie gewesen?
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/323>, abgerufen am 27.07.2024. |